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Prognosen zur Waldentwicklung sind kaum möglich

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Tirol: Langjährige Untersuchung zeigt kaum einen Zusammenhang zwischen frühen Wildschäden und Waldentwicklung

Ein erheblicher Wildschaden: Rehwild hat in einer Neuanpflanzung nach Borkenkäferschäden die Spitzen von Jungpflanzen abgeknickt. Erlaubt festgestellter Wildverbiss eine Aussage über die langfristige Waldentwicklung? (Quelle: Rolf D. Baldus)

In den „Beiträgen zur Jagd- und Wildforschung“, Band 46 (2021) untersuchen die Autoren Friedrich Reimoser und Josef Stock den Zusammenhang zwischen dem Baumverbiss durch Huftiere und der Waldentwicklung in einem Forschungsareal in Tirol.

Seit 1970 hat sich der Förderungsverein für Umweltstudien FUST-Tirol der Forschung im alpinen Raum gewidmet. Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung von ökologischen Wechselwirkungen zwischen Wildtieren und deren Lebensräumen. Ziele sind die Schaffung verbesserter Entscheidungsgrundlagen sowie die praktische Erprobung von integrativen Managementkonzepten für nachhaltige Landnutzung, die Erhaltung der Biodiversität und für ein ausgewogenes Wald-Wild-Verhältnis, d.h. die Vermeidung von Wildschäden. Langzeitstudien in Waldökosystemen über mehrere Jahrzehnte für ein besseres Verständnis komplexer Zusammenhänge stehen im Vordergrund.

Dazu diente auch die Anlage sogenannter „Verbisstrakte“ im Forschungsareal des FUST, auf denen die jährlichen Einwirkungen der wildlebenden Huftiere (Rotwild, Reh, Gams) auf die Jungwaldentwicklung langfristig erhoben wurden. Nach 30-jähriger Beobachtungsdauer wurde nun geprüft, (1) inwieweit auf den Trakten die forstlichen Bestockungsziele erreicht werden konnten, (2) ob dies mit der ehemals durchgeführten Bewertung des Verbissdruckes nach „tragbar“ und „untragbar“ korreliert, und (3) ob sich ein Zusammenhang mit der Wilddichte ergibt.

Die dreißigjährigen Waldbestände sind inzwischen bis zu 12 Meter hoch. Es handelt sich vorwiegend um montanen Fichten‐Tannen‐Buchenwald mit Vorkommen von Rotwild, Gams und Reh. Es wurde überprüft, wo die forstlichen Bestockungsziele langfristig erreicht werden konnten und ob die ehemaligen Wildschadensprognosen mittels Trakt‐Verfahren zutreffend waren oder nicht.

Die Erreichung der Ziele für die Baumartenzusammensetzung in den Dickungen und Stangenhölzern zeigte keinen deutlichen Zusammenhang mit der ehemaligen, kurzfristigen Wildschadensfeststellung im Jungwuchs und auch nicht mit der Wilddichte. Dies widerspricht gängigen Wunschvorstellungen über die Treffsicherheit von etablierten Verfahren zur Erfassung und Bewertung von Wildschäden. Im multifaktoriellen Wirkungssystem „Waldverjüngung“ konnten die später verbleibenden Auswirkungen von Baumverbiss und Stammfegung auf den Waldaufbau oft nicht richtig eingeschätzt werden, so die beiden Autoren. Im Grunde sagen also die heutigen Verfahren der Aufnahme von sogenannten Verbissschäden durch Wild wenig bis nichts über die weitere Entwicklung der Waldverjüngung aus. Prognosen zur Waldentwicklung nach dem heute festgestellten Wildverbiss sind danach kaum möglich. Wie in 30 oder 50 Jahren der Wald aussieht, ist von zahlreichen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Das Wild ist dabei nur einer von vielen.

rdb

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