ANZEIGE

Kein Ersatz des Wildschadens (2)

1640


 

Nicht jeder Wildschaden muss auch ersetzt werden. Gerichte lassen einen Anspruch auf Wildschadensersatz häufig auch an Fehlern der Gemeinde im Vorverfahren scheitern.

 

Ortstermin zwischen Landwirt, Jäger und Schätzer: Wird ein solcher Termin von der Gemeinde nicht umgehend anberaumt oder unterlaufen andere Fehler und Versäumnisse im Rahmen des Vorverfahrens, kann es sein, dass der Wildschaden nicht ersetzt werden muss

von Rechtsanwälte Müller-Schallenberg und Knemeyer, Leverkusen

Bereits in WILD UND HUND 2/2002, Seite 35, wurde dargelegt, dass eine verspätete Anmeldung des Wildschadensersatzanspruchs durch den Geschädigten zu dessen Lasten geht und der Anspruch daher allein deshalb nicht mehr durchzusetzen ist. Sofern der Anspruch jedoch rechtzeitig geltend gemacht wird, stellt sich die Frage, wie sich Fehler der Gemeinde im Vorverfahren auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs auswirken. Auch mit dieser Frage haben sich zwei der im oben genannten Aufsatz zitierten Gerichtsurteile befasst:

Pflichten der Gemeinde im Vorverfahren:

Neben der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Anmeldung obliegen den Gemeinden – je nach den Vorschriften des jeweiligen Landesjagdgesetzes – folgende Pflichten:

– Unverzügliche Anberaumung eines Termines am Schadensort,

– Ladung aller Beteiligten (Geschädigter, Jagdausübungsberechtigter – bei mehreren Parteien müssen alle geladen werden, beim ersten Termin auf Antrag auch der Schätzer),

– Fertigung einer detaillierten Niederschrift über den Termin,

– Zustellung der Niederschrift an die Beteiligten mit Rechtsmittelbelehrung.

Fehler der Gemeinde im Vorverfahren:

In Fall des Amtsgericht Alsfeld, Urteil vom 31. 10. 2001 – 30 C 744/00 – hatte ein Ortstermin nicht stattgefunden, weil die Parteien einen solchen für entbehrlich hielten. Auf die Durchführung des gesetzlichen Vorverfahrens kann aber – soweit das Landesjagdgesetz dies nicht ausdrücklich zulässt (beispielsweise in Bayern) – nicht, auch nicht teilweise verzichtet werden. Da das Feststellungsverfahren insoweit also nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war, wurde der Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch das AG Alsfeld mit folgender Begründung zurückgewiesen: „Er wurde nämlich nicht in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise festgestellt. Hierfür Sorge und Rechnung zu tragen, obliegt dem Beklagten als demjenigen, der seinen Anspruch durchsetzen will.“

Im Fall des AG Bad Neustadt/Saale, Urteil vom 05. 10. 2001 – 1 C 109/01 – (im Berufungsverfahren bestätigt durch LG Schweinfurt, Urteil vom 16. 01. 2001 – 43 S 94/01) hatte die Gemeinde den Jagdausübungsberechtigten im Vorverfahren selbst nicht angehört und diesen auch zum unverzüglich anzuberaumenden Schätztermin nicht geladen. Aufgrund dieses Formalfehlers hob das AG Bad Neustadt/Saale den Vorbescheid der Gemeinde mit folgender Begründung auf, was zum Verlust des Wildschadensersatzanspruchs führte: „Der Ladung der Betroffenen zum Schätztermin kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil auf diese Weise ihnen nicht nur das gebotene rechtliche Gehör gewährt wird, sondern weil jeder Beteiligte selbst an der objektiven Feststellung der wahren Schadensursachen mitwirken kann. Der Vorbescheid setzt deshalb ein Prüfungsverfahren unter der Beteiligung des Geschädigten und des Jagdpächters voraus. Da ein solches Prüfungsverfahren nich durchgeführt wurde, hätte der Vorbescheid nicht erlassen werden dürfen. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, dass deshalb der Vorbescheid keine Rechtsgrundlage hatte und aufzuheben ist.“

Rechtsprechungen zu Fehlern im Vorverfahren

Die Frage, wie sich Fehler im Vorverfahren auswirken, wird von der Rechtsprechung jedoch nicht immer im oben genannten Sinne beurteilt, sondern ist umstritten:

(1) Im Gegensatz zu den vorgenannten Entscheidungen haben folgende Gerichte eine Wildschadensersatzanspruch trotz Fehlern im Vorverfahren bejaht:
– LG Verden, NdsRpfl. 1966. 16
– LG Mainz, Urteil vom 25.08.1974 – 3 S 179/73
– LG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.1975 – 22 S 313/75
– LG München II, RdL 1976. 210
– LG Krefeld, NuR 1980. 184

(2) Im Sinne der beiden hier besprochenen Entscheidungen wurde unter anderem mit folgenden Urteilen dem Geschädigten sein Wildschadsensersatzanspruch wegen Fehlern im Vorverfahren versagt:
– OLG Celle, RdL 1966. 135
– LG Kassel, Urteil vom 12.10.1972 – 1 S 153/72
– AG Rees, Urteil vom 16.02.1974, EJS IV, Seite 35, Nr. 11
– LG Arnsberg, Urteil vom 27.05.1975 – 3 S 35/74
– AG Siegen, Urteil vom 05.10.1976 – JE IX, Nr. 7
– AG Schleiden, Urteil vom 27.02.1979 – JE IX, Nr. 17
– LG Hannover, Urteil vom 16.12.1987, JE IX, Nr. 63
– AG Andernach, Urteil vom 15.04.1997, RdL 1998, 15

Bewertung der Rechtsprechung:

Für die Auffassung (1) wird angeführt, dass es eine unannehmbare Folge sei, dass der Geschädigte wegen seiner (ansonsten) berechtigten Ansprüche gegen den Ersatzpflichtigen bei formellen Verstössen der Gemeinde im Vorverfahren rechtlos gestellt wäre. Er müsste sonst Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegen die Gemeinde geltend machen. Weiter wird argumentiert, dass der Geschädigte schließlich nichts dafür könne, dass es die Gemeinde gewesen sei, die die Fehler gemacht habe.

Dies ist jedoch nicht schlüssig. Die gegenteilige Ansicht (2) und die beiden hier besprochenen Urteile berücksichtigen nämlich, dass auch der Jagdausübungsberechtigte – genau wie der Geschädigte – nichts dafür kann, dass die Gemeinde fehlerhaft handelte.

Landwirt kann gegen Gemeinde vorgehen

Zudem besteht für den Geschädigten ja die Möglichkeit, seinen Anspruch doch durchzusetzen – und zwar gegen denjenigen, der für seinen Anspruchsverlust verantwortlich ist: Die Gemeinde. Außerdem ist der Landwirt in seinem Eigentum, einem im Rahmen des Amtshaftungsanspruches geschützten absoluten Recht geschädigt. Der Jagdpächter wäre dagegen nur mit einem Vermögensschaden belastet.

Die hier besprochenen Entscheidungen des AG Asfeld und AG Bad Neustadt/Saale beziehungsweise LG Schweinfurt sind daher zu begrüßen und setzen hoffentlich den seit Mitte der 80er Jahre eingeleiteten „richtigen Trend“ zu Gunsten des Jagdausübungsberechtigten fort.

 

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot