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Agility – Kondition für Körper und Geist

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Vom Jagd- zum Zirkushund, oder steckt mehr dahinter?:
Viele werden jetzt denken: Hindernisparcours mit Jagdhunden! Das hat uns gerade noch gefehlt. Aber Agility ist mehr, nämlich ein zusätzliches Training in der jagdruhigen Zeit.

 

Von Christine Dahms-Burkdardt

Zugegeben, auch ich habe zu den Hundeführern gehört, die Agility von oben herab betrachteten und belächelten. Die es, ohne Genaueres darüber zu wissen, als spaßige, rein sportliche Beschäftigung von Leuten einstuften, die mit ihrer Zeit und ihrem Hund nichts besseres anzufangen wissen. Aber ich habe mich inzwischen eines weitaus Besseren belehren lassen! Nachdem ich im vergangenen Jahr mit meinem DD-Rüden die VGP absolviert hatte und die Herbst- und Winterjagden vorbei waren, suchte ich nach einer sinnvollen Beschäftigung für uns während der Frühlings- und Sommermonate.

Ich nahm Kontakt mit dem VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) und dem DVG (Deutscher Verband der Gebrauchshundsportvereine) auf, informierte mich im Internet und besorgte mir Literatur zum Thema Agility. Schließlich konnte ich den ersten Kontakt zu einem qualifizierten Agility-Verein in meiner Nähe knüpfen und einige Stunden „schnuppern“.

Sehr gutes Tempo und fehlerfrei

Ein Übungsnachmittag besteht aus Unterordnung für alle (was auch einem VGP-geprüften Jagdhund immer wieder gut tut, besonders in einer Gruppe), Spielen der Hunde (wer möchte), dem eigentlichen Agility-Training in verschiedenen Gruppen und anschießendem Zusammensitzen, Klönen, Fachfragen diskutieren und vielem mehr.

Bereits nach den ersten Stunden waren wir „süchtig“, nach einem guten halben Jahr gehörten wir schon zu den Fortgeschrittenen und konnten fast alle Hindernisse in sehr gutem Tempo und meistens fehlerfrei absolvieren. Den Herbst und Winter über haben wir uns zum Jagen abgemeldet, nicht ohne leises Bedauern und Vorfreude auf das nächste Frühjahr.

Agility hat weltweit viele begeisterte Freunde gefunden

Was genau ist eigentlich Agility? Agility, zu deutsch Behendigkeit, Gewandtheit, ist eine aus England kommende Hundesportart, in deren Mittelpunkt ein Hindernisparcours steht, den es vom Hund mit Hilfe des Führers zu überwinden gilt.

1977 wurden diese Übungen erstmals während der bekannten Crufts Dog Show (einer der größten Hundeausstellungen der Welt) vorgeführt. 1988 wurde Agility im deutschsprachigen Raum etabliert, 1991 wurde das erste Reglement durch die FCI (Fédération Cynologique Internationale = Dachorganisation der Hundeverbände) offiziell anerkannt und für alle angeschlossenen Länder rechtskräftig. Agility hat in dieser kurzen Zeit nicht nur in Europa, sondern weltweit viele begeisterte Freunde gefunden.

Der Agility-Parcours besteht aus zwölf bis 20 Hindernissen, die in bestimmter Reihenfolge bewältigt werden müssen. Die genaue Reihenfolge wird erst unmittelbar vor dem Start bekannt gegeben. Wie beim Springreiten haben hier die Hundeführer vor jedem Start einige Minuten Zeit, den Parcours abzugehen und sich die Reihenfolge einzuprägen. Die Hindernisse werden auf einem Platz von mindestens 20 x 40 Metern aufgebaut. Die Streckenlänge liegt zwischen 100 und 200 Metern. Innerhalb einer festgesetzten Standardzeit soll der Hund – abgesehen von der Stimme und Körpersprache seines Führers – den Parcours ohne Leine, Halsband oder andere Hilfsmittel möglichst fehlerfrei zurücklegen. Die Standardzeit wird für Anfänger und Fortgeschrittene unterschiedlich errechnet.

Fehler führen zu Strafpunkten oder zur Disqualifikation. Strafpunkte gibt es zum Beispiel für das Überschreiten der Standardzeit, das Abwerfen einer Stange, Verweigerungen oder das Berühren eines Hindernisses oder des Hundes durch den Hundeführer. Disqualifiziert werden Gespanne beispielsweise beim Auslassen eines Hindernisses, drei Verweigerungen oder Einschlagen eines falschen Parcours.

Spaß an körperlicher Bewegung

Agility ist für jedermann und jeden Hund geeignet. Alter und Rasse der Hunde sind völlig gleichgültig, und durch die Einteilung in Mini-, Medi- und Maxiklassen bei der Höhe der Hindernisse spielt auch die Größe der Hunde keine Rolle. Es ist also auch für kleine Rassen wie Teckel kein Problem, daran teilzunehmen. Voraussetzung für die Hunde ist allerdings, dass sie gesund sind. Dieses betrifft in erster Linie Gelenke, Wirbelsäule und das Herz-Kreislauf-System. Junge Hunde unter einem Jahr dürfen auch noch nicht alle Hindernisse absolvieren, beziehungsweise bekommen die Hindernisse deutlich niedriger gestellt, damit Gelenke, Wirbelsäule und Bänder keinen Schaden nehmen.

