Schalldämpfer und Gewehrläufe müssen gepflegt werden, damit sie dauerhaft funktionstüchtig bleiben. Büchsenmachermeister Andreas Jakele wartet mit zwei ebenso pfiffigen wie funktionellen Lösungen auf. Wolfram Osgyan hat sie getestet.
Beißender Geruch schlägt mir beim Betreten meines Arbeitszimmers entgegen, verengt die Nasenflügel und weckt Erinnerungen an den Vorbereitungsraum des Chemiesaales vor mehr als einem halben Jahrhundert.
Nein, hier sind keine Chemikalien ausgelaufen. Vielmehr schwängern Ausdünstungen des Schalldämpfers die Raumluft. Also, nichts wie Fenster auf und lüften. Eine Viertelstunde zuvor hatte ich erstmals den Schalldämpfer-Trockner aktiviert und auf 15 min Laufzeit programmiert.
Jetzt verrät die Nase, dass chemische Verbindungen aus Pulverschmauch, Kondensfeuchtigkeit und Metalloxiden als ammoniakhaltige Luftpartikel ihren Weg nach draußen gefunden haben.
Ein Odem, den ich beim nächtlichen Erwärmen des Schalldämpfers auf dem Heizkörper nie wahrgenommen hatte. Der „Silence Dryer“ funktioniert, denn was da auf die Schnelle herauskommt, war auch drinnen.
Der „Silence Dryer“ bläst die übel riechenden Verbindungen beim Trocknen aus dem Schalldämpfer. Die Belüftungsdauer wird über den Drehschalter vorgewählt. Das an drei Punkten fixierte Kunststoffband (u.) passt sich unterschiedlichen Durchmessern an und hält den Schalldämpfer in senkrechter Stellung.
Das macht den Unterschied zum Heizkörper. Man weiß nie, wie lange die Flüstertüte der Warmluft ausgesetzt sein muss, um hinterher trocken zu sein, denn es fehlt das sichere Ausblasen der Feuchtigkeit durch den Luftstrom.
Außerdem: Das nächtens auf dem Heizkörper abgestellte Waffenteil dürfte im Sinne der Aufbewahrung nicht über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt sein.
Dass Lebensdauer und Sicherheit eines Schalldämpfers wesentlich davon abhängen, ob er nach Gebrauch regelmäßig getrocknet wird, machen sich die wenigsten bewusst.
Beim Schuss erhitzen die heißen Pulvergase die Schalldämpfer-Seelenachse, auch Kugelröhre genannt, noch vor den Lamellen in erheblichem Maße und zudem den überall abgelagerten Pulverschmauch. Kühlt sich nun der Schalldämpfer ab, entsteht durch den Temperaturunterschied Kondenswasser. Dieses reagiert mit den Verbrennungsrückständen und greift das Metall an. Allen voran Aluminium. Jenes wiederum wird aus Gewichtsgründen überwiegend in Schalldämpfern verbaut. Ist die schützende Eloxalschicht erst einmal angegriffen, schreitet die Korrosion in Windeseile voran und frisst sich irgendwann sogar durch die Wandung.
Es kommt auch vor, dass findige Zeitgenossen ihr Glück mit dem Haarfön versuchen, um die Trocknungsspanne einzuschrumpfen. Doch wer je mit dem Heißluftgebläse operierte, weiß um dessen Grenzen: Er pustet unter anderem zwar die Feuchtigkeit heraus, erhitzt aber wieder das Material, sodass sich beim Abkühlen neues Kondensat bildet, und das kann sein Werk anrichten.
Damit es nicht so weit kommt, muss die Nässe raus. Trocken bleibt zwar der „Dreck“ drinnen, aber er schädigt wenigstens nicht. Damit sich jedoch davon nicht zu viel ansammelt, sollte der Schalldämpfer im regelmäßigen Turnus gereinigt werden. Manuell, sofern er zerlegbar ist, oder etwa mittels Ultraschallbad.
