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Gut gerüstet an Schwarzwild – Schutzweste statt Bodyguard

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„Wer Sauköpfe haben will, muss Hundsköpfe dransetzen“ – meinte Wachtelvater Rudolf Friess. Die Zeiten ändern sich. Heute wird niemand mehr seinen Jagdhund verheizen wollen, für die meisten Jäger ist er ein Freund. Und wenn man einen Freund einer Gefahr aussetzt, dann unternimmt man alles, um ihn zu schützen. So dachte ein Schweißhundführer und besorgte seinem Hund eine Schutzweste

 

Ankleiden für den Einsatz: Mit den Vorderläufen muss der Rüde hineinsteigen, über dem Rücken wird die Weste mit einem Reissverschluss geschlossen.

Von Falk Hennings

Der Fangschuss fiel, die Sau brach zusammen, schlegelte noch einen Moment und verendete. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Endlich. Zwei Kilometer hatte mein Hannoverscher Schweißhund Cito die Wundfährte des zweijährigen Keilers ausgearbeitet, zweieinhalb Stunden hatte er die Sau gehetzt. Jetzt lag der Schwarzkittel vor uns, mit einem Vorderlaufschuss, aber ich untersuchte die Sau nicht einmal, denn Citos Flanke war voller Schweiß, und auch an den Vorderläufen lief es rot herunter – er war geschlagen worden, schwer sogar.

Das vierte Mal – für einen zweijährigen Rüden entschieden zu oft. Anfangs hatte ich mich darüber gefreut, dass sich Cito als so „griffig“ erwies. Inzwischen wünschte ich mir, dass er wenigstens etwas Respekt vor den Sauen hätte. Denn acht von zehn Nachsuchen gelten bei mir inzwischen dem Schwarzwild, bei meinen Schweißhundführer-Kollegen ist es ähnlich. Dazu die neuen Konzepte im Waldbau – ökologisch zu begrüßen, doch bescheren sie leider den Sauen auch eine Fülle von bürstendichten Einständen, in denen sie sich großartig gegen den stellenden Hund verteidigen können.

Ich musste Citos Risiko geschlagen zu werden irgendwie verringern, sonst würde ich ihn vielleicht nicht mehr lange führen. Nur wie? Viele Überlegungen gingen mir durch den Kopf. Ich dachte auch an einen Loshund, einen „Bodyguard“, vielleicht einen Terrier, der während der Riemenarbeit hinterhergeführt und zur Hetze geschnallt wird, sobald das kranke Stück wegbricht. Aber noch einen Hund anschaffen? Die Familie würde nicht begeistert sein. Außerdem gewinnt man auch diesen vierläufigen Kameraden lieb und möchte ihn nicht ständig einem hohen Risiko aussetzen.

Zufällig las ich in dieser Zeit über Schutzwesten für Terrier. Eine hieb- und stichsichere Weste, die Cito vor den Waffen der Keiler schützen würde – das wär’s, dachte ich. Ob es diese Terrierwesten auch für große Hunde gab? Anrufen konnte man den Hersteller ja mal. „Kein Problem“, sagte der am Telefon, „ich brauche nur die exakten Körpermaße Ihres Hundes, dann passe ich eine Weste an!“ Und eine Woche später war ein Päckchen mit der Weste in der Post.

Cito in der roten Weste – der Anblick war für mich beim ersten Einsatz gewöhnungsbedürftig, der Hund sah mir doch etwas seltsam aus. Er hingegen störte sich an der Weste überhaupt nicht. Deshalb war sie bereits nach dem ersten Einsatz, einer Kontrollsuche auf eine starke Sau, ein fester Teil der Nachsuchen-Ausrüstung.

Den Jägern, die uns zu den Suchen riefen, gab mein bekleideter Hund Rätsel auf. Ich merkte das an ihren erstaunten Gesichtern. Nur selten traute sich mal einer zu fragen: „Muss der das tragen, damit Sie ihn besser sehen können?“ Und dann erklärte ich, dass die Weste den scharfen Hund vor Schlägen schützen sollte, und das fanden dann alle einleuchtend und hielten zum Schluss die Weste für eine sehr vernünftige Sache.

