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Zäune im Revier (4): Errichten und Beseitigen von Wildschutzzäunen

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von Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Der Waldbesitzer kann den Zutritt zu bestimmten Waldflächen tatsächlich ausschließen, untersagen oder zeitlich beschränken (Sperren von Waldflächen). Er bedarf hierzu der vorherigen Genehmigung durch die Forstbehörde.

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Waldfläche nur für eine bestimmte Frist gesperrt werden soll und die Sperrung aus wichtigen Gründen des Forstschutzes, der Waldbewirtschaftung, der Wildhege oder der Jagdausübung erforderlich ist.

Ohne dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Genehmigung widerruflich erteilt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt und das Sperren unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit vertretbar ist.

Ist eine Waldfläche ohne Genehmigung gesperrt, so kann die Forstbehörde die Beseitigung der Sperrung anordnen.“ § 4 Landesforstgesetz NW

II. Der Sachverhalt

E. ist Eigentümer eines Eigenjagdbezirkes, der im Süden an eine vielbefahrene Bundesstraße grenzt. Gegenüber liegt der gemeinschaftliche Jagdbezirk G.
Zur Vermeidung von Wildunfällen in diesem wildreichen Waldgebiet erteilte das zuständige Forstamt E. die Genehmigung zur Errichtung eines langgezogenen Wildschutzzaunes auf dessen Kosten.

Der Zaun enthielt Klapptore, damit Menschen das betroffene Waldstück betreten konnten, sowie zwei Wildeinsprünge, die es dem die Straßen überquerenden Wild ermöglichten, in den Eigenjagdbezirk zu gelangen.

Gegen diese Genehmigung erhob die Jagdgenossenschaft des angrenzenden gemeinschaftlichen Jagdbezirkes G. nach erfolglosem Widerspruch Klage.

Sie machte geltend, dass die Errichtung des Zaunes massiv in ihr Jagdausübungsrecht eingreife; denn das Wild könne durch die Wildeinsprünge im Zaun nur in den Eigenjagdbezirk einwechseln, nicht aber von dort wieder zurückwechseln.

Dadurch werde der Eigenjagdbezirk einseitig bevorzugt.
Außerdem verhindere der lange Zaun den freien Wildwechsel, der aus wildbiologischen Gründen erforderlich sei. Seit Errichtung des Zaunes sei der Wildbestand drastisch zurückgegangen.

III. Das Urteil

Das Gericht wies die Klage ab. Die Jagdgenossenschaft werde durch die Genehmigung des Zaunes nicht in ihren eigenen Rechten verletzt, insbesondere nicht in ihrem Jagdausübungsrecht.

Rechtsgrundlage der Genehmigung sei § 4 Abs. 3 Landesforstgesetz Nordrhein-Westfalen. Danach könne eine Genehmigung widerruflich erteilt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliege und das Sperren des Waldes unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit vertretbar sei.

Die genannten Voraussetzungen enthielten nach ihrer Zielsetzung keine Rechtspositionen zugunsten der benachbarten Jagdgenossenschaft; vielmehr sei ausdrücklich das Interesse der Allgemeinheit zu berücksichtigen, das vor allem im allgemeinen Betretungsrecht zum Ausdruck komme. Auf dieses Betretungsrecht könne sich eine Jagdgenossenschaft aber nicht berufen, weil es nur natürlichen Personen zustehen könne.

Auch auf eine Beeinträchtigung ihres Jagdausübungsrechts könne sich die Jagdgenossenschaft nicht stützen. Dieses dem Schutz des Artikel 14 Grundgesetz unterliegenden Recht werde durch die Genehmigung des Zaunes nicht verletzt, weil es sich nur auf das jeweils tatsächlich im Jagdbezirk vorhandene Wild erstrecke.

Selbst der präsente Wildbestand werde eigentumsrechtlich nicht schlechthin gewährleistet, da er ständigen Veränderungen durch Wanderbewegungen, Wildkrankheiten, klimatischen Schwankungen und wechselndem Nahrungsangebot unterliege.

Selbst wenn es den „freien Wildwechsel“ über Jagdbezirksgrenzen hinweg als eine „Grundregel des Jagdwesens“ geben würde, so müsse dieser die konkreten örtlichen Verhältnisse der betroffenen Reviere berücksichtigen. Deshalb sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Zaun eine rechtlich anzuerkennende Funktion, etwa zur Wildschadensverhütung, erfülle.

Ferner seien die Lage und Beschaffenheit der konkreten Reviere und ihre Einbettung in die Umwelt zu berücksichtigen. Diese „Situationsgebundenheit“ der Jagdbezirke könne die Befugnisse des Jagdausübungsrechts – ebenso wie die des
Eigentumsrechts – inhaltlich einschränken.

Gebots- und Verbotsregelungen sowie Erlaubnisse stellten eine immanente Vorbelastung eines Jagdbezirkes dar, die lediglich die Sozialbindung des Eigentums (Jagdausübungsrechts) konkretisierten.

Im gegebenen Falle seien beide Reviere infolge der Lage entlang einer verkehrsreichen Bundesstraße durch eine erhebliche Gefahrenlage vorgeprägt (vorbelastet), so dass Maßnahmen zur Reduzierung dieser Gefahrenlage den Inhalt der Jagdaus-übungsrechte nicht verminderten, sondern lediglich eine Vorbelastung dieser Jagdbezirke konkretisierten. Oberverwaltungsgericht NW, Urteil vom 21.03.1996 – 20/A/5871/94 –

IV. Weiteres Urteil

Die Errichtung und Unterhaltung eines Wildschutzzaunes entlang einer Straße durch die Straßenbauverwaltung kommt nur in Betracht, wenn sich die Herstellung einer solchen Anlage nach der objektiven Gefahrenlage und dem vorhandenen Wildbestand für einen „vernünftigen“ Forstwirt als notwendig erweist (ebenso: Weidezaun für einen Landwirt).

Denn der Neubau (und Ausbau) einer Straße kann Nachteile verursachen, wenn sich z. B. die Notwendigkeit zusätzlicher Einfriedungen ergibt. Natürlich kann ein vorhandener Wildbestand dabei einen berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Wert darstellen.

Der Anspruch entfällt, wenn die Kosten für einen Wildschutzzaun außer Verhältnis zu dem erstrebten Schutzzweck stehen. In einem solchen Fall hat der betroffene Jagdausübungsberechtigte (Eigenjagdinhaber/Jagdgenossenschaft) einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichsbetrages. Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 16.05.1989 – 4/B/90.89 –

V. Ergebnis

1. Ein Anspruch auf Errichtung und Unterhaltung eines Wildschutzzaunes durch die Straßenbauverwaltung kommt nur in Betracht, wenn die
Gefahrenlage überdurchschnittlich hoch ist (wildreicher Wald) und die Kosten nicht außer Verhältnis zu den zu erwartenden Schäden stehen.

2. Unabhängig hiervon kann ein Wildschutzzaun auf eigene Kosten erstellt und unterhalten werden, wenn die hierfür nach Landesrecht notwendige Genehmigung erteilt wurde.

3. Liegt ein solcher Zaun entlang der Reviergrenze, so hat der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung und Beseitigung des Zaunes, sofern dieser zur Vermeidung von Schäden notwendig ist.


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