Natürlich sollten die Hunde – ebenso wie die Führer – Spaß an körperlicher Bewegung haben. Wer lieber faul auf dem Sofa liegt, für den ist Agility sicher nicht das Richtige. Für Jäger und Hundeführer sollte das eigentlich kein Thema sein. Das Training findet bei vielen Vereinen das ganze Jahr über im Freien statt, außer bei Frost und Schnee.

Tunnel sind sehr beliebt

Die beliebtesten Hindernisse – die auch bereits mit dem Welpen absolviert werden können – sind zwei verschiedene Tunnel. Es gibt den flexiblen Plastiktunnel, den man geradeaus oder in verschiedene Winkel legen kann und den Stoff- oder Sacktunnel, der zwar eine feste Öffnung hat, nach hinten jedoch aus Stoff ist und flach auf dem Boden liegt. Außerdem gibt es verschiedene Sprunghindernisse wie Stangenhürde, Bürste, Mauer, Reifen und Weitsprung.

Die größten Schwierigkeiten haben Hunde mit den sogenannten Kontaktzonen-Hindernissen Schrägwand, Laufsteg und Wippe. Bei diesen Hindernissen sind die unteren Teile des Auf- und Abgangs als Kontaktzonen mit anderer Farbe markiert. Diese Zonen müssen die Hunde sowohl beim Auf- als auch beim Abstieg mit mindestens einer Pfote berühren. Sie dürfen also nicht auf- und abspringen, sondern müssen gehen oder laufen, was eine Schonung der Gelenke bewirkt und die Gefahr von Unfällen zum Beispiel durch Abstürzen eines zu schnell springenden Hundes verhindert. Die Kontaktzonen-Hindernisse müssen aus rutschfestem Material sein und Laufsteg und Schrägwand sind mit Leisten gegen Abrutschen gesichert.

Der Slalom muss wahrscheinlich am längsten geübt werden. Er besteht aus acht, zehn oder zwölf Stangen, die mindestens 100 Zentimeter hoch sind und in einem Abstand von 50 bis 65 Zentimetern aufgestellt sind. Der Hund muss sich in der richtigen Reihenfolge möglichst schnell durch alle Stangen hindurch fädeln.

Auf dem Tisch müssen die Hunde – je nach Ausbildungsstand und Richterentscheidung – fünf Sekunden im „Platz“ oder „Steh“ verharren.

Im Agility-Parcours läuft der Hund ohne Leine und Halsband mal rechts, mal links, mal vor und mal hinter dem Hundeführer, je nach Streckenführung und Strategie des Gespanns.

Anweisungen müssen befolgt werden

Der Hundeführer läuft mit und lenkt seinen Hund nur durch Sichtzeichen, Körpersprache und Kommandos wie „Hopp“, „Tunnel“, „Rüber“, „Vor“, „Reifen“, „Slalom“. Dabei muss sich der Vierläufer immer wieder an seinem Führer orientieren und seine Anweisungen befolgen. Einige Hunde laufen lieber dichter beim Hundeführer, andere brauchen einen größeren Spielraum und lassen sich auch auf größere Distanzen sicher lenken. Der Führer muss sich oft drehen und die Seite wechseln, je nach Reihenfolge und Ausrichtung der Hindernisse. Alle Hindernisse werden rechts und links mit dem Hund geübt.

Die Übungen haben sich in der jagdlichen Praxis bewährt

Voraussetzung für die Teilnahme an Turnieren ist eine erfolgreich absolvierte Begleithundprüfung. Zum Training lassen aber viele Vereine auch Hunde ohne Prüfung zu.
Beim Agility werden zahlreiche Turniere und Meisterschaften – bis zur EM und WM – ausgetragen. Im Jahr 2002 fand die Weltmeisterschaft in Dortmund unter Teilnahme von 32 Nationen statt. Weltmeister wurde die Mannschaft aus Brasilien.

Unser erstes halbes Jahr Agility-Training kam uns in der folgenden Jagdsaison zugute. Mein Hund war führiger, gehorsamer und wir beide hatten eine sehr gute Kondition.

Neben den eingangs erwähnten Vorteilen sind die Trainingseinheiten auch hervorragende Übungen zur Standruhe unserer Jagdhunde. Beim Abgehen des Parcours und beim Arbeiten der anderen Hunde müssen sie ruhig am Rand des Platzes liegen und dürfen weder winseln noch Laut geben oder gar einspringen. Auch diese Übungen haben sich in der jagdlichen Praxis bewährt.

Und zu guter letzt macht Agility Hunden und Führern sehr viel Spaß, ob nur als Training oder bis zur Turnierteilnahme. Es ist aber anstrengend und erfordert von beiden höchste Konzentration. Probieren Sie es doch einfach einmal aus, es lohnt sich.

Der VGP-Rüde „Artos vom Fuhrenkamp“ auf dem sogenannten Laufsteg. Die Lauffläche ist 30 bis 40 Zentimeter breit und erfordert einige Übung

 

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