ANZEIGE

Seuche am Wegesrand

7102

AFRIKANISCHE SCHWEINPEST (ASP)

Die Infektionskrankheit rückt von Osten her stetig näher. Worin unterscheidet sich die ASP von der Europäischen Schweinepest? Was macht sie so gefährlich, und welche Rolle spielt der Mensch bei ihrer Verbreitung?

Tobias Thimm

Seuche
Foto: Frank Eckler

„Gehört habe ich davon natürlich schon. Aber diese Schweineseuche gibts doch aktuell nur im Ostblock, oder?“, antwortete ein befreundeter Waidmann, als das Gespräch auf die anzeigepflichtige Afrikanische Schweinepest kommt. Damit liegt er sicherlich nicht ganz falsch, denn bis zum heutigen Tage ist noch kein Fall in Deutschland aufgetreten.

Seit 2014 gab es in den osteuropäischen Staaten Estland, Litauen, Lettland und Polen bei Haus-und Wildschweinen Infektionen. Zu Beginn des Seuchengeschehens wurde spekuliert, dass die ASP in der Wildschweinpopulation aufgrund der sehr hohen Erregervirulenz entweder von selbst zum Stillstand kommen oder sich ähnlich wie bei der Fuchstollwut schnell in

Richtung Westeuropa ausbreiten würde. Keines der beiden Szenarien ist bisher eingetreten. Dabei ist davon auszugehen, dass die ASP ursprünglich von Georgien über Weißrussland ins Baltikum eingeschleppt wurde. Bis August 2016 wurden über 3 300 positive Fälle bei Schwarzwild gemeldet. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.

Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), ist führend im Bereich des ASP-Monitorings und der -forschung. Hauptarbeitsfeld des FLI ist die Gesundheit und das

Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere und der Schutz der Bevölkerung vor Zoonosen.

Das FLI pflegt auf fli.de eine Karte des ADNS (Animal Disease Notification System der Europäischen Kommission zur Afrikanischen Schweine-pest), die wöchentlich aktualisiert wird. Hier können der stetige Vormarsch der Seuche und der aktuelle Stand verfolgt werden.

„Das Gefahrenpotenzial der ASP ist schnell erklärt. Erstens beträgt die Sterblichkeitsrate nahezu 100 Prozent – fast alle Stücke, die sich anstecken, sterben. Zweitens beeinträchtigt die ASP ganz wesentlich den Handel mit Schweinen und Schweinefleischerzeugnissen. Das gilt auch für Regionen, in denen nur Wildschweine betroffen sind. De facto sind diese Regionen oder ganze Länder mehrere Jahre vom Handel ausgeschlossen“, erklärt Dr. Klaus Depner vom Institut für Epidemiologie des FLI. Die ökonomischen Verluste sind groß und vorhersehbar. Russland hält bereits heute beispielsweise an einem Importstopp von Schweinefleisch aus der EU (Europäische Union) fest. Etwa ein Viertel der EU-Schweinefleischexporte ging dorthin. Zudem sind extreme wirtschaftliche Auswirkungen auf die deutsche Tieragrarwirtschaft zu erwarten, da bei Schweinepestverdacht oft Tausende von Tieren eines verdächtigen Betriebes vorsorglich gekeult werden müssen. Dies geschah bei Ausbruch der Klassischen oder auch Europäischen Schweinepest (KSP oder ESP) beispielsweise in Niedersachsen (2001) oder Nordrhein-Westfalen (2006).

Das ASP-Virus kann von Sau zu Sau übertragen werden. Für die länderübergreifende Ausbreitung ist dieser Infektionsweg aber eher zweitrangig. Foto: Stefan Meyers

Die Viruserkrankung ASP unterscheidet sich grundlegend von der ESP. Bei der Klassischen Schweinepest kommt es eher zur Flächenausbrei

tung und zum Tod junger Stücke. Ältere Sauen bilden teilweise Antikörper und überleben. Zudem ist der Krankheitsverlauf deutlich länger. Lediglich in den Krankheitssymptomen ähneln sich die Pestarten. Die Erreger beider Seuchen sind nicht artverwandt. Auch wurde gegen die ESP bereits erfolgreich geimpft. „Bei Wildschweinen geschah dies über Schluckimpfungen“, ergänzt Depner.

