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Fremder Hund lief weg

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Schadensersatz wegen Verletzung der Aufsichtspflicht

Nach dem Deckakt sperrte der Besitzer der Hündin den ihm überlassenen Deckrüden einfach weg. Der Hund riss aus und wurde vom Zug überfahren. Muss der Besitzer der Hündin für den Schaden haften?

I. Die Rechtsgrundlage

„Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren.“ § 688 Bürgerliches Gesetzbuch
„Wird die Aufbewahrung unentgeltlich übernommen, so hat der Verwahrer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.“ § 690 Bürgerliches Gesetzbuch

„Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.“ § 277 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Der Sachverhalt

Der Halter eines Deckrüden überließ diesen dem Halter einer in der Hitze befindlichen Hündin. Dadurch sollte gewährleistet sein, dass die beiden Hunde ausreichend Zeit haben, den Deckakt zu vollziehen.

Nachdem die Hündin erfolgreich belegt worden war, wollte sich der Halter der Hündin jedoch zunächst ausschließlich um sein eigenes Tier kümmern. Aus diesem Grund sperrte er den ihm überlassenen Rüden in den auf dem Grundstück stehenden Hundezwinger. Während dieser Zeit war der Rüde ohne Aufsicht. Er erspähte eine Lücke im Zaun des Zwingers und riss aus.

Als der Hund kurz darauf das Grundstück verlassen hatte, gelangte er auf die nahe gelegenen Bahngleise und wurde von einem Zug überrollt und getötet.

Der Besitzer des Deckrüden verlangte daraufhin Schadensersatz, weil der Halter der Hündin seine Aufsichtspflicht grob fahrlässig verletzt habe.

Dieser entgegnete jedoch, der Rüde sei ihm von dessen Besitzer ohne eine Hundeleine übergeben worden. Außerdem habe der Rüdehalter ihn bei Übergabe des Hundes nicht darauf aufmerksam gemacht, dass der Rüde auch bei ihm schon einmal weggelaufen sei. Ein Fall von grober Fahrlässigkeit liege daher nicht vor.

III. Das Urteil

Das Gericht gab dem Rüdehalter Recht; es verurteilte den Halter der Hündin wegen positiver Vertragsverletzung zur Zahlung von 5450 DM Schadensersatz, weil er seine Aufsichtspflicht über den fremden Hund grob fahrlässig verletzt habe.

Mit dem Überlassen des Deckrüden, so das Gericht in seiner Begründung, sei zwischen den Beteiligten ein Verwahrungsvertrag zustande gekommen. Damit habe der Halter der Hündin die Aufgabe übernommen, den ihm überlassenen Rüden ordnungsgemäß zu beaufsichtigen.

Diese Aufsichtspflicht habe der Halter der Hündin grob fahrlässig verletzt. Da der Rüde in eine ihm völlig fremde Umgebung gelangt sei, hätte der Halter der Hündin jede nicht völlig entfernt liegende Möglichkeit zum Entweichen des Rüden ausschließen müssen. An seine Sorgfalt seien besonders hohe Anforderungen zu stellen, weil ihm der fremde Hund überhaupt nicht vertraut gewesen sei.

Unmittelbar nach dem Deckakt hätte er daher zuerst den Rüden sichern müssen, ehe er sich seiner Hündin zugewandt habe. Denn er habe damit rechnen müssen, dass der Rüde nach dem Deckakt versuchen würde, zu entweichen. Dass er keine Leine erhalten habe, entlaste ihn nicht, ebenso wenig, dass ihm erst im Nachhinein mitgeteilt worden sei, dass der Rüde auch seinem Halter schon einmal weggelaufen sei.

Amtsgericht Iburg, Urteil vom 24.01.2001 – 4 b C 321/00 (7) –

IV. Ergebnis

1. Wer einen fremden Hund unentgeltlich bei sich in Verwahrung nimmt, haftet nur für grobe Fahrlässigkeit. Erfolgt die Verwahrung jedoch gegen Entrichtung eines Entgelts, so genügt jede Fahrlässigkeit.

2. Wird ein Deckrüde dem Halter einer Hündin überlassen, so obliegt diesem eine besondere Aufsichtspflicht. Insbesondere nach Vollzug des Deckaktes hat er dafür zu sorgen, dass der fremde Hund nicht entweichen kann.


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