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Jägerinnen im Interview

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Frauen und Jagd – keine Seltenheit mehr. Doch sie kommen noch selten in Anblick. Bundesweit sind nur etwa sechs bis sieben Prozent der mehr als 300 000, die einen Jagdschein haben, Frauen. Aber je mehr es werden, desto selbstbewusster sprechen sie über ihre Leidenschaft, und ihr Engagement für die Jagd ist aufrichtig und stark.

 

Die Jägerinnen:
Sabine Hannemann (39, sieben Jahresjagdscheine), Journalistin, jagt so oft es geht, in der Eifel und in Schottland. Seit zweieinhalb Jahren ist sie Frauenbeauftragte des LJV Nordrhein-Westfalen und damit die Sprecherin aller weiblichen Mitglieder dieses Verbandes.
Maaren Vahle (43, drei Jahresjagdscheine), selbständig, engagiert sich als „Waldpädagogin“ für den Lernort Natur in der Kreisgruppe Bielefeld. Die Mutter von zwei Kindern nutzt mit Hund (Weimaraner) und Horn vielfältige Jagdmöglichkeiten bei Freunden und Bekannten.

WuH: Ist Ihnen schon mal bewusst gemacht geworden
Hannemann: Nein, mir persönlich noch nie. Ich halte den Vorwurf der mangelnden Praxis für personenbezogen und nicht geschlechtsspezifisch.
Vahle: Einzig bei großen Gesellschaftsjagden hat mich der eine oder andere scheele Blick getroffen. Ignorieren zählte zu den negativen Reaktionen. Freundlich-amüsierte Neugier ist häufig. Meistens werde ich kameradschaftlich-zurückhaltend bis herzlich begrüßt.

WuH: Haben Sie denn von den schlechten Erfahrungen anderer Frauen gehört?
Hannemann: Ja, schon. Mir wurde erzählt, dass Jäger bei Anwesenheit von jagenden Frauen die Jagd verlassen haben. Aussprüche gab es wie „Frauen bringen Unglück“ oder „An der Jagd können gerne Jägerinnen teilnehmen, aber nicht am Schüsseltreiben.“
Vahle: Auch von anderen Jägerinnen höre ich nur von hilfsbereiten Jagdgenossen. Wild zu bergen erfordert oft großen körperlichen Einsatz. Unterstützung wird gern gewährt.

WuH: Wie erklären Sie sich Vorbehalte gegen jagende Frauen?
Hannemann: In den Köpfen mancher Jäger spukt immer noch das traditionelle Frauenbild des 19. Jahrhunderts mit geschlechtspezifischer Rollenzuteilung herum. Vorurteile wie Nagellack und Stöckelschuhe werden als Synonym für mangelnde jagdliche Einsatzfähigkeit gebraucht und die Jägerin auf schmückendes Beiwerk reduziert. Ich glaube aber auch, dass Berührungsängste vorliegen können. Die für manchen Jäger ungewohnte Anwesenheit von Jägerinnen erfordert Umdenken. Plötzlich hat man das Gefühl, nicht mehr unter sich zu sein.
Vahle: Wie gesagt, kann ich die Vorbehalte nicht bestätigen. Ich kenne aber nur eine einzige Frau, die aktive Hundeführerin ist (inklusive Schweißarbeit). Vielleicht werden Frauen deshalb manchmal anders eingeschätzt – nach dem Motto: Alleine kriegen die das sowieso nicht geregelt. Dies ist aber in den Augen mancher Männer wiederum positiv, denn es bestätigt ihr Rollenbild; sie erscheinen dann unentbehrlich. Grundsätzlich sind Jäger sehr männliche Männer; wenn Sie verstehen, was ich meine?

WuH: Wie können sich Frauen etablieren?
Hannemann: Durch Passion, Natürlichkeit, Fachkompetenz und Kameradschaftlichkeit.
Vahle: Meine Arbeit für Lernort Natur bringt mir viel Anerkennung. Möglicher (theoretischer) Wissensvorsprung wird nicht mehr als Besserwisserei eingestuft. Grundsätzlich engagieren sich die Frauen mehr. Die Männer stöhnen zwar mit erhobenem Zeigefinger, dass rauhe Zeiten auf uns zukämen, bringen sich selbst aber in der überwiegenden Mehrheit nicht ein. Meiner Meinung nach sind Frauen und junge Menschen die Weichensteller für die jagdliche Zukunft. „Ältere Bambitöter in Gummistiefeln mit grimmigem Gesichtsausdruck“ sind das personifizierte Feindbild der nichtjagenden Bevölkerung. Wenn nette Mütter zur Jagd gehen, dann kann das doch nicht schlimm sein… Und dass die jungen Leute die Tradition so pflegen, das findet man heutzutage doch selten… (O-Ton Otto Normalverbraucher).

WuH: Welchen Rat geben Sie Jägerinnen?
Hannemann: Den Mut nicht zu verlieren, sich aktiv für die Jagd einzusetzen und jagen zu wollen. Dazu gehört auch, alleine auf den Schießstand zu gehen. Die Kontakte zu Jägerinnen suchen und das Angebot der Weiterbildung anzunehmen. Das Netzwerk, das zwischen einzelnen Frauengruppen, z. B. im LJV NW, besteht, aktiv nutzen. Aktivitäten gibt es zu den unterschiedlichsten Themen, so in den Bereichen Lernort Natur, Rhetorik, Medien- und Schießtraining. Diese Kontaktaufnahmen erleichtern auch die Einbindung von Jägerinnen in das allgemeine Jagdgeschehen.
Vahle: Ich würde jeder Jägerin raten, sich im Naturschutz und in der Öffentlichkeitsarbeit zu engagieren. Die männlichen Jagdgenossen danken es, und es dient einem guten Zweck.

WuH: Was halten Sie von Frauen-Jagdorganisationen?
Hannemann: Spezielle Frauenorganisationen mit internen Vereinsstrukturen sind nach meiner Meinung nicht notwendig. Mittlerweile bieten viele Landesjagdverbände Jägerinnen Möglichkeiten genug, die sie auch wahrnehmen müssen.
Vahle: Natürlich habe ich von Vereinigungen jagender Frauen gehört. Aber das (Loden-)mäntelchen möchte ich mir nicht anziehen. Reine Frauengesellschaften halte ich für genauso unnatürlich wie reine Männergesellschaften.

WuH: Frau Hannemann
Hannemann: Fortbildung, Erfahrungsaustausch. Wir wollen über spezielle Veranstaltungen andere Jägerinnen und Nichtjägerinnen interessieren. Spaß an der Gemeinsamkeit steht bei diesen Treffen im Vordergrund. Sie sind ein zusätzliches Aktivitätsprogramm, um ein Hegering- oder Kreisgruppenangebot abzurunden.

WuH: Sind Männer geduldet?
Hannemann: Nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht, da sie gemeinsame Interessen verfolgen und jagende Frauen sich nicht ausgrenzen wollen.

WuH: Plädieren Sie für eine Frauenquote im Verband?
Hannemann: Nein. Sie führt nur zu einer Verunsicherung aller Beteiligten und ist überflüssig, da Jägerinnen in zunehmenden Maß auch Verantwortung in den Hegeringen und Kreisgruppen übernehmen.
Vahle: Wie soll man eine Frauenquote herstellen, wenn keine Frauen da sind? Die Frauen sollten zur Mitarbeit ermuntert werden, genauso wie die jungen Leute. Sonst sterben die Hegeringe aus und keiner ist da, der dann das letzte Halali bläst.

 

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