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Hauskatzen schmeckt heimische Fauna

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20.05.2014

Die Universität für Bodenkunde in Wien hat in einem Gutachten den Einfluss von Hauskatzen auf die heimische Tierwelt untersucht. Das Fazit nach Auswertung von annähernd 90 wissenschaftlichen Studien: Katzen können zum Rückgang oder Aussterben einer Art führen.

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Dr. Klaus Hackländer ist Universitätsprofessor für Wildtierbilogie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien. Zu seinem aktuellen Gutachten „Einfluss von Hauskatzen auf die heimische Fauna und mögliche Managementmaßnahmen“ hat ihn der DJV interviewt. (Foto: K. Hackländer)
Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat Prof. Dr. Klaus Hackländer, den Leiter des Gutachtens, zu seinen Ergebnissen befragt:
 
DJV: Sehr geehrter Prof. Dr. Hackländer, das Interesse am Einfluss von Hauskatzen auf die Fauna, scheint nicht nur in Deutschland groß zu sein. Zu Ihren Ergebnissen: Welchen Einfluss haben Hauskatzen tatsächlich auf die heimische Tierwelt – sowohl durch das Beutemachen, als auch durch Beunruhigung?
Prof. Dr. Hackländer: Tatsächlich ist das Thema Hauskatze für den Artenschutz und die Jagd auf der ganzen Welt ein wichtiges Thema. Dementsprechend gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die den Einfluss von streunenden oder verwilderten Hauskatzen auf wildlebende Tiere untersucht haben. Darunter finden wir zahlreiche Studien, die lokal einen Rückgang von Arten belegt haben, z.T. sogar zum Aussterben einer Art geführt haben. Neben diesen direkten Effekten, sollten aber auch die indirekten Wirkungen von streunenden Katzen nicht außer Acht gelassen  werden. Die Anwesenheit des Beutegreifers Hauskatze kann zu Verhaltensänderungen bei der potentiellen Beute führen, die mit erhöhten Stresswerten reagieren, weniger Zeit für die Nahrungsaufnahme haben oder eine geringere Jungenfürsorge zeigen. All dies kann damit auch ohne einen direkten Einfluss der Hauskatze (Tötung der Beute) zu einem Rückgang einer Art führen.
Tierschützer und Katzenfreunde argumentieren oft pauschal, dass Freigänger-Katzen nicht für das Aussterben einer Art verantwortlich sind. Wie sieht die Realität aus?
Diese Pauschalbehauptung ist haltlos. Stellen Sie sich eine kleine Insel vor, auf der sich aufgrund der Abwesenheit von Landbeutegreifern eine flugunfähige Vogelart entwickelt hat. Was glauben Sie, was passiert, wenn auf dieser Insel Hauskatzen streunen oder ausgewildert werden? Neben diesen exotischen Beispielen kennen wir aber auch den Einfluss von Hauskatzen bei uns in  Europa. Unsere Samtpfoten sind ein Hauptbeutegreifer für unsere heimischen Vögel und Säuger und entnehmen einen Großteil der Jung- und Altvögel pro Jahr. Im Zusammenspiel mit den anderen negativen Faktoren, die in unserer zersiedelten Kulturlandschaft vorherrschen, trägt die Hauskatze damit wesentlich dazu bei, dass heimische Arten gefährdet sind.        
Können Sie quantifizieren welche Tiergruppen und -arten hauptsächlich zur Beute von Katzen werden? Und können Ihre Ergebnisse auf Mitteleuropa – insbesondere Deutschland – übertragen werden?
Die Quantifizierung ist ein schwieriges Thema, da nicht alle getöteten Beutetiere auch von uns Menschen registriert werden. Nicht alle Katzen legen ihre gesamte Beute ihren Besitzern vor. Das heißt, dass die vorhandenen Schätzungen nur Mindestwerte sind. Betroffen sind vor allem Vögel und Säuger, weniger Reptilien, Amphibien, Fische oder Insekten. Eine Übertragung der Ergebnisse von anderen Ländern auf Deutschland ist nicht pauschal möglich, aber wir müssen davon ausgehen, dass die geschätzten 10 Millionen Hauskatzen mit festem Zuhause und 2 Millionen Hauskatzen ohne festem Zuhause eine Gefahr für die Biodiversität in Deutschland darstellen.
Welche Maßnahmen – insbesondere in Schutzgebieten – sind erfolgversprechend?
Die mögliche Bandbreite der Maßnahmen reicht von Extrempositionen wie dem sicheren Einsperren in Häuser bis zum berühmten Halsbandglöckchen. Auch hier gilt es, das eigentliche Ziel zu definieren und gleichzeitig pragmatisch zu bleiben. Langfristig muss die Anzahl der Freigänger reduziert werden. Gerade in Schutzgebieten sollte der Fang und der Abschuss von verwilderten Hauskatzen durchgeführt werden. Um das Schutzgebiet sollten Kastrierungs- und Sterilisationsprogramme für Streuner forciert werden.
Auf der Wattenmeer-Insel Borkum sollten Jäger im vergangenen Jahr verwilderte Katzen außerhalb von Ortschaften schießen. Nach Protesten ging man dazu über, Katzen zu fangen und auf dem Festland wieder auszusetzen. Ist das Ihrer Meinung nach eine praktikable Managementlösung?
Damit wird das Problem ja nur verlagert. Außerdem ist es aus der Sicht des Tierschutzes zu hinterfragen, ob der Fang, der Transport und das Aussetzen in einem für das Individuum unbekannten Terrain ethisch zu verantworten ist.
Das „Paderborner Model“, das einige Kreise praktizieren, sieht eine Registrierungs- und Kastrierungspflicht für Hauskatzen vor. Wie werten Sie diesen Lösungsansatz?
Aus unserer Sicht bietet eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hauskatzen – ähnlich dem System für Hunde – eine optimale Lösung. Das Halten von Katzen ist auch mit einer Verantwortung gegenüber der Natur verbunden, die durch eine solche Regelung eher kommuniziert werden kann.
Glocke oder Stubenarrest – Welche Maßnahme halten Sie für sinnvoll?
Natürlich die Glocke. Sie reduziert die direkten Effekte, also das Töten von Jungvögeln. Die indirekten Effekte, d.h. die Stressreaktionen der von der Hauskatze bedrohten Beutetiere werden dadurch aber nicht minimiert, eventuell vielleicht sogar noch verstärkt. Dennoch empfehle ich das Glöckchenhalsband als praktikable, billige und effektive Sofortmaßnahme.
PM/fh

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Etwa sechs Millionen Singvögel erbeuten verwilderte Hauskatzen in Deutschland, das ergaben Hochrechnungen des DJV. Das Foto zeigt eine Katze mit Fasanenhenne, einer am Boden brütenden Art. (Foto: DJV)


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