Aber noch war das alles Theorie. Ich wusste noch nicht, ob sich die Weste im Nahkampf mit Sauen bewähren würde. Einerseits war ich neugierig darauf, andererseits hoffte ich, dass Cito diese Erfahrung erspart bleiben würde. Wie aber abzusehen war, dauerte es nicht lange, bis die Weste ihren ersten richtigen Einsatz hatte.

„Ich habe letzte Nacht eine Sau beschossen“, sagte ein Jäger frühmorgens am Telefon. „Können Sie die Suche machen?“ Ich konnte eigentlich nicht, frühestens ab Mittag und versuchte, dem Schützen einen Kollegen zu vermitteln, aber umsonst, alle waren zu Nachsuchen unterwegs. Kein Wunder, schließlich war Mondphase. So trafen wir uns gegen 13 Uhr am Anschuss.

Der Jäger schilderte mir, dass er die starke Sau gegen Mitternacht mit einer .30-06 beschossen habe. „Sie lag im Knall, schlegelte, kam dann wieder auf die Läufe und war weg.“ Hörte sich nach einem klassischen Krellschuss an. Auch der Anschuss auf den Maisstoppeln deutete darauf hin. Cito fiel die Fährte sofort an und verwies nach etwa 400 Metern auf einer angrenzenden Wiese einen kleinen Tropfen Schweiß.

Die Fährte führte in ein Eichenstangenholz, in dem wir nach weiteren 100 Metern abgestreiften Schweiß fanden – hoch abgestreift, wie erwartet. Dann durchquerten wir eine Buchenverjüngung, mitten darin wieder ein Tropfen. War das wenig! Um ehrlich zu sein, in diesem Moment glaubte ich nicht mehr daran, dass diese Sau zur Strecke zu bringen war. Doch sie hatte die Kugel, und deshalb mussten wir alles versuchen.

Gerade arbeiteten wir durch ein Buchenaltholz, als wir auf eine Suhle stießen. Und jetzt wendete sich das Blatt: Die Sau hatte die Suhle angenommen und sich offensichtlich längere Zeit in ihr aufgehalten, denn hier fanden wir erstmals eine größere Menge Schweiß. Hatte die Sau doch mehr abbekommen?

Keine 100 Meter hinter dieser Suhle lag ein Wundkessel in einer kleinen Buchenverjüngung. Zwar fanden wir in diesem Kessel wieder nur wenig Schweiß, aber jetzt stand fest, dass die Sau doch schwere Verletzungen haben musste. Ich beratschlagte mich mit dem Schützen. Per Handy wurden vier weitere Jäger zusammengerufen. Als sie ihre Stände eingenommen hatten, suchten wir weiter.

Nun folgten im Abstand von etwa 250 bis 300 Metern drei Wundkessel. Zwar immer mit nur wenig Schweiß, aber mir wurde klar, dass der Schwarzkittel jetzt bald stecken musste. In einer Buchenkrone fanden wir noch einen weiteren Kessel, Cito wurde heftiger, nahm die Nase hoch – jetzt musste die Sau jeden Moment losbrechen, also schnallte ich. Etwas zu früh, wie sich herausstellte, die Sau saß nicht direkt vor uns und so beobachteten wir in etwa 100 Meter Entfernung Cito in seiner leuchtenden Weste, wie er Kreise schlagend versuchte, den Abgang zu finden. Dies gelang ihm schließlich, und der Kontakt zu ihm brach ab. Uns blieb nichts anderes übrig als zu warten.

