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Brunft- und Blattzeit: Wer zuletzt fiept, fiept am besten

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In der Ruhe liegt die Kraft – auch bei der Blattjagd. Denn: Den Letzten rennen die Böcke um.

 

Da kann man noch so verlockend „flöten“. Wenn die Brunft in vollem Gang ist, die Böcke zum Beschlag kommen, bringt Blatten wenig. Warten heißt dann die Devise

von Andreas David

Blattzeit, Blattzeit! Nicht Brunft“, maßregelt der Prüfer wie in jedem Jahr einen der ehrfürchtigen Jagdscheinanwärter, nach der leider noch immer obligatorischen Frage, wie man (als Jäger!) denn die Fortpflanzungs- oder Paarungszeit des Rehwildes bezeichnet.

Recht hat er (eigentlich), der Wächter über jägersprachliches Brauchtum und Waidgerechtigkeit. Denn in jedem jagdlichen Wörterbuch wird die Brunft der Rehe als Blattzeit bezeichnet.

Blattzeit nicht gleich Brunftzeit

Rein zeitlich und aus jagdpraktischer Perspektive ist es jedoch schlicht unzutreffend, wenn man die Blattzeit der Brunftzeit gleichsetzt. Die Brunft des Rehwildes fällt grob umrissen etwa in die Zeit vom 20. Juli bis zum 15. August.

Die Zeit für „Buchenblatt und Büchse“ ist dies aber noch lange nicht. In der zweiten Hälfte, gegen Ende der Brunft, beginnt die eigentliche Blattzeit, die hohe Zeit für passionierte Rehwildjäger.

Warum erst jetzt? Der Grund ist der zahlenmäßige Rückgang brunftiger Ricken und Schmalrehe. Die meisten sind jetzt beschlagen und stehen nicht mehr mit den Böcken zusammen. Jetzt suchen die Rehböcke auch außerhalb ihrer Territorien nach noch immer brunftigen, bisher nicht oder erfolglos beschlagenen Ricken.

Suchende Böcke

Je weniger brunftige Ricken und Schmalrehe vorhanden sind, um so erfolgversprechender erscheint die Blattjagd, um so eher werden die Böcke springen!

Sie springen meistens erst dann, wenn die Ricken und Schmalrehe im eigenen Territorium alle beschlagen sind. Vorher verlassen die Böcke ihr „Revier“ normalerweise nicht.

Jährlinge, sofern ohne eigenes Territorium, machen hier die Ausnahme.
Beginnt man zu früh mit der Blattjagd, stehen die älteren, stärkeren Böcke ohnehin bei brunftigen Stücken und werden im Zweifel nicht zustehen.

Dies ist der Grund, warum im Durchschnitt stets mehr junge (Jährlinge!) als alte Böcke bei der Blattjagd erlegt werden. Je mehr brunftige Ricken und Schmalrehe auf einen Bock kommen, um so geringer sind die Aussichten auf den erhofften Jagderfolg.

Natürliches Geschlechterverhältnis

Ein Grund mehr, das natürliche Geschlechterverhältnis von etwa 1:1 im Bestand anzustreben bzw. aufrecht zu erhalten. Für die Blattjagd allein wäre ein deutlich zugunsten der Böcke verschobenes Geschlechterverhältnis optimal.

Doch einerseits wäre einem solchen kein langes Dasein beschieden, andererseits würde man den jagdlich nutzbaren jährlichen Gesamtzuwachs deutlich mindern.

Die Blattzeit für den Jäger beginnt also stets in der zweiten Hälfte der Rehbrunft. Brunftige Ricken oder Schmalrehe sind jetzt rar und die Rehböcke suchen nun auch außerhalb ihrer Territorien nach Möglichkeiten, ihr Erbgut weiterzugeben.

Im Zweifel ist übrigens auch bei der Blattjagd weniger mehr – für Ungeübte allemal. Denn letztlich werden zahlreiche Rehböcke in der Brunft auch ohne den „sehnsüchtig lockenden“ Instrumentalton erlegt. Sie sind fast den ganzen Tag auf den Läufen, die Chancen des Jägers entsprechend hoch.

Eine Renaissance könnte die Blattjagd vielerorts durch den angestrebten Umbau der Forsten in artenreiche, sich selbst verjüngende, unterwuchsreiche Mischwälder erleben.

Betrachtet man solche Bestände, in denen schon heute die Buchennaturverjüngung steht wie die berühmten Haare auf dem Hund, wird schnell klar, dass dort die älteren Böcke vielleicht überhaupt nur noch zur Brunft durch „das Blatten“ in Anblick kommen könnten.

 

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