ANZEIGE

246 JVG – Jägerprüfung Durchgefallen – wiederholen oder klagen? (2)

13479

Jägerprüfung Durchgefallen – wiederholen oder klagen? (2) Beurteilungsspielraum

246 JVG
Auch bereits verwelktes oder trockenes Laub kann Gegenstand der mündlichen Prüfung sein FOTO: BURKHARD FISCHER

Mark G.v.Pückler

I. Die Rechtsgrundlage „Die Prüfung hat nicht bestanden,wer nicht in jedem Prüfungsfach mindestens die Endnote 4,0 erreicht hat.“ § 13 Abs.1 J.gerprüfungsordnung (JPrO) Baden-Württemberg. „Die Prüfungsleistungen sind wie folgt zu bewerten:

1 = eine fehlerfreie und vollständige Leistung,

2 = eine gute, erheblich über dem Durchschnitt liegende Leistung,

3 = eine befriedigende Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht,

4 = eine ausreichende Leistung, die trotz einzelner Mängel durchschnittlichen  Anforderungen entspricht,

5 = eine Leistung mit erheblichen Mängeln,

6 = eine völlig unbrauchbare Leistung.“

§ 12 Abs.1 JPrO Baden-Württemberg.

II. Der Sachverhalt

Prüfungskandidat K. hat die Jägerprüfung nicht bestanden. Im Prüfungsfach 1  (Wildtierkunde, Jagdbetrieb u.a.) hatte er die Mindestnote von 4,0 nicht erreicht. Nach Zurückweisung seines Widerspruchs erhob er beim Verwaltungsgericht Klage. Zur Begründung machte er geltend, dass seine Leistungen in der schriftlichen und mündlichen Prüfung zu schlecht beurteilt worden seien. Trotz weitgehender Übereinstimmung seiner Antworten mit der Musterlösung, habe er nur schlechte Noten erhalten.

III. Das Urteil

Das Gericht wies die Klage ab. Eine Überprüfung der Bewertung sei grundsätzlich ausgeschlossen. Die Benotung der Antworten sei allein Sache des zuständigen Prüfers, dem hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe. Dieser Beurteilungsspielraum werde erst dann von dem Prüfer überschritten und damit eine Aufhebung der Bewertung durch das Gericht ermöglicht, wenn der Prüfer bei der Benotung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, er gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen habe oder sich von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. Keiner dieser Verstöße sei jedoch hier gegeben.

1. Schriftliche Prüfung

Bei den von K. angegriffenen Einzelnoten hätten die Prüfer ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Im einzelnen seien folgende Fragen und Antworten betroffen:

Frage 1: Vorstehtreiben im Wald: Das Treiben führt durch eine Fichtendickung, an deren linker Seite (in Richtung des Treibens gesehen) ein Weg verläuft. Links des Weges schließt sich ein Buchenaltholz mit Unterwuchs an. Die Schützen sollen auf dem Weg angestellt werden. Wo müssen sie aus Gründen der Sicherheit und des besseren Erfolges stehen? Musterlösung: 
Auf der Dickungsseite des Weges.
Antwort von K.: Starker Unterwuchs gefährlich, sie sollten daher rückwärts stehen.

Noten: 5/5 (Erstprüfer/Zweitprüfer)

Das Gericht: Die Antwort ist unverständlich. Sie gibt nicht an, auf welcher Seite die Schützen stehen sollen, sondern allenfalls, welche Körperstellung sie einzunehmen haben (mit dem Rücken zum Treiben? Oder zum Unterwuchs?).

Frage 2: Welche Verpflichtung hat bei einer Gesellschaftsjagd jeder Schütze nach dem Einnehmen seines Standes?

Musterlösung: Er muss sich mit den jeweiligen Nachbarn verständigen und darf den Stand nicht verändern oder verlassen, ohne sich mit seinen Nachbarn verständigt zu haben.

Antwort von K.: Sich mit seinen Nachbarn bekannt zu machen, mit ungeladenem Gewehr.

Noten: 4/4 (Erstprüfer/Zweitprüfer)

Das Gericht: Die Antwort ist unklar und unvollständig. Der Schütze muss sich nicht mit seinem Namen „bekannt machen“, sondern ihnen durch lautloses Heben der Hand seinen Standort anzeigen, damit sie nicht in seine Richtung schießen. Die aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderliche Beibehaltung des Standes bis zum Abblasen wird nicht erwähnt.

Frage 3: Wo und warum müssen Eichen- und Buchennaturverjüngungen eingezäunt werden?

Musterlösung: In Revieren mit hohem Nadelholzanteil und in kleinen, vom Feld umgebenen Waldungen ist das Zäunen wegen der Verbissgefahr in der Regel nicht zu umgehen.

Antwort von K.: Wegen Verbiss und Schälschäden.

Noten: 5/5 (Erstprüfer/Zweitprüfer)

Das Gericht: Die Antwort nennt nicht, „wo“ gezäunt werden muss. Dass die Prüfer diesem Teil der Frage ein wesentlich höheres Gewicht beigemessen haben als dem „Warum“, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Einstufung unterliegt ihrem Beurteilungsspielraum, der durch diese Wertung nicht überschritten wird, zumal das Wissen um den Ort der Zäunung fundiertes Wissen verlangt.

