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Borreliose – die Gefahr aus der Zecke

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Die in Brandenburg bestehende Meldepflicht erlaubt erstmals die Arbeit mit gesicherten Daten: Die „Lyme“-Krankheit ist verbreiteter als angenommen

 

In jedem Stadium ihres Lebens eine Gefahr: Ixodes ricinus

Von Dr. R. v. Meurers

Unklare allgemeine Beschwerden wie leichte Temperatur-Erhöhungen, Kopfschmerz, Gelenk-Beschwerden, chronische Müdigkeit führen oft zu einer Odyssee von Arzt zu Arzt und schließlich in einigen Fällen zu Arbeitsunfähigkeit, wenn der untersuchende Arzt nicht an eine „Lyme“-Krankheit oder Borreliose denkt. Vor Jahren bereits kamen nach einem WILD UND HUND-Beitrag über diese Zoonose etliche Anfragen von Lesern, deren Beschwerden bis dahin fehlgedeutet worden waren.

Ist diese häufig nicht erkannte Krankheit aber so selten, daß man die Fehldiagnosen entschuldigen muss? Nein, lautet das Fazit nach dem neuesten Stand der Wissenschaft! Extrem wertvoll ist die Erweiterung der gesetzlichen Meldepflicht für Infektionskrankheiten in Brandenburg nach dem Bundesseuchengesetz. Seit November 1996 ist Lyme-Borreliose dort meldepflichtig. Jeder Verdacht durch den behandelnden Arzt und jeder positive Laborbefund muß vom Labor gemeldet werden. Das führte erstmals in Deutschland zu konkreten Daten. 1997 wurden 455 Erkrankungen in Brandenburg angezeigt, und damit gehört Lyme-Borreliose zu einer der häufig gemeldeten Infektionserkrankungen. Hochgerechnet ergeben sich 18 Erkrankungen auf 100 000 Brandenburger Bürger.

Die Erreger der Lyme-Krankheit sind Borrelia-Bakterien, die eine ähnliche Struktur wie Syphilis-Bakterien haben. Auch die Erkrankung weist mit vier nacheinander ablaufenden Stadien Ähnlichkeit zu dieser Infektion auf.

Personen, die häufiger von Zecken gestochen werden, entwickeln eine teilweise Unempfindlichkeit (Immunität). So wurde im niedersächsischen Forstdienst auf 868 Stiche nur eine Infektion beobachtet. Also mussten fünfzehnmal mehr Stiche als bei der Normalbevölkerung vorgefallen sein, um eine Erkrankung zu bewirken.

Häufiges Merkmal: Hautrötung

Zwischen Zeckenstich und erstem Auftreten von Veränderungen liegen meistens zwei bis dreißig Tage. Bei mehr als der Hälfte der Fälle bildet sich eine handtellergroße Hautrötung an der Stichstelle, die vom Mediziner „Erythema chronicum migrans“ im Stadium Eins genannt wird. Diese ausgedehnte Hautrötung blaßt ganz typisch in der Mitte ab und dehnt sich ringförmig um die Stichstelle nach außen aus. In der Folge können sich grippeähnliche Beschwerden mit Fieber und Gliederschmerzen im Stadium Zwei zeigen.

Im Stadium Drei können dann je nach befallenem Organ folgende Erkrankungen auftreten:

  • Gelenkschmerzen – Arthritis – mit Schwellung, Rötung und Erguss, häufig an den Knien
  • Herzmuskel-Entzündung mit unregelmäßigem Puls und Brustschmerz
  • Störungen im Zentralen Nervensystem mit Gehirnnerven-Ausfällen wie Augenmuskel- oder Gesichtsmuskel-Lähmung.

Im Stadium Vier können die Haut, mehrere Gelenke, Rückenmark und das Gehirn mit einer Vielzahl von Störungen betroffen werden.

Es ist auch für den Mediziner schwierig, die Krankheit zu erkennen, da es kein eindeutig ablaufendes Krankheitsbild gibt. Bei unklaren rheumatischen Beschwerden sollte man den Arzt daher immer über zurückliegende Zeckenstiche informieren. Er kann dann über Blutuntersuchungen den Nachweis einer Borrelien-Erkrankung führen und rechtzeitig mit dem Antibiotikum Doxycyclin behandeln, bevor die Organe befallen oder unwiderruflich geschädigt sind.

Raus mit dem Parasiten!

Die Art der Zeckenentfernung ist entscheidend für den Grad der Aufnahme von Borrelien in den menschlichen Körper. Nur eine gewisse Zahl von Erregern kann den Körper krank machen, kleinere Mengen werden von den körpereigenen Abwehrstoffen vernichtet.

Früher gegebene Tipps wie Bestreichen der ganzen Zecke mit Nagellack, Kleber und Öl sowie langsames Drehen im Uhrzeigersinn sind unsinnig, da bei diesen Methoden eine in Stunden langsam absterbende Zecke im Todeskampf ihren Speichel und damit eine hohe Bakterienzahl durch ihre Mundwerkzeuge in die menschliche Haut spritzt und dadurch erst eine Infektion ermöglicht.

Die Krankheitserreger leben im Mitteldarm der Zecke und gelangen erst zwölf bis 24 Stunden nach dem Stich in den Speichel und damit in den Blutkreislauf des Opfers.
Also raus mit dem Parasiten!

Lange Hosen besser als Chemie

Gelegentlich wird zur Zeckenabwehr das Besprühen der Kleidung mit synthetischen Pyrethroiden empfohlen. Pyrethroide sind chemisch den aus Chrysanthemen-Blüten extrahierten Pyrethrinen nachgebildet und werden als „Naturprodukte“ vom Laien meist in die Rubrik unschädlich eingestuft.

Diesen Insektiziden steht man inzwischen sehr reserviert gegenüber, da sie über die Haut – und verstärkt bei schweißnasser Haut – resorbiert (aufgenommen) werden können und sich so im Nervengewebe anlagern. Nach dieser Information kann also das vorbeugende Besprühen von direkt auf der Haut getragener Kleidung nicht empfohlen werden. Wichtig sind lange Hosen, dicht abschließende Wickelgamaschen. Durch Hauteinreibungen mit Repellents kann man sich nur begrenzt vor den Krabbeltieren schützen.

 

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