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Drückjagdstände – Sicher ist sicher?

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Bei der Wahl der Schützenstände muss die Sicherheit immer an erster Stelle stehen. Untersuchungen und Versuche zeigen, dass beim Platzieren der Jäger oft mehr beachtet werden muss, als gedacht.

Foto: Tobias Grossera

 „Schüsse nur bei geeignetem Kugelfang – das ist gewachsener Boden. Jeder ist für seinen Schuss selbst verantwortlich“, mit diesen abschließenden Worten des Jagdleiters werden die Schützen zur Jagd entlassen. Eigentlich eine klare Ansage – jedoch kann sie bei entsprechenden Ständen sehr trügerisch sein. Denn, was ein sicherer Kugelfang ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Bei ebenem Untergrund hat ein Schütze etwa zehn Meter Schussreichweite, wenn er sichergehen möchte, dass die Kugel nicht vom Waldboden abprallt. Denn erst ab 10 Grad Auftreffwinkel verbleiben Büchsengeschosse unter solchen Gegebenheiten in der Erde. Das zeigten Untersuchungen zum Abprallverhalten jagdlicher Geschosse der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA). Solche Abpraller erreichen je nach Kaliber einen Gefährdungs-bereich von etwa 1 500 Metern!

Führt man sich diese Zahlen vor Augen, bleibt nur ein Rückschluss: Bodenstände bei ebenem Untergrund auf räumlich abgestellten Gesellschaftsjagden sind zu gefährlich und sollten der Vergangenheit angehören. Jeder Schütze, der einen solchen Stand zugewiesen bekommt, sollte nur in absoluten „Nahkampfsituationen“ schießen, oder die Waffe gleich entladen, um kein Risiko einzugehen. Schließlich ist jeder für seinen Schuss selbst verantwortlich!

Ebenerdige Stände kommen also nur dort infrage, wo das Schussfeld entsprechend steil ansteigt und somit ein besserer Schusswinkel zum Untergrund besteht, etwa in Gegenhängen. Auch Schüsse nach unten, beispielsweise in steile Gräben, sind sicher, wenn der tiefste Punkt und somit der Kugelfang eingesehen werden kann und nicht weit entfernt ist. Sonst sollten Schüsse hangabwärts aufgrund des schlechten oder nicht vorhandenen Kugelfangs strikt untersagt werden.

Bodenstände sollten generell nicht nur an einem Baum markiert werden, sondern zumindest mit einem einfachen Schirm versehen sein. Das verhindert, dass der Schütze seinen Stand eigenmächtig um „nur ein paar Meter“ verlegt. Auch Ansitzeinrichtungen sind kein Garant für sicheren Kugelfang. So kann man bei einem Drückjagdbock mit einer Bodenhöhe von drei Metern lediglich bis 25 Meter mit einem Verbleib der Kugel im ebenen Wald- oder Feldboden rechnen. Aufgrund der Hinterlandgefährdung sollten Schützenstände auf weiten, flachen Arealen vermieden und in kupiertes Gelände verlegt werden.

Ist das nicht möglich, muss der Stand so nah wie es geht an die bekannten Wechsel heran und dem Schützen eine maximale Schussentfernung vorgegeben werden. Da nicht jeder Jäger gut Distanzen schätzen kann, oder einen Entfernungsmesser mit sich führt, sollten die maximalen Schussentfernungen an auffälligen Stellen (Bäume, Pflöcke) markiert werden.

Nur gewachsener Boden ist ein sicherer Kugelfang, so die Lehrmeinung. Auch wenn das bei ebenen Geländeverhältnissen und entsprechendem Schusswinkel eben nicht zutrifft, entspricht es doch insofern der Wahrheit, dass alle anderen im Wald vorkommenden Hintergründe sicherlich kein Kugelfang sind! Das trifft besonders auf Bäume und Dickungen zu. So wiesen die WuH-Autoren Claudia Elbing und Michael Schmid (WuH 22/2013) bei Feldversuchen nach, dass sowohl Teilmantelgeschosse, Teilzerleger als auch Deformationsgeschosse ein 20 Meter breites Feldgehölz (Holunder, Wacholder, Bergahorn, Schwarzdorn) durchdrangen und eine erhebliche Hinterlandgefährdung darstellten.

Deshalb sollte niemals Wild an Dickungsrändern beschossen und das vom Jagdleiter oder Ansteller zusätzlich untersagt werden. Nicht sicht- oder hörbare Treiber, Hunde und anderes Wild könnten sich im Dichten aufhalten. Ebenso kann die Kugel das Dickicht durchschlagen, auf der anderen Seite wieder austreten und dort Schaden anrichten.