2. Mündliche Prüfung

Gegen das Ergebnis der mündlichen Prüfung wandte K. ein, dass er zu Beginn verschiedene Zweige heimischer Baumarten habe bestimmen sollen. Die Blätter der Zweige seien jedoch infolge der hohen Tagestemperatur bereits verwelkt gewesen, so dass eine Identifizierung „unmöglich“ gewesen sei. Das Gericht: Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums sei auch hier nicht gegeben. Zwar treffe es zu, dass dem K. am späten Nachmittag Zweige von Laub- und Nadelhölzern zur Identifizierung vorgelegt worden seien, wobei die Blätter jedenfalls nicht mehr frisch gewesen seien. Das habe sich aber auf die Note nicht  ausgewirkt; denn nach Aussage der Prüfer seien allein die Antworten zu den Nadelhölzern bewertet worden. Im übrigen könnten auch verwelkte Zweige Gegenstand der Prüfung sein, weil sowohl die Blätter als auch die Rinde ihre wesentlichen Formen und Kennzeichen beibehielten und auch verwelkte Zweige in der Praxis von Bedeutung sein könnten. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 6.11.1986 – 9 K 18/86 –.

IV. Anmerkungen

● Die Benotung ist grundsätzlich nicht anfechtbar. Was richtig oder falsch, was vollständig oder unvollständig ist, das bestimmt allein der Prüfer. Basta! Niemand kann ihn hierin korrigieren, selbst wenn ein anerkannter Sachverständiger eine bessere Note für richtig hält, solange er seinen Beurteilungsspielraum (Freiraum) nicht überschreitet. Eine solche Überschreitung liegt nur vor,
● wenn der Prüfer seiner Beurteilung einen falschen oder unvollständigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat. Das ist z. B. der Fall, wenn er die Rückseite eines Blattes übersehen hat, auf der sich noch eine richtige Antwort befindet, oder er in der mündlichen Prüfung sich verhört hat, teilweise abwesend war und daher nur einen Teil der Antworten selbst mitgehört hat, oder er gar die Antworten der gemeinsam geprüften Kandidaten verwechselt hat (wer hat was geantwortet?).
● wenn sich der Prüfer bei der Benotung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, z.B. Benachteiligung von Frauen, weil Jagen „Männersache“ ist, von Ortsfremden, weil sie hier „nichts zu suchen“ haben, von Akademikern, weil sie „Büromenschen“ sind usw. Sachfremd sind alle Kriterien, die mit der Bewertung der Prüfungsleistung nichts zu tun haben. In solchen Fällen liegt oft auch Befangenheit vor.
● wenn der Prüfer gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, z. B. unverständliche oder unlösbare Fragen gestellt hat oder die von ihm vertretene Lösung „denkgesetzlich“ ausgeschlossen ist. Hierher gehört auch, dass der Prüfer seiner  Bewertung, die in der Jägerprüfungsordnung enthaltenen Notendefinitionen, fehlerfrei zugrunde gelegt und das Endergebnis richtig errechnet hat.
● wenn die Bewertung aus keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt sein kann und daher willkürlich ist. Das ist z. B. der Fall, wenn die Auffassung des Prüfers offensichtlich schlechthin unhaltbar ist oder er eine Antwort erwartet, nach der gar nicht gefragt wurde. Beispiel: Auf die Frage, was die Bezeichnung 7 x 64 bedeutet, antwortet der Prüfling: Kaliber 7 mm, Patronenlänge 64 mm. Der Erstprüfer erteilt dafür eine 3, weil „die Hälfte“ richtig ist, der Zweitprüfer eine 5, weil dem Prüfling offensichtlich „elementare Grundlagen“ fehlen oder der zweite Teil schwieriger ist. Eine solche Bewertung wäre unangreifbar, weil sie sich innerhalb des oben beschriebenen Beurteilungsspielraums hält.
● Hat der Prüfling nachgewiesen, dass der Prüfer bei der Benotung seinen  Beurteilungsspielraum überschritten hat und er deshalb durchgefallen ist, so kann er die Aufhebung des negativen Prüfungsbescheids und die fehlerfreie Neubewertung seiner Prüfungsleistung verlangen. Diese neue Bewertung hat grundsätzlich der bisherige Prüfer vorzunehmen; die Tatsache, dass seine erste Benotung fehlerhaft war, begründet noch keine Befangenheit.
● Ob eine Frage noch zum Prüfungsgebiet gehört, unterfällt ebenfalls dem  Beurteilungsspielraum des Prüfers. An eine falsche Musterlösung ist er nicht gebunden, eine von der Musterlösung abweichende vertretbare Lösung kann er als richtig zulassen.
● Wurde die Konzentration der Prüflinge durch äußere Umstände schwer beeinträchtigt, z. B. durch starken Baulärm nebenan (Presslufthammer) oder unerträgliche Hitze, so ist als Ausgleich eine angemessene Verlängerung der Bearbeitungszeit zu gewähren. Störungen dieser Art müssen sofort geltend gemacht werden, damit umgehend Abhilfe geschaffen werden kann.

V. Ergebnis

1. Die Benotung der Prüfungsleistung ist grundsätzlich nicht anfechtbar, selbst wenn ein Sachverständiger die Antworten besser beurteilen würde.
2. Die Benotung ist erst dann fehlerhaft, wenn der Prüfer seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat.
3. In diesem Falle kann der Prüfling die Aufhebung des negativen Prüfungsbescheids und die Neubewertung seiner Prüfungsleistung verlangen. Je nach dem Ergebnis wird die Prüfung für bestanden erklärt oder es verbleibt beim Nichtbestanden.

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot