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Eine Baumart sieht rot

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Baumart

AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER

Für die Fichte kam es dieses Jahr so richtig dick. Mehrere Umstände führten dazu, dass das Waldbild in Obertiefenbach 2019 nicht annähernd dasselbe sein wird wie zuvor.

Peter Schmitt

Der Grundstein für die Katastrophe wurde bereits im Winter 2017/18 gelegt, als mehrere schwere Starkwetterereignisse Deutschland heimsuchten. Vor allem Sturmtief „Burglind“ und Orkantief „Friederike“ im Januar 2018 hinterließen Hunderte Festmeter geworfene und gebrochene Fichten im Testrevier.

Gestaltet es sich generell schon schwer, große Mengen an Sturmholz aufzuarbeiten, ist es in Regionen mit viel Gemeinde- und Kleinprivatwald, wie bei uns, noch deutlich komplizierter. Schließlich müssen alle betroffenen Grundbesitzer bei Maßnahmen mit ins Boot geholt werden. Andererseits bedeutet jede grüne, liegende Fichte im Revier gefundenes Fressen und Vermehrungsgrundlage für den Borkenkäfer, vor allem den Buchdrucker.

Der erste Vermehrungsflug des Forstschädlings setzt im April ab 16,5 °C ein. Deshalb ist es verwunderlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Sturmholz aus dem Winter nur zu geringen Teilen aufgearbeitet war, dann aber unverständlicherweise ungeschält oder unbegiftet im Revier lag. So befanden sich Hunderte „Brutmaschinen“ zur sensibelsten Gefahrenzeit im Testrevier verteilt. Hat man im Hinterkopf, dass ein einzelnes Käferweibchen des Buchdruckers bei drei Jungkäfergenerationen mit zwei Geschwisterbruten über 100 000 Nach-kommen in einem Jahr erzeugt, weiß man, was das zu bedeuten hat.

Rekordverdächtige Hitze und Trockenheit machten den stehenden, flach wurzelnden Fichten im Sommer zur Zeit des zweiten Käferflugs besonders zu schaffen. Der Borkenkäfer, der beim Eindringen in die Rinde vom Baum mit Harz bekämpft wird, hat im Vergleich zu Jahren mit guter Wasserversorgung ein einfacheres Spiel, denn die Abwehr der Bäume kommt schnell zum Erliegen. Erst einmal unter der Borke angekommen, lockt er Artgenossen über Pheromone an.

Das bis zur Flugphase der Käfer im Revier verbliebene Sturmholz aus dem Winter war die ideale Vermehrungsgrundlage für die Forstschädlinge.
Fotos: Peter Schmitt

Es kommt zum Massenbefall des Stammes und auch der umliegenden Bäume. Die Fichte stirbt ab, was durch den Verlust und die Rotverfärbung der Nadeln offensichtlich wird. Später löst sich auch die Borke.

Im Sommer konnte man den Käferlöchern in allen Fichtenbeständen des Testreviers beim Wachsen zusehen. Wo zu Anfang des Jahres noch grüne Altfichten standen, steht nun nur noch ausgetrocknetes, spärlich rot benadeltes Totholz.

In den kommenden Jahren wird sich das Bild im Testrevier an vielen Stellen radikal ändern. Inwiefern wird sich erst noch zeigen. Zahlreiche neue Einstände scheinen jedoch schon einmal gewiss. Die mittlerweile gerückten Fichten aus dem Winter 2017/18 und die daraus resultierenden, teils riesigen Freiflächen stellen uns und unsere Nachbarn vor allem zur revier-übergreifenden Drückjagd vor Probleme. Werden die alten Wechsel über die hellen Flächen überhaupt noch angenommen? Wenn nein, wohin werden sie verlegt?

Dasselbe Spiel blüht uns sicher auch im nächsten Jahr, wenn der Großteil der abgestorbenen hiebreifen Fichten aus dem Revier verschwunden sind. Auf die wenigen restlichen Stämme, die diesen Sommer überlebt haben, wartet auf jeden Fall eine hungrige Armada aus Buchdruckern und Kupferstechern, die in Massen unter Rinden und in der Streu überwintern. Vielleicht nicht die Baumart an sich, aber sicherlich die Fichte in Monokultur wurde im Testrevier in diesem Sommer abgeschafft.

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