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Lebensretter oder Tierquäler?

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„Eigentlich habe ich ein Leben gerettet, aber behandelt hat man mich wie einen Verbrecher“, sagt Maximilian Schwarzbach. Der 23-jährige Jäger aus dem Landkreis Fürstenfeld-Bruck hatte am 30. Mai 2019 nach einem Wildunfall in Rücksprache mit dem Revierpächter ein verwaistes, gerade mal drei Kilo schweres Kitz aufgenommen und über den Sommer aufgezogen.

Das Kitz wog nur drei Kilo.
Foto: Maximilian Schwarzbach

Am 8. November morgens stand dann das Veterinäramt mit einem Beschluss zur Duldung der Betretung vor der Tür, und das Kitz wurde in einen Gnadenhof gebracht. Mit zehn Personen war die Behörde gekommen, darunter ihr Leiter, zwei Polizisten sowie zwei Mitarbeiter einer Auffangstation. Gerufen hatten sie Nachbarn, die das Reh im Garten gesehen hatten. Die Beamten stellten eine „erhebliche Vernachlässigung“ des Rehs fest. Schwarzbach wurde per Bescheid nicht nur dazu verpflichtet, die Wegnahme zu dulden, sondern er soll auch die ganzen Kosten des Vorgangs zahlen – sowie die künftige Unterbringung des Rehs. Auch seine Mutter und der Revierpächter erhielten Bescheide.

Worauf sich die Behörde bezieht: Das Reh lebte im nur 80 Quadratmeter großen Reihenhausgarten mitten in der Stadt. Schwarzbach, der neben dem Studium einen Wildbrethandel betreibt, wollte es Mitte November auswildern. Laut Behördenprotokoll zeigte das Kitz bei ihrem Auftreten „ein interessiertes Verhalten“ und näherte sich den Beamten „ohne Scheu“, was laut Veterinäramt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz § 2 belegt, weil das Reh keine arttypischen Verhaltensweisen, wie die Flucht vor dem Menschen, ausbilden konnte. In dem neunseitigen Bescheid ist von „tierschutzwidrigen Zuständen“, „weiteren Leiden“ und „weiterer erheblicher Vernachlässigung“ die Rede, die beendet und verhindert werden mussten. Die Polizei werde bei tierschutzrechtlichen Fortnahmen immer einbezogen, teilte das Amt auf Nachfrage von WILD UND HUND mit.

Eine, die für das harte Vorgehen kein Verständnis zeigt, ist Ramona Wegemann, Tierverhaltenstherapeutin und Leiterin der deutschlandweit aktiven „Rehkitzrettung“ in Nauen. Sie hatte Schwarzbach bei der Aufzucht in zahllosen Telefonaten mit Ratschlägen beigestanden, nachdem er vor Ort keinen Tierarzt gefunden hatte, der ihm helfen wollte. „Er hätte es sich als Jäger auch leicht machen können und das Tier erlegen“, meint sie. „Ich ziehe den Hut vor ihm, auch weil er es überhaupt geschafft hat, das Kitz großzuziehen. Das gelingt gerade mal in 50 Prozent der Fälle.“
Das Kitz, das im Mai beim Auffinden nach dem Unfall verletzt, schwach und von Parasiten übersät war, wog im November satte elf Kilo. Natürlich sei der Garten für die Aufzucht nicht ideal gewesen, räumt auch Wegemann ein. Auf dem Gnadenhof lebt das Reh jetzt laut den Betreibern in einem 10.000 Hektar großen Gehege – allerdings nicht mit Artgenossen, sondern mit Damwild. vk

Foto: Maximilian Schwarzbach
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