Jakeles „Silence Dryer“ basiert auf dem Prinzip des Schuhtrockners und kann jederzeit auch als solcher eingesetzt werden – was den Preis von 149 € relativiert (99 € im limitierten Angebot). Bedient wird er denkbar einfach: Man setzt den Schalldämpfer senkrecht mit der Aufnahme nach unten in den Trichter. Dort fixiert ihn ein in Dreiecksform aufgespanntes Kunststoffband ungeachtet des jeweiligen Durchmessers. Mittels Drehschalter wird die Laufzeit bis zu 120 min eingestellt. Dann bläst das Gerät handwarme Luft über einen Schlauch in den Schalldämpfer. Weil der „Silence Dryer“ an einer kraxenförmigen Tragekonsole befestigt ist, kann er zum einen überall abgestellt, aber auch mit gebührendem Wandabstand aufgehängt werden.
Die im Schalldämpfer abgelagerten Verbrennungsrückstände sind hygroskopisch und reagieren auf schwankende Luftfeuchtigkeit. Deshalb sollte die Flüstertüte nach jedem Reviergang für wenigstens fünf Minuten getrocknet werden, auch unbeschossen! Der vom Schuss erhitzte und wieder abgekühlte Schalldämpfer benötigt hingegen in der Regel 10 bis 20 min. Das sollte man aufgrund der Geruchsbildung entweder unter dem Vordach im Freien, im abgeschotteten Windfang oder am offenen Fenster vollziehen. Die wenigen Minuten Aufsichtspflicht lassen sich z. B. mit der Reinigung des Laufs verbinden.
Gewehrläufe zu putzen, war für mich seit eh und je ein notwendiges Übel. Den Reinigungszustand diagnostiziete stets der Blick durch den Lauf in Richtung Licht. Stumpfes Dunkel bedeutete Bedarf, helles Glänzen Sauberkeit. Was hatte ich im Laufe der Jahrzehnte nicht schon alles eingesetzt, um das gewünschte Resultat zu erzielen.
Putzstöcke mit und ohne Drehgriff, ummantelt, teilbar, mit Gewinde für Werg oder Filzpfropfen, Bürsten aus Kunststoff oder Bronze, Wollwischer, Stahlwolle, Reinigungsketten mit Zubehör
Eine visuelle Kontrolle des Laufs muss sein. Doch auch wenn das Zug-Feld-Profil silbrig glänzt, heißt es noch lange nicht, dass es sauber ist.
Dazu Waffenöl, Laufreiniger in flüssiger Form oder als Schaum. Letztere nach Gutdünken und überaus sporadisch eingesetzt. Dieses ständige Auf- und Abschrauben, Aufstecken und Abziehen war mir immer lästig.
Dass sich unterkalibrige Putzstöcke unter Druck mitunter verbiegen, dass Gewinde abbrechen, dass Filzpfropfen nach Einmalgebrauch entsorgt werden müssen, dass verschmutze Patronenlager einer Extrabehandlung bedürfen, sah ich ebenso als deren Manko an wie die Tatsache, dass Schieben weniger Druck erzeugt als Ziehen.
Als ich die erste „bore snake“ in den Händen hielt, glaubte ich, in ihr die Lösung fast aller Probleme zu erkennen. Gewicht durch den Lauf fallen lassen, an der Schnur ziehen bis das Reinigungselement durch war, fertig. Viele Jahre verfuhr ich so, war zufrieden, und die „Laufschlangen“ begleiteten mich zu allen Jagden im In- und Ausland. Als wir zu Besuch beim Präzisionspapst Andreas Atzl weilten, bat ich ihn, mal mit dem Endoskop den Innenzustand der beiden meistgeschossenen Läufe zu begutachten.
Nach Inspektion wollte er als erstes wissen, wie viele Schüsse jeweils abgegeben wurden. Dann interessierte er sich für die durchgeführte Reinigung. Nachdem ich ihm zu verstehen gab, dass ich mich immer der trockenen „bore snake“ bediente, ging ein Wetterleuchten über sein Gesicht. Da sind erhebliche Ablagerungen in beiden Läufen, Verengungen, die zur Drucksteigerung führen können. Was das bedeute, würde ich ja wohl wissen, lautete die niederschmetternde Diagnose. Zur professionellen Reinigung bräuchte er die Büchsen für ein paar Tage. Wegen der räumlichen Distanz kam der Auftrag nicht zustande, und ich sinnierte über ein praktikables, von mir durchführbares Verfahren.
