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309 JVG – Schüsse ins Heimatdorf

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309 JVG – Schüsse ins Heimatdorf ohne Kugelfang

309 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 229 Strafgesetzbuch 2. „Ein Schuss darf erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass niemand gefährdet wird.“ § 3 Abs. 4 VSG 4.4 3. „Eine Gefährdung ist zum Beispiel dann gegeben, wenn • Personen durch Geschosse oder Geschossteile verletzt werden können, die an Steinen, gefrorenem Boden, Ästen, Wasserflächen oder am Wildkörper abprallen oder beim Durchschlagen des Wildkörpers abgelenkt werden, • beim Schießen mit Einzelgeschossen kein ausreichender Kugelfang vorhanden ist.“ Durchführungsanweisung zu § 3 Abs. 4 VSG 4.4

II. Der Sachverhalt
Abendansitz auf Schwarzwild im September 2004. Gegen 21 Uhr 40, bei Dunkelheit, gab Jäger J. aus seinem Steyer- Mannlicher SSG 9 Kal. .308 Winchester zwei Schüsse auf ein Stück Schwarzwild ab, das sich rund 30 Meter vor ihm auf einem leicht ansteigenden Gelände befand. Jenseits der Geländekuppe lag in rund 1 300 Metern sein Heimatdorf. Nach seinen Angaben habe er bei Abgabe des Schusses vor dem Hochsitz gekniet und seine Büchse daran abgestützt. Die Abschusshöhe des Projektils betrug in diesem Falle 1,42 Meter, auf dem Hochsitz sitzend wären es 2,03 Meter gewesen. In beiden Fällen konnte nach Angaben des Sachverständigen das Geschoss das Gelände überfliegen und im Dorf Schaden verursachen. Der eine Schuss ließ den Schwarzkittel verenden, der andere verfehlte sein Ziel und verletzte einen am Dorfrand an einer Scheune stehenden Jungen am Unterarm. Das Geschoss trat oberhalb des rechten Daumengelenks in den Unterarm ein, durchquerte diesen in einer Länge von 12 Zentimetern in Richtung Ellenbeuge und trat dort mit einem Ausschuss von etwa 3 x 4 Zentimetern wieder aus. Nach Operation und stationärem Aufenthalt im Krankenhaus ist die Verletzung folgenlos ausgeheilt.

III. Das Urteil
Das Gericht verurteilte den Jäger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro. J. habe die einem Jäger obliegenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet und dadurch fahrlässig einen anderen verletzt. Denn er habe entgegen § 3 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschriften die Schüsse abgegeben, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass niemand gefährdet werde, insbesondere dass ein ausreichender Kugelfang gegeben sei. Das leicht ansteigende Gelände habe keinen ausreichenden Kugelfang gebildet, weil das Geschoss infolge des niedrigen Standorts bei der Schussabgabe das Gelände habe überfliegen und das im Hintergrund liegende Dorf mit seinen Bewohnern gefährden können. Das habe J. auch vorhersehen können. Denn er habe gewusst, dass hinter der leichten Erhöhung sein Heimatort liege und sein Geschoss eine weit höhere Reichweite habe. Landgericht Nürnberg – Fürth, Urteil vom 12.3.2007 – 2 Ns 801 Js 6237/05 – IV. Weiteres Urteil Pächter A. steht am Rande eines kleinen Flüsschens im Schilf auf dem Entenstrich. Wegen Überschwemmung hat er an diesem Tage nicht seinen üblichen Stand eingenommen, sondern sich an einer anderen Stelle postiert. Sein Mitpächter B. kommt etwas später ebenfalls zum Entenstrich und platziert sich schräg gegenüber von A. im Schilf. Beide bemerken einander nicht. Als Enten einfallen, schießt B. in Kopfhöhe auf einen vor der gegenüber liegenden Schilfwand fliegenden Erpel und trifft den im Schilf verdeckt stehenden A. mit einem Schrotkorn ins Auge, so dass es erblindet. B. wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt, weil er flach auf eine anstreichende Ente geschossen habe, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass im Hintergrund niemand verletzt werden konnte. Amtsgericht Flensburg, Urteil vom 21.1.1992 – 47 Ds 392/88 –

V. Anmerkungen
Die Urteile zeigen, wie wichtig es ist, dass bei einem Kugelschuss stets ein sicherer Kugelfang gegeben ist. Für einen Schrotschuss gilt das ebenfalls, wenn er flach gegen einen nahen, uneinsehbaren Hintergrund abgegeben wird. Ein Schuss gegen eine Wand aus Schilf oder Mais, gegen eine Dickung, ein Gebüsch oder einen bewaldeten Hügel/Berg im Hinterland hat daher grundsätzlich zu unterbleiben, weil der Hintergrund nicht einsehbar ist und überall Menschen sein können, seien es spielende Kinder oder Spaziergänger. Hochsitze sind nicht nur für ein unbemerktes Beobachten, zuverlässiges Ansprechen und eine leichte Schussabgabe wichtig, sondern auch für einen sicheren Kugelfang, weil das Geschoss aufgrund des Neigungswinkels in der Regel hinter dem Wild in die Erde trifft (mögliche Ausnahme: Schuss hangabwärts). Wer dagegen in ebenem Gelände Wild anpirscht und sitzend, kniend oder gar liegend auf Schalenwild schießt, hat zumeist keinen sicheren Kugelfang, so dass der Schuss unterbleiben muss. Wer die Sicherheitsregeln der Unfallverhütungsvorschriften nicht einhält, handelt grundsätzlich fahrlässig. Wird dadurch ein Mensch verletzt oder getötet, wird der Schütze wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw. fahrlässiger Tötung verurteilt. Selbst eine folgenlos gebliebene Nichteinhaltung der Unfallverhütungsvorschriften kann zur Unzuverlässigkeit führen, sofern es sich um einen schweren oder wiederholten Verstoß handelt, der für die Zukunft einen leichtfertigen oder unvorsichtigen Umgang mit Waffen oder Munition befürchten lässt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG; Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss v. 19.5.2006 – 8 ME 50/06 –). Die Waffenbehörden und Gerichte verlangen einen tadellosen Umgang mit Waffen und Munition, um Gefährdungen und Unfälle vorbeugend zu verhindern.

VI. Ergebnis
1. Wer einen Kugelschuss ohne sicheren Kugelfang oder einen flachen Schrotschuss gegen einen nahen, uneinsehbaren Hintergrund abgibt, geht mit der Waffe leichtfertig und unvorsichtig um und handelt deshalb fahrlässig, auch wenn nichts passiert ist. 2. Bei einem schweren oder wiederholten Verstoß kann das zur Unzuverlässigkeit führen.

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