Erst ab 10 Grad Auftreffwinkel verbleibt die Kugel im Boden. Bei einem Drückjagdbock mit drei Metern Bodenhöhe ergibt sich eine Schussdistanz von 25 Metern. Bei niedrigeren entsprechend weniger.

Baumklettersitze, sogenannte Treestands, kommen bei Drückjagden immer mehr in Mode. Dabei wird ein zweiteiliger Klettersitz direkt vor der Jagd vom Jäger an einem möglichst astfreien Stamm befestigt und mit ihm daran hochgeklettert. Auf gewünschter Höhe wird das Ganze fixiert. Je nach Baum können dabei Höhen erreicht werden, mit denen keine Ansitzeinrichtung mithalten kann. Kugelfang und Überblick sind oft exzellent. Jedoch muss der Einsatz eines solchen Hochstandes mit dem Jagdleiter oder Ansteller unbedingt im Vorfeld abgeklärt werden. Durch die Höhe ergeben sich meist ungeahnt weite Schussfelder und -möglichkeiten, die andere Sicherheitsbereiche erfordern oder neue Gefahrenquellen in Bezug auf Nachbarschützen eröffnen könnten.

Egal, ob der Nachbarschütze sehr gut sichtbar ist oder nicht, etwa weil er hinter einer Dickung steht – sobald eine theoretische Möglichkeit entsteht, dass ihn eine Kugel erreichen könnte, muss diese Richtung als Gefahrenbereich markiert werden.

Zwei Schützen, eine Schneise, ein Ziel: Wer so abstellt, nimmt Unfälle in Kauf.
Schuss auf Reh vor Kugelfang? Nein! Wer denkt, dass Dickungsränder und Bäume geeigneter Schusshintergrund sind, und abdrückt, handelt fahrlässig. Foto: Michael Stadtfeld (2)

In diesem Sektor darf weder geschossen noch in Anschlag gegangen werden. Dabei reicht eine einzelne Markierung (etwa Ausrufezeichen) an einem Baum in diese Richtung nicht aus. Projektile können, wenn sie am Boden oder einem Gegenstand abprallen oder ein Stück Wild treffen, seitlich abgelenkt werden. Die DEVA gibt hierzu einen Sicherheitswinkel von 30 Grad zu einer Seite zum Gefahrenbereich an.

Also muss in Richtung eines potenziell gefährdeten Nachbarschützen oder anderer Gefahrenquellen (Häuser, Wanderwege, Straßen) ein entsprechend breiter – 30 Grad zu beiden Seiten, also insgesamt 60 Grad – Sicherheitssektor markiert werden. Schützenketten, ähnlich wie bei Treibjagden sind immer noch vielerorts zu beobachten. Meist steckt ein einfacher Gedanke dahinter: Der Ansteller kann den Weg entlangfahren, alle 50 Meter einen Schützen absetzen,und keiner der Gäste muss langwierig zu seinem jeweiligen Stand irgendwo im Treiben gebracht werden. Schussfeld sei ja durch den Weg gegeben, und alle Schützen in Reihe können sich gegenseitig sehe. Hier kommt es aber oft zu Szenen, die einem die Nackenhaare zu Berge stehen lassen.

Abgesehen davon, dass Wege niemals als Schusshintergrund geeignet sind, da es auf Schotter, Teer oder stark verdichtetem Untergrund fast ausnahmslos zu Abprallern kommt und jederzeit mit Erholungssuchenden gerechnet werden muss, muss in Schützenketten ebenfalls der Sicherheitswinkel von mindestens 30 Grad zu den Nachbarn eingehalten werden. Das bedeutet, dass ein Stück Wild bei der Schussabgabe auf 50 Meter Entfernung mindestens 14,5 Meter von der Schützenlinie entfernt sein muss. So breit ist auch der prächtigst ausgebaute Waldweg nicht!

Mindestens 30 Grad zu einer Seite der Gefahrenquelle – hier Nachbarschütze – muss der Sicherheitssektor haben. Entsprechend breite Markierungen sind Pflicht, auch wenn sich die Schützen sehen können.
Bodenstände sind nur bei kupiertem Gelände sicher. Einfache Schirme helfen, „wanderfreudige“ Schützen an ihren Platz zu binden. Foto: Werner Nagel

Peter Schmitt

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