Laut Angaben des FLI sind die Infektionswege der ASP, deren Hauptverbreitungsgebiet eigentlich der afrikanische Kontinent ist, vielfältig. Dort kann die Seuche beispielsweise durch die Lederzecke übertragen werden. In Mitteleuropa sind die üblichen Übertragungswege allerdings der direkte Kontakt von Sau zu Sau oder kontaminierte Gegenstände und Futter. Schweiß ist dabei besonders infektiös, was für Jäger naturgemäß eine wichtige Rolle spielt. Wie das FLI berichtet, kann aber „auch schon ein Wurstbrötchen“ (mit Rohwurst, Salami, Schinken) als Infektionsquelle dienen und ausreichen, die Seuche zu verbreiten.

Der Mensch selbst scheint dabei aufgrund seiner hohen Mobilität ein viel höheres Sicherheitsrisiko für die Verbreitung zu sein als der Kontakt von Sauenbeständen untereinander. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die ASP durch eine von Tier zu Tier durchlaufende Infektionskette von Osteuropa nach Deutschland ausbreiten wird, wie es beispielsweise bei der Fuchstollwut vor einigen Jahrzehnten der Fall war.

Fakt ist, dass der Mensch durch die Nichtbeachtung von Biosicherheitsmaßnahmen der Hauptverantwortliche für die Verbreitung der ASP ist. Mittels kontaminierten Fleisches oder Fleischwaren, die illegal aus Seuchengebieten eingeführt werden, kann jederzeit der erste ASP-Fall in Deutschland ausgelöst werden“, erklärt Depner. Insbesondere Verkehrswege und Transitstrecken spielen bei der Verbreitung eine entscheidende Rolle. „Hier sind besonders Rastplätze, zu denen Wildschweine Zugang haben und unsachgemäß entsorgte Speisereste fressen können, ein großes Risiko“, weiß Depner.

Im Klartext: Es reicht demnach aus, dass ein weißrussischer Fernfahrer sein kontaminiertes Wildsalamibrötchen auf einem Berliner Autobahnrastplatz in die Straßenböschung wirft und ein heimischer Schwarzkittel es frisst.

Bislang steht gegen die ASP noch kein Impfstoff zur Verfügung, wodurch nur hygienische Maßnahmen und eine Populationsregulation als Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Nach Depner konnten ASP-Ausbrüche beim Hausschwein schnell und problemlos getilgt werden. Der Krankheitsverlauf und die Verbreitung in Wildpopulationen erweist sich hingegen als sehr komplex und schwer kontrollierbar. Feldbeobachtungen und experimentelle Studien bewiesen, dass die ASP-Kontagiösität (Maß der

Übertragungsfähigkeit eines Krankheitserregers) im Gegensatz zur herrschenden Lehrmeinung nur gering ist.

Die baltischen Staaten und Polen arbeiten bereits eng zusammen. Gemeinsam kämpfen sie gegen die Seuche. Linda Dombrovska, Chefredakteurin lettischer und litauischer Jagdmagazine und Vize-Präsidentin der Europäischen Föderation für Jagd-und Naturschutz (FACE), beurteilt die bisher erfolgten Maßnahmen eher kritisch: „Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vermutete, dass 90 Prozent der Sauenbestände eingehen würden. Dies geschah aber nur lokal bei hohen Populationsdichten.

Trotzdem kam es in Restriktionsgebieten zu strikten Bewegungsjagdverboten. Das führte dazu, dass viele Jäger einfach keine neuen Totfunde mehr meldeten, aus Angst, nicht mehr jagen zu dürfen. Damit ging vielerorts die Jägerschaft als verlässlicher Partner zur ASP-Bekämpfung verloren.“

Auch Depner plädiert für ein Umdenken und eine entsprechend angepasste ASP-Bekämpfung. „Fest steht, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der ASP beim Wildschwein eines ganzheitlichen Ansatzes bedürfen, der über eine Entscheidung zur Populationsreduktion hinausgeht. Das Ziel müsste sein, sowohl die Anzahl und Dichte der empfänglichen Stücke drastisch zu reduzieren, um dem Virus die Lebensgrundlage zu entziehen und die Infektionskette abreißen zu lassen, als auch die infektiösen Kadaver zu entfernen, die als dauernde Ansteckungsquellen dienen können.“

Alltäglicher Anblick in den Restriktriktionsgebieten des Baltikums. Kontaminierte Kadaver werden eingesammelt.

Infektiöse Kadaver und möglicherweise auch der kontaminierte Boden unter und um den Kadaver herum können die Tierseuche in einem Landstrich binden. Somit spielt neben der Wildschweinbiologie das Habitat als Virusreservoir eine entscheidende Rolle. Solange also die Rolle des Habitates nicht vollständig verstanden ist, wird eine Bejagung allein den Erfolg nicht bringen. In Analogie zur Bodenseuche Milzbrand könnte man daher bei der ASP beim Wildschwein von einer Habitatseuche sprechen, da die an der ASP verendeten Wildschweine, die in Wäldern sehr schwer auffindbar sind, die Seuche über Monate oder Jahre in einer Region binden können.