Nach einiger Zeit hörten wir heftigen Standlaut, und vorsichtig ging es an die Bail heran. Kaum auf einem Höhenzug angelangt, sahen wir bereits von weitem den Hund in einem Ahorn-Gatter. Er gab Standlaut, die Sau war nicht zu erkennen. Ohne Weste hätten wir den Hund auf diese Distanz im Bestand niemals entdeckt. Die Sau brach die Bail und wollte durch ein Loch im Gatter in einen anderen Einstand flüchten. Ich schnitt den beiden den Weg ab und konnte in dem Moment, als Cito wieder scharf stellte, den Fangschuss anbringen.

Der Schuss saß kurz oberhalb der Wirbelsäule im mittlerem Bereich des Wildkörpers und das Geschoss steckte auf der anderen Seite in der Nackenpartie. Ich prüfte die Weste – hatte das Keilerchen Cito geschlagen? Kein Loch, kein Riss war zu entdecken. Aber würden die Waffen eines Keilers diesem festen Stoff überhaupt etwas anhaben können? Wahrscheinlich nicht. Aber selbst wenn die Waffen eindringen sollten – schwere, tiefe Verletzungen wird die Weste verhindern, davon bin ich fest überzeugt.

Die Weste hat sich bewährt – Erfahrungen wie bei der oben geschilderten Suche machte ich im letzten Herbst und Winter bei 83 Einsätzen. Bei keinem dieser Einsätze wurde Cito geschlagen, trotz seiner Schärfe. Schon dadurch, dass der Schweißhund nun viel besser zu sehen ist, hat sie sich bezahlt gemacht. Als Schwachpunkte erwiesen sich zunächst die Gummibänder im Brust- und Nackenbereich. Dieses Problem ist aber durch den Hersteller behoben worden, der die Bänder durch stabilere ersetzte.

Gelegentlich kommt es vor, dass der Stoff der Reißverschlussabdeckung durch Stacheldraht von Weidezäunen einreißt. Doch unter diesem Abdeckstoff sind noch zwei Lagen des stichsicheren Stoffes untergenäht, aus dem die komplette Weste besteht, so dass beispielsweise Stacheldraht weder den Reißverschluss beschädigen noch den Hund verletzen kann.

Auch Schwarzdorn, Brombeeren, und ähnliche „Stoffkiller“ konnten der Abdeckung nichts anhaben. Nur der Klettverschluss verliert im Laufe vieler Einsätze seinen Halt. Das ist aber normaler Verschleiß, der schnell wieder behoben werden kann.

Eine sehr gute Idee sind die grünen Buttons aus reflektierendem Material auf der Weste: Sie leuchten auch ohne dass man sie anstrahlt so stark, dass man den Hund in der Dunkelheit schon von weitem erkennen kann. Diese Buttons wurden jedoch an den Nähten schnell brüchig. Aber auch hier hat der Hersteller bereits eine Verbesserung angekündigt. Anfangs hatte ich Bedenken, dass sich der Hund unter der Weste zu stark erhitzen könnte. Doch noch nicht einmal nach einer Hetze von zehn Kilometern Länge stellte ich unter der Weste eine Erwärmung fest. Auch die Beweglichkeit des Hundes wird nicht im Geringsten eingeschränkt: Selbst als Cito einen Frischling im dichten Brombeerverhau stellte, blieb er nicht hängen.

Mein Fazit? Nun, im letzten halben Jahr hat mich die Weste voll überzeugt. Für einen scharfen Hund wie meinen Cito ist sie ideal: Sie behindert ihn nicht, aber sie schützt ihn durch das stichsichere und reflektierende Material. Natürlich besteht immer noch die Möglichkeit, dass eine Sau ihn verletzt oder dass er auf einer Straße angefahren wird. Doch beide Möglichkeiten sind stark reduziert.

Bleibt der Preis – mit 200 bis 300 Euro muss man rechnen, je nach Größe des Hundes. „Viel zu teuer“, werden jetzt viele denken. Ich brauchte mir nur meine letzten Tierarztrechnungen anzusehen um festzustellen: Die Weste ist günstig.

Cito: Geschlagen wurde er nicht mehr, seitdem die Weste schützt.

 

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