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316 JVG – Die Haftung des Waldeigentümers

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316 JVG – Verkehrssicherungspflicht beachten! Die Haftung des Waldeigentümers

316 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr.“ § 14 Abs. 1 Bundeswaldgesetz (die Landeswaldgesetze haben entsprechende Vorschriften) 2. Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, oder wer die Verfügungsgewalt über eine Sache besitzt, von der eine Gefahr ausgeht, muss die notwendigen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen treffen, um andere vor Schäden zu bewahren. Erleidet jemand durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung dieser Pflicht einen Schaden, insbesondere durch Unterlassen notwendiger und zumutbarer Schutzmaßnahmen, steht ihm nach § 823 Bürgerliches Gesetzbuch ein Schadensersatzanspruch zu. (Allgemeine Verkehrssicherungspflicht (VSP))

II. Der Sachverhalt
A. erwarb für 15 Euro von der Stadt B. die Erlaubnis, im Stadtwald auf einer Fläche von ca. 3 000 qm liegendes Holz zu sammeln. Eines Tages stellte er seinen Pkw zu diesem Zweck an einem Waldweg (Rückeweg) ab, um die Fläche aufzusuchen. Kaum hatte er seinen Wagen verlassen, stürzte eine Eiche (stehendes Totholz) auf seinen Pkw und beschädigte ihn erheblich. A. verlangte von der Stadt B. Schadensersatz. Er machte geltend, die Stadt habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie keine Schutzmaßnahmen getroffen habe, obwohl die tote Eiche erkennbar die Benutzer des Weges gefährdet habe.

III. Das Urteil
Das Gericht hat die Klage abgewiesen, weil die Stadt als Waldeigentümerin ihre Verkehrssicherungspflicht (VSP) nicht verletzt hatte. Zwar hafte derjenige, der auf seinem Grundstück einen Verkehr eröffne, grundsätzlich für dessen Sicherheit. Das bedeute aber nicht, dass gegen alle denkbaren Schadenseintritte Vorkehrungen getroffen werden müssten. Vielmehr seien nur diejenigen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, die im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren lägen und geeignet seien, solche Gefahren abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohten (Bundesgerichtshof, NJW 1978, 1629). 1. Typische Waldgefahren Für das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken im Rahmen des allgemeinen Betretungsrechts bestimme das Gesetz, dass die Benutzung des Waldes „auf eigene Gefahr“ geschehe. Der Waldbesitzer habe daher grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen gegen die typischen Waldgefahren zu treffen. Typische Waldgefahren seien solche, die sich aus der Natur oder der Art der Bewirtschaftung des Waldes ergeben (z. B. Baum- und Astbruch, Glätte, Steine, Löcher u. a.). Für diese Gefahren hafte der Waldeigentümer nur, wenn er Anzeichen übersehen, missachtet oder verkannt habe, die auf eine besondere Gefahrenlage hindeuteten (Bundesgerichtshof, VersR 2004, 877, 878). 2. Atypische Waldgefahren Vor atypischen Gefahren aber müsse der Eigentümer die Waldbesucher so weit wie möglich schützen. Atypisch seien solche Gefahren, die nicht durch die Natur oder die Art der Bewirtschaftung entstünden, insbesondere solche, die der Waldbesitzer selbst geschaffen habe (z. B. durch Absperrungen, ungesicherte Holzstapel u. ä.). 3. Kein Ersatz Ausgehend von diesen Grundsätzen könne der Geschädigte im vorliegenden Fall keinen Ersatz verlangen. Denn nach den vorgelegten Lichtbildern spreche vieles dafür, dass der betreffende Weg dem Bestand zuzuordnen sei, so dass der Eigentümer für waldtypische Gefahren wie Baumsturz grundsätzlich nicht hafte. Hiervon abgesehen handle es sich jedenfalls um einen Wirtschaftsweg, der in erster Linie der Erschließung und Nutzung des Waldes diene. An solchen Wegen bestehe nur eine geringe VSP. Unerheblich sei, dass es sich um Totholz gehandelt habe. Denn Totholz sei ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Wald, das für viele Tierarten überlebenswichtig sei. Es entspreche daher einer naturnahen Waldbewirtschaftung, Totholz zu erhalten und dem natürlichen Verfall zu überlassen. In Zertifizierungsverfahren sei daher auch ein bestimmter Anteil an Totholz erwünscht. Die sich hieraus ergebenden Gefahren seien daher als waldtypische Risiken grundsätzlich hinzunehmen. Die Erlaubnis zum Fahren und Parken auf dem Waldweg zwecks Nutzung des Flächenloses beseitige nur die Verbotswidrigkeit, begründe aber keine erhöhte VSP. (Landgericht Tübingen, Urteil vom 13.1.2006 – 2 O 292/05 –).

