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Leinenführigkeit als Konzentrationshilfe

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Wie man Übungen der Leinenführigkeit einsetzen kann, um den Hund auf anstehende Trainingseinheiten einzustimmen, und wie selbst unsichere Vierläufer durch akkurate Unterordnungsarbeit gefestigt werden können, berichtet Revierjagdmeister Sascha Schmitt.

(Foto: Petra Klemba)

Alle Hundeführer und -abrichter kennen diese oder ähnliche Situationen: Bereits an der Körperhaltung, am Blick und dem Verhalten des Vierläufers ist zu erkennen, dass die heutige Übungseinheit keine Freude wird. Der starre Blick ist mit gespitzten Behängen in die Ferne gerichtet, der ganze Hund wirkt unruhig und schäumt über vor Energie und Tatendrang. Statt sich zu disziplinieren, springt er an der Leine herum wie ein junges Fohlen. Es scheint, als wolle er die ganze Welt umschubsen. In dieser Gemütslage ist mit dem jungen Jagdhelfer kein Ausbildungserfolg in Sicht.

Voller Tatendrang und Energie springt der junge Weimaraner unkontrolliert an der Leine – an konzentrierte Arbeit ist so nicht zu denken. (Foto: Thomas Fuchs)

Jeder Sichtreiz, jedes Umweltgeräusch lenkt ihn vom Lernen ab. Trotz großer Mühen bringen solche Tage Herr und Hund regelmäßig zum Verzweifeln. Sehr häufig wird auf dieses ungestüme, wenig kooperative Verhalten mit Zwang reagiert. Frei nach dem Motto „Na warte, Freundchen!“ wird munter losgelegt, der Hund gestraft und eine Eskalationsstufe der körperlichen Sanktionen nach der nächsten genommen.

Das Ergebnis: Irgendwann schlägt die ungezügelte Lebensfreude und Unkonzentriertheit des Vierläufers in eine ausgewachsene Lernblockade um. Durch die erlittenen Negativreize stark beeindruckt, sperrt sich der Vierläufer innerlich komplett. Alles, was nun an Übungen folgt, geht nahezu spurlos an ihm vorbei. Der Lerneffekt bewegt sich sogar im Minusbereich. Warum? Der Hund versteht schlichtweg nicht, warum er bestraft wurde. Um nicht noch mehr Strafe zu kassieren, macht er das, was ihm nun am Sichersten erscheint, nämlich gar nichts mehr. Entweder legt sich der Vierläufer mit geklemmter Rute auf den Boden und lässt alle Erziehungsversuche über sich ergehen, oder er sucht sein Heil in der Flucht. Das Ziel: Entweder der sichere Kofferraum des Fahrzeugs oder – im schlimmsten Fall – heimatliche Gefilde.

Strafe als Konsequenz für unerwünschtes Verhalten führt schnell zu einem lang anhaltenden Vertrauensbruch zum Führer, aus purer Angst. (Foto: Thomas Fuchs)

Solche Situationen führen dazu, dass die wichtigste Grundlage der Jagdhundeerziehung nachhaltig zerstört wird: Das Vertrauen des Vierläufers zu seinem Führer. Das macht nicht nur den Ausbildungserfolg, sondern auch ein harmonisches Zusammenleben von Hund und Mensch nahezu unmöglich.

Andere Hundeführer versuchen, den unkonzentrierten oder aufmüpfigen Vierläufer durch Anarchie zu kurieren. Kaum am Ausbildungsort angekommen, wird der Kofferraum geöffnet, und „Nero“ soll sich erst einmal so richtig austoben. Der Hund startet durch, spätestens nach dem Lösen verschwindet er hinter dem nächsten Busch, und ab geht die wilde Jagd. Herrchen sitzt derweil auf der Kofferraumklappe, erfreut sich an der Lebensfreude seines Vierläufers und hofft inständig, dass dieser keines der Rehe niederzieht, die er gerade munter hetzt. Nachdem der Vierläufer die weitere Umgebung erkundet und alles Wild auf die Läufe gebracht hat, kehrt er zu seinem Herrn zurück. Mit Sicherheit glücklich, aber völlig abgejagt und ausgepumpt.

Keine Lösung: Wer seinen Vierläufer vor dem Training erst einmal rennen und sich auspowern lässt, riskiert, dass dieser sich schnell eigene, unerwünschte Betätigung im Revier sucht. (Foto: Marion und Hans Kuczka)

In diesem Zustand wird er aber kaum noch akzeptable Leistungen in den folgenden Übungseinheiten zeigen. Gerade bei hohen Temperaturen muss die Ausbildung dann allein aus Gründen der Vernunft ausfallen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Vierläufer die Fahrt ins Revier oder zum Ausbildungsplatz mit dem anschließenden „Austoben mit Reh- und anderem Wild“ verknüpft. So fehlgeprägt, ist es endgültig vorbei mit der inneren Ruhe und Konzentration.

Ähnlich verhält es sich mit vielen Vierläufern aus Welpen- oder Ausbildungsgruppen, bei denen der Ausbildungstag mit ausgiebigem, gemeinsamen Toben beginnt. Für derartig erzogene und geprägte Vierläufer ist die Anwesenheit anderer Vierläufer die Verheißung von Spiel, Spaß und Rangelei. Konzentriertes Arbeiten ist in einer derartigen Gemütslage nicht möglich.

Die Leinenführigkeit, im Gebrauchs- und Diensthundelager Unterordnung genannt, wird von vielen Jagdhundeausbildern eher stiefkindlich behandelt. Dabei gibt gerade eine akkurate Leinenführigkeit die Möglichkeit, den Hund vor den eigentlichen Übungen zu versammeln und ihn auf den Führer einzustimmen. Dies tut sie allerdings nur, wenn der Vierläufer sich tatsächlich auf die Bewegungen und Anweisungen des Führers konzentriert. Alle Aufgaben werden zackig ausgeführt. Wer noch nicht die Möglichkeit hatte, auf einem Gebrauchshundeplatz einem eingespielten Mensch-Hund-Gespann bei der Unterordnung zuzusehen, findet im Internet ausreichend Filmsequenzen, wie harmonisch Gehorsamsarbeit verlaufen kann.

Durch akkurat geforderte Leinenführigkeit konzentriert sich der Vierläufer schon vor dem Üben auf den Hundeführer. (Foto: Petra Klemba)

Für mich persönlich bildet die Leinenführigkeit die Basis jeglicher Jagdhundeausbildung. Bevor die Grundkommandos nicht perfekt ausgeführt werden, erfolgt keinerlei Ausbildung in Feld und Wald. Mittlerweile hat sich in meiner Ausbildung folgendes Ritual bewährt: Im Revier angekommen, beginnen wir mit einem Lösegang in Form einer Quersuche an der langen Feldleine. Dabei ist die Rasse des Vierläufers völlig egal. Auch wenn bspw. der Deutsche Jagdterrier diese Form der Suche nicht wirklich zu beherrschen braucht, ist sie ein hervorragendes Mittel, um den Hund lenkbarer auf Zuruf, Pfiff und Handzeichen zu machen.

Wenn sich der Vierläufer gelöst hat, wird von der Feldleine auf die leichte Arbeitsleine gewechselt und mit der Leinenführigkeit begonnen: Sitz, Platz, Down und das Bei-Fuß-Gehen folgen dabei in raschem Wechsel. Dabei darf der Hund nicht am Boden schnüffeln oder in die Weite starren. Sein Blick muss fortwährend auf seinen Herrn gerichtet sein. Nur so lässt sich die gewünschte Konzentration erreichen. Die Geschwindigkeit des Gehens wird genauso variiert wie die Abfolge der Übungen. Sonst stellt sich sehr rasch ein Gewöhnungseffekt ein. Lässt man den Hund fünfmal hintereinander aus vollem Lauf ins Down gehen, wird er sich aus vorausschauendem Gehorsam heraus beim sechsten Kommando auch wieder hinlegen, selbst wenn das Kommando „Sitz“ gegeben wurde. Seien Sie ruhig kreativ!

Das Laufen von Kreisen, Achten und Schlangenlinien zwingt den Vierläufer dazu, sich zu sammeln und auf jede kleine Hilfe und Bewegung des Hundeführers zu achten. Zügiges Umsetzen der Befehle und hingebungsvolle Kooperation werden sich bei ausreichender Übung rasch einstellen.

Erst nach einer ausgedehnten Unterordnungseinheit wird mit der eigentlichen Ausbildung begonnen. Die bereits erreichte Konzentration überträgt sich zwangsläufig auf die folgenden Übungen, der Vierläufer lernt deutlich schneller, und Ausbildungsfortschritte lassen sich viel einfacher und stressfreier erreichen.

Voll konzentriert und nun im Arbeitsmodus führt der junge Hund sauber den von seinem Führer verlangten Apport aus. (Foto: Petra Klemba)

Zum Stichwort Stress muss noch bemerkt werden, dass die gewünschte Konzentration nur dann eintritt, wenn alle Leinenführigkeitsübungen auch wirklich fehlerfrei sitzen. Der gewünschte Effekt tritt nicht ein, wenn bereits in der „Aufwärmphase“ viel korrigiert oder gar getadelt werden muss. Die Aufnahmefähigkeit eines Vierläufers ist individuell begrenzt, von daher darf dieses „Einstimmen durch Leinenführigkeit“ erst vor die eigentliche Ausbildung geschaltet werden, wenn sicher ist, dass sich nicht bereits dort die ersten Defizite zeigen, die erst abgestellt werden müssen.

Doch nicht nur zur Einstimmung auf die Ausbildung ist die gekonnte Leinenführigkeit ein hervorragendes Mittel: Auch wenn es nicht passieren sollte, kann es immer wieder vorkommen, dass der Vierläufer während anspruchsvollen Ausbildungsabschnitten überfordert ist. Besonders sensible Hunde neigen dann dazu, einfach dicht zu machen. Sie verweigern jegliche Kooperation, versteifen in ihren Bewegungen. Das zeigt sich in der gesamten Körperhaltung. Wenn jetzt stur weiterexerziert wird, würde das die Problematik nur noch vergrößern. Die Ausbildungseinheit mit einem Negativerlebnis abzuschließen, wäre für die Motivationslage von Hund und Herrn absolut kontraproduktiv.

Auch hier eignet sich die Unterordnung hervorragend dazu, den Vierläufer aus seinem Stimmungstief und der damit verbundenen Blockade herauszuholen: Die momentane Übung wird sofort abgebrochen, die Örtlichkeit gewechselt und einige betont positiv verstärkte Unterordnungsübungen durchgeführt, wobei bewusst diejenigen gewählt werden, die der Hund sicher beherrscht und die er besonders mag. Rasch wird sich der innerliche Knoten bei Führer und Vierläufer lösen. Die Situation entspannt sich, und ein erfolgreiches Miteinander stellt sich ein. Je nach Wesen des Vierläufers kann nun entweder vorsichtig wieder am eigentlichen Ausbildungsziel gearbeitet werden oder der Tag findet zumindest einen positiven, erfolgreichen Abschluss.

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