Früherkennung hat oberste Priorität

INTERVIEW

Veterinär Dr. Klaus Depner vom Institut für Epidemiologie des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, beantwortet Fragen zur Bedeutung und Auswirkung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) für Jagd und Jäger.

Ein Totfund ohne erkennbare Todesursache im Revier: Was nun? Foto: Linda Dombrovska

WuH: Was wird sich für die Jägerschaft ändern, wenn die ASP Deutschland erreicht?

Dr. Depner: ASP ist eine anzeigepflichtige Tierseuche und wird sehr konsequent bekämpft. In den betroffenen Gebieten können Maßnahmen getroffen werden, die vielleicht die Jagd einschränken oder sogar komplett verbieten. Die geschossenen Wildschweine müssen alle auf ASP untersucht werden. Zudem dürfen keine Wildschweine oder Teile von Wildschweinen aus den Gebieten verbracht werden.

WuH: Woran erkenne ich am lebenden Stück eine ASP-Infektion? Sind die Stücke verhaltensauffällig?

Dr. Depner: An einem kranken lebenden Stück kann nur der Verdacht der ASP erhoben werden. Das Hauptsymptom der ASP ist sehr hohes Fieber mit etwa 42 °C. Daher suchen diese Stücke feuchte schattige Stellen auf, um sich abzukühlen, beispielsweise bleiben sie in der Suhle liegen. Fieberbedingt zeigen sie mitunter eine verringerte Fluchtbereitschaft oder andere Auffälligkeiten, wie Bewegungsunlust und Desorientiertheit. Durchfall und Blutungsneigung (Nasenbluten, blutiger Durchfall, Hautblutungen) können ebenfalls auftreten. Die Erkrankung betrifft alle Altersklassen und Geschlechter gleichermaßen und führt meist zum Tod des Tieres innerhalb einer guten Woche.

WuH: Was ist bei einem Totfund zu beachten?

Dr. Depner: Ein Totfund – auch ohne ersichtliche Todesursache – sollte auf jeden Fall der Veterinärbehörde gemeldet werden. Zwecks ASP-

Diagnostik müssen dann Proben, beispielsweise Tupferprobe oder Gewebeprobe, für die Laboruntersuchungen entnommen werden. Dies kann unter Umständen der geschulte Jäger auch selbst tun. Danach sollte, wenn möglich, der Kadaver unschädlich entsorgt werden.

WuH: Bergen Wildschwein-Trophäen (Gewaff, Schwarte) aus Restriktionsgebieten wie Weißrussland ein Infektionsrisiko?

Dr. Depner: Trophäen und Schwarzwildprodukte aus ASP-betroffenen Regionen können ein Risiko darstellen. Weißrussland gilt als endemisch durchseuchtes ASP-Gebiet. Daher dürfen keine Teile, die vom Wildschwein stammen, eingeführt werden. Das Gleiche gilt auch für die Ukraine und Russland sowie für die Restriktionsgebiete im Baltikum und Polen.

WuH: Gibt es ASP-verdächtige Merkmale beim Aufbrechen?

Dr. Depner: Beim Aufbrechen sollte auf vergrößerte, blutige Lymphknoten, eine vergrößerte Milz und feine, punkt- oder flächenförmige Blutungen in den Organen, der Haut oder Unterhaut geachtet werden. Die Lunge und die Atemwege sind häufig mit Schaum gefüllt. Das Fehlen solcher Auffälligkeiten schließt jedoch nicht aus, dass es sich dennoch um Schweinepest handelt!

WuH: Jagdstiefel und Messer kamen mit Schwarzwildschweiß in Kontak. Bergen die Gegenstände ein Infektionsrisiko? Wie müssen diese behandelt oder desinfiziert werden?

Dr. Depner: Kleinste Bluttropfen reichen für eine Infektion aus! Daher birgt Jagdausrüstung, die Schweißkontakt hatte, ein sehr hohes Infektionsrisiko. Dazu gehören auch Stiefel, Lappen, Wildwannen, Messer und Kleidungsstücke. Hygiene ist darum bei der Jagd besonders wichtig. Kleidung sollte als Kochwäsche gewaschen werden. Gegenstände können mit entsprechend wirksamen Mitteln desinfiziert werden, beispielsweise ameisen- und peressigsäure-basierte Produkte wie „Venno Vet 1