IV. Anmerkungen
1. Allgemeines zur Haftung Die Verkehrssicherungspflicht für den Wald trifft grundsätzlich denjenigen, der die Verfügungsgewalt über ihn ausübt. Das ist bei Eigennutzung in der Regel der Eigentümer als Besitzer seines Waldes, bei Fremdnutzung der unmittelbare Besitzer (z. B. Pächter). Bei der Haftung des Waldeigentümers ist zunächst zu berücksichtigen, dass das allgemeine Betretungsrecht einen Eingriff in sein Eigentum darstellt, der zwar als Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz gerechtfertigt ist, der aber erhebliche Nachteile für ihn zur Folge hat (Abfälle, Störungen, Waldbrandgefahr, Baum- und Wegbeschädigungen usw.). Deshalb bestimmen die Waldgesetze, dass das Betreten des Waldes grundsätzlich „auf eigene Gefahr“ erfolgt, um die Haftung des Waldeigentümers nicht zu überspannen, zumal er auf die Naturereignisse und das Verhalten der Waldbesucher keinen Einfluss hat und jedermann die natürlichen Gefahren des Waldes bekannt sind. 2. Haftungsgrundsätze a. Im Bestand (Waldesinneren) haftet der Eigentümer nicht für Gefahren, die von Bäumen oder anderen Naturgegebenheiten ausgehen („waldtypische“ Gefahren), z. B. durch Ast- oder Stammbruch, Glätte, Steine, Löcher u. ä. Denn wer den Wald außer- halb der Wege betritt, muss grundsätzlich mit diesen Gefahren rechnen. Den Eigentümer trifft hier keine regelmäßige Kontrollpflicht, auch Totholz ist grundsätzlich nicht zu entfernen. Jedem einsichtigen Waldbesucher sind diese Gefahren bekannt („selbst schuld“). b. Auf Wald- und Wirtschaftswegen gilt grundsätzlich das gleiche. Denn Waldwege dienen in erster Linie der Erschließung des Waldes, ihre Unterhaltung erfolgt vorrangig für den Forstbetrieb. Der Waldbesucher hat daher grundsätzlich auch auf diesen Wegen mit den typischen Waldgefahren zu rechnen und für seine Sicherheit selbst zu sorgen. Das gilt auch für das Befahren. c. Bei Wegen, die in besonderem Maße für die Waldbesucher erstellt wurden (z. B. Rundwege, Panoramawege u. ä.) gilt eine gesteigerte VSP: Je frequentierter der Weg ist und je mehr er den Besuchern empfohlen wird, desto höher ist die VSP. Gleichwohl kann ein Waldbesucher auch hier nicht davon ausgehen, dass Wege und Einrichtungen im Wald stets völlig gefahrlos für ihn sind. d. Erhöhte Anforderungen gelten an Erholungseinrichtungen im Wald, die mit einer längeren Verweildauer verbunden sind, z. B. an Spiel- und Sportstätten, Schutzhütten und Rastplätzen, Trimm-Dich-Pfaden und Skiloipen. Denn hier werden die Besucher zum Betreten des Waldes und zum Verweilen am Ort aufgefordert, so dass sie auf eine gefahrlose Benutzung vertrauen können. An solchen Orten kann der Eigentümer daher verricht vertrat im Jahr 1966 noch die Auffassung, ein Unterpachtvertrag bedürfe nicht der Schriftform. Die Richter begründeten ihr Urteil, dass nur die schriftliche Form den Rechtsverkehr der Parteien absichere. Bevor 4. Eine erhöhte VSP gilt an Einrichtungen, die speziell für die Waldbesucher geschaffen wurden (z. B. an Spiel- und Sportstätten, Trimm-Dich-Pfaden, Waldparkplätzen u. a.), sowie an Wegen, die in besonderem Maße für Erholungszwecke der Bevölkerung angelegt wurden (Rundwege, Panoramawege usw.). Hier sind regelmäßige Kontrollen erforderlich und erkannte Gefahren unverzüglich zu beseitigen. Gleiches gilt nach gefahrträchtigen Naturereignissen wie Sturm und starkem Schneefall. 5. Totholz gehört als Bestandteil einer naturnahen Waldnutzung zum Ökosystem Wald. Es muss daher nicht schlechthin, sondern grundsätzlich nur an Orten mit erhöhter VSP (siehe Nr. 4) entfernt werden. R pflichtet sein, Totholz zu entfernen. V. Ergebnis 1. Der Waldeigentümer haftet nur begrenzt für Schäden, die Besucher des Waldes erleiden. 2. Das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken (allgemeines Betretungsrecht) erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Das bedeutet, dass der Besucher für die typischen Gefahren des Waldes in der Regel selbst haftet (eigenes Risiko), z. B. bei Baum- und Astbruch. Das gilt im Waldesinneren wie auch auf normalen Waldwirtschaftswegen. 3. Vor atypischen Gefahren (siehe S. 100) hat der Waldeigentümer die Besucher im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren zu warnen und zu schützen.

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