ANZEIGE

271 JVG Nicht versicherter Jagdgast

1886

Vom Schwarzwild geschlagen, beim Schüsseltreiben verletzt – Nicht versicherter Jagdgast
271 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Versicherungsfrei sind Personen, die auf Grund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten unentgeltlich oder entgeltlich erteilten Fischerei- oder Jagderlaubnis die Fischerei oder Jagd ausüben (Fischerei- oder Jagdgäste).“ § 4 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VII

II. Der Sachverhalt

An einem Novemberabend kam Jagdgast J. zu Schuss auf ein Stück Schwarzwild. Dieses flüchtete krank in das Unterholz, eine Nachsuche mit dem Hund wurde nach 500 Metern abgebrochen. Am folgenden Morgen wurde die Nachsuche fortgesetzt. Die Fährte führte in das Nachbarrevier, wo die Schweißarbeit mit Genehmigung des dortigen Pächters weitergeführt wurde. Plötzlich wurde J. von der Sau angenommen und am linken Bein schwer verletzt. Der Unfall wurde ordnungsgemäß der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gemeldet. Diese lehnte eine Entschädigung ab, weil Jagdgäste nicht versichert seien. Der Verletzte vertrat jedoch die Auffassung, dass seine Jagdausübung als Jagdgast mit der erfolglosen Nachsuche am Abend geendet habe, am folgenden Morgen habe er dem Pächter lediglich als Jagdhelfer bei der Nachsuche unterstützt. Jagdhelfer aber seien versichert.

III. Das Urteil Vor Gericht hatte der Jagdgast keinen Erfolg. Seine Klage wurde abgewiesen, weil eine Nachsuche des Schützen noch zu dessen Jagdausübung gehöre. Deshalb sei J. in seiner Eigenschaft als Jagdgast, nicht jedoch als Jagdhelfer verletzt worden. Entscheidend sei, dass ein Jagdgast auf Grund eigener Verpflichtung zur Nachsuche auf das von ihm krank geschossene Wild verpflichtet sei. Daher gehöre die Nachsuche noch zu seiner Jagdausübung. Dem stehe nicht entgegen, dass die Nachsuche am Abend abgebrochen und am folgenden Morgen wieder aufgenommen worden sei und schließlich in das Nachbarrevier geführt habe. Denn dadurch werde der unmittelbare innere Zusammenhang zwischen dem Jagen und der Nachsuche nicht beseitigt. Nach § 22a Abs. 1 BJG sei krankgeschossenes Wild vor vermeidbaren Schmerzen und Leiden zu bewahren und unverzüglich zu erlegen. Diese Verpflichtung treffe auch auf einen Jagdgast zu. Bei einer Wildfolge habe dieser den Anschuss und die Stelle des Überwechselns nach Möglichkeit kenntlich zu machen und sich oder eine mit den Vorgängen vertraute Person für die Nachsuche zur Verfügung zu stellen (§ 17 Abs. 2 LJG Baden-Württemberg). Dieser Verpflichtung sei der Jagdgast mit seiner Teilnahme an der Nachsuche nachgekommen, als er verletzt worden sei. Die Aufforderung des Pächters, am folgenden Morgen an der Nachsuche teilzunehmen, habe daher nicht zur Folge gehabt, dass der Jagdgast nunmehr als Jagdhelfer einzustufen sei. Denn hierbei habe es sich lediglich um einen Hinweis auf die Pflichten eines Jagdgastes gehandelt. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.5.2003 – L 3 U 21/03 –

271 JVG
Die von der Sau stammenden Blutergüsse sind zumindest „ehrenvoller“ als der Unfall des Treibers beim Schüsseltreiben, beschrieben unter IV. In beiden Fällen gab es bisher keine Entschädigung

IV. Weiteres Urteil
Treiber T. nahm an einer Drückjagd teil. Beim abschließenden Schüsseltreiben erlitt er einen schweren Unfall. Die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung ab. Es handle sich nicht um einen Arbeitsunfall, da das Schüsseltreiben als geselliges Beisammensein nicht mehr zur Treibertätigkeit gehöre. Das Gericht sah das anders und gab dem Treiber Recht. Bei einer Gesellschaftsjagd gehöre das Schüsseltreiben noch zur Jagd, da es von dieser nicht zu trennen sei und alle Teilnehmer vereine. Nach altem Brauch bilde es den gemeinsamen Abschluss der Jagd und sei daher noch der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. In ihm komme die Freude aller an der Jagd Beteiligten über das gelungene Werk sowie die Anerkennung des Jagdherrn über die geleistete Arbeit zum Ausdruck.Für die Treiber sei die Teilnahme am Schüsseltreiben darüber hinaus die Entlohnung für ihre anstrengende und nicht immer ungefährliche Arbeit, da sie häufig nicht anderweitig bezahlt würden. Für manchen Treiber stelle gerade das Schüsseltreiben einen nicht unerheblichen Anreiz dar, sich auch weiterhin zur Verfügung zu stellen. Auch bei einem Richtfest seien die Teilnehmer versichert, obwohl dabei nicht gearbeitet werde. Hier entspreche es einem alten Handwerksbrauch, die Arbeiten am Rohbau mit einer gemeinsamen Feier aller Beteiligten abzuschließen. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 13.11.2003 – L 2 U 35/03 – (nicht rechtskräftig). Übrigens: Auch im Waffengesetz steht das Schüsseltreiben noch „im Zusammenhang“ mit der Jagd, so dass die Waffe ungeladen mitgeführt werden darf (§ 13 Abs. 6 WaffG). Es wäre zu wünschen, dass dieses überzeugende Urteil in der Revisionsinstanz bestätigt wird.

V. Ergebnis
1. Jagdgäste unterliegen grundsätzlich nicht dem Versicherungsschutz der  Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften.
2. Wird ein Jagdgast bei der Nachsuche auf ein von ihm selbst krank geschossenes Stück Wild verletzt, so erhält er keine Entschädigung.
3. Anders dürfte es sein, wenn der Jagdgast auf Anweisung des Jagdausübungsberechtigten eine Nachsuche auf Wild durchführt, das er nicht selbst krank geschossen hat (zum Beispiel als Hundeführer), weil er dann eine fremde Pflicht erfüllt und den Weisungen des  Revierinhabers unterliegt. In diesem Falle ist er nicht als Jagdgast tätig, sondern übt eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit wie ein Jagdhelfer (Jagdaufseher, Hundeführer) aus.
4. Auch das eine Gesellschaftsjagd abschließende Schüsseltreiben dürfte noch zur Jagd gehören und damit dem Unfallschutz unterliegen.

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot