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393 JVG – Verdacht auf Alkoholabhängigkeit

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Verdacht auf Alkoholabhängigkeit – 393 JVG

Widerlegung durch medizinisch-psychologisches Fahreignungs-Gutachten möglich

Jäger vor Gericht

393 JVG
Sind Führer- und Jagdschein wegen Alkoholabhängigkeit weg, reicht ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten, um beide wiederzubekommen. Foto: Hans-Jörg Nagel

I. Der Fall

Der Waffenbesitzer W. wurde im September 2012 wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Infolge seines hohen Blutalkoholgehalts von 2,33 Promille teilte ihm die Waffenbehörde im September 2015 mit, dass beabsichtigt sei, seine Waffenbesitzkarte wegen fehlender persönlicher Eignung (Alkoholabhängigkeit) zu widerrufen. Er habe aber die Möglichkeit, seine Eignung durch Vorlage eines amts-, fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses nachzuweisen.

Daraufhin legte W. ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Fahreignung vor, das nach seiner Verurteilung im Zusammenhang mit der Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis im Juni 2013 erstellt worden war. Dieses kam zu dem Ergebnis, es sei nicht zu erwarten, dass er künftig erneut ein Kraftfahrzeug unter Alkohol-einfluss führen werde.

Die Waffenbehörde vertrat die Ansicht, dass ein Gutachten über die Fahr-eignung nicht tauglich sei, auch die waffenrechtliche Eignung nachzuweisen. Sie widerrief daher die Waffenbesitzkarte des W. und forderte ihn auf, seine Waffen und Munition innerhalb einer bestimmten Frist einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen. Hiergegen legte W. Widerspruch ein und beantragte vor Gericht, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsmittels anzuordnen.

II. Die Gerichtsentscheidung

Das Gericht gab dem Waffenbesitzer recht. Es ordnete die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs an, weil der Widerrufsbescheid nach Aktenlage als rechtswidrig einzustufen ist. Dabei bleibt offen, ob der Bescheid bereits deshalb rechtswidrig ist, weil ein amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten angefordert wurde, W. also die Wahl hatte, obwohl richtigerweise allein ein medizinisch-psychologisches Zeugnis hätte eingeholt werden müssen. Jedenfalls ist der Widerruf der Waffenbesitzkarte deshalb rechtswidrig, weil W. seine waffenrechtliche Eignung durch Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens über seine Fahreignung nachgewiesen hat.

Dieser Nachweis war notwendig. Denn nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deutet eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf eine deutlich von der Norm abweichende Trinkgewohnheit und eine ungewöhnliche „Giftfestigkeit“ hin, womit ein erhöhtes Gefährdungspotenzial einhergeht.

In dem von W. vorgelegten Gutachten gingen die Gutachter zutreffend davon aus, dass bei Werten ab 1,6 Promille ein chronischer Alkoholkonsum mit besonderer Gewöhnung anzunehmen ist. Die bei W. anzunehmende sehr hohe Alkoholgewöhnung ist jedoch darauf zurückzuführen, dass er in den Jahren 1981 bis 1984 exzessiv Alkohol getrunken und hierdurch eine sehr hohe Alkoholgewöhnung aufgebaut hat. Die jetzige Untersuchung hat jedoch keine die Fahreignung ausschließenden Gründe ergeben, insbesondere befindet sich der wichtige Parameter Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) im Normbereich.

Zu berücksichtigen sei ferner, dass W. zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits eine zehnmonatige Abstinenz eingehalten hat und eine eindeutige Motivation zu einer künftigen dauerhaften Alkoholabstinenz erkennbar ist, wozu auch seine geordnete berufliche Situation beigetragen hat. Aufgrund dieser günstigen Befunde könne aus medizinischer Sicht eine positive Verkehrsverhaltensprognose gestellt werden. Die Bedenken an der waffenrechtlichen Eignung beruhten allein auf dem Verdacht der Alkoholabhängigkeit, dieser Verdacht wird jedoch durch das Gutachten ausgeschlossen.

Dem steht rechtlich nicht entgegen, dass das medizinisch-psychologische Gutachten zur Überprüfung der Kraftfahreignung erhoben wurde, während es vorliegend um die persönliche Eignung zum Waffenbesitz geht. Denn das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit kann im Fahrerlaubnisrecht und im Waffenrecht nur einheitlich festgestellt werden.

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2016, Az.: 4 B 2306/16

III. Anmerkungen und Ergebnis

1. Bei Unzuverlässigkeit, fehlender persönlicher Eignung und Wegfall des Bedürfnisses muss die Waffenbehörde nach § 45 WaffG die Erteilung einer Waffenbesitzkarte ablehnen und eine bereits erteilte widerrufen. Ein solcher Widerruf ist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit „sofort vollziehbar“, das heißt, Rechtsmittel gegen den Bescheid haben keine „aufschiebende Wirkung“.

Dagegen kann der Betroffene aber nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung vorgehen und beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels beantragen. Das hat W. getan – mit Erfolg.2. Ab einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille bestehen grundsätzlich Zweifel an der persönlichen Eignung des Betroffenen aufgrund des Verdachts auf Alkoholabhängigkeit (§ 6 WaffG). Hierbei ist der GGT-Wert von besonderer Bedeutung. Diese Zweifel können durch Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Zeugnisses beseitigt werden. Nach dem vorstehenden Gerichtsbeschluss ist hierzu auch ein Zeugnis geeignet, das im Verfahren über die Fahreignung erstellt wurde, weil es in beiden Fällen um die Abhängigkeit von Alkohol geht. Entweder man ist abhängig oder man ist es nicht.

Anders die frühere Rechtsprechung: siehe ergänzend WuH 10/2008, S. 106, und 11/ 2010, S. 88.

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