„Das kriegen wir hin“, munterte mich Andreas Jakele auf, nachdem ich ihm mein Problem geschildert hatte. Zunächst demonstrierte er sein „Field Kit“ (Preis: 49 € inkl. 12 Patchstreifen), und dann wies er mich in das weitere Vorgehen ein. Das Reinigungselement besteht aus einem mit Kunststoff ummantelten Stahlseil mit Schlinge am Kopf und einem aufschiebbaren Tellergriff zum Ziehen. In die Schlinge wird kaliber-bezogen entweder ein einfacher oder ein doppelter textiler Streifen eingeführt und zugezogen. Dieser ist auf der einen Seite rau, auf der anderen glatt gehalten. Das Seil wird grundsätzlich vom Patronenlager zur Mündung hin geschoben. Zieht man nun an, säubern die Textilstreifen zunächst das Patronenlager und verlangen dann strammen Kraftaufwand auf dem Weg zur Mündung.
Das ummantelte Zugseil hält hohen Kräften stand. Auf dem Patch sind die Ablagerungen aus dem Lauf sicht- und fühlbar.
Sie drehen sich auf Züge und Felder ein und erzeugen ein deutlich vernehmbares quietschendes Reibungsgeräusch. Nebenbei: Wer die Möglichkeit hat, die Waffe in den Schraubstock zu spannen, sollte sie nutzen.
Jakele empfiehlt, die Streifen vor dem ersten Durchgang mit Waffenöl zu benetzen, durchzuziehen und sie anschließend in der Schlinge zu drehen. Dieser Vorgang ist so oft zu wiederholen, bis die begleitende Musik verebbt. Dann, so der Protagonist, dürfte der Lauf wirklich sauber sein. In meinem Fall genüge das jedoch nicht.
Es müssten bei gleicher Vorgehensweise vorhandene Ablagerungen zunächst mit dem Karbonlöser (Preis: 19 €) und in Folge mit dem Kupfer/Tombak-Löser (Preis: 24 €) in Angriff genommen werden. Beide Reiniger seien ammoniakfrei und würden den Laufstahl nicht angreifen, betont er. Wieder richtet sich die Bearbeitungsdauer nach dem Ton und wird demnach akustisch kontrolliert.
Die Patches sind passgenau auf die Kaliber abgestimmt (Nachfüllpack: 9,90 €) und farblich voneinander abgegrenzt. Es gibt sie in sechs Ausführungen. Verwechslungen wären dann fatal, wenn die Streifen für das größere Kaliber in einen durchmesserschwächeren Lauf eingeführt werden. Diese schlüpfen noch in das Patronenlager, stecken dann aber fest. Passiert das, darf auf keinen Fall in Richtung der Mündung weitergezogen werden, um das Malheur nicht zur Katastrophe auszuweiten. Denn rückwärts kriegt man den Pfropfen mit einiger Wahrscheinlichkeit noch raus, nach vorne hingegen ist Schicht im Schacht.
Achtung Farbe: Die Patches sind auf die Kaliber abgestimmt und reinigen dann wirksam. Verwechslungen verzeihen sie jedoch nicht.
Kleinere Patches wiederum blockieren nicht, verfügen aber auch nicht über den Wirkungsgrad der passenden. Wie die Laufreinigungsschnur auch, benötigen Jakeles Putzseile wenig Platz und können zusammen mit den Reinigungsstreifen überall mit dabei sein. Außerdem lassen sie sich bei 60 °C in der Maschine waschen. Neben dem Vorzug, dass Patronenlager und Lauf in einem Durchgang gesäubert werden, sticht Jakeles Lösung die Laufschlangen mit einem weiteren Trumpf: Der im Patch haftende Schmutz wird bei Wiederholung nicht erneut in den Lauf und vor allem ins Patronenlager geschmiert. Desgleichen halten die Seile samt Schlingen erhebliche Zugkräfte aus und scheuern an scharfen Kanten nicht so leicht durch wie textile Schnüre.
Reinigen mit vier Sinnen – Riechen, Sehen, Hören, Fühlen – verspricht eine neue Dimension. Und es würde wundern, wenn der Nutzer nicht auch Geschmack an der unkomplizierten wie effektiven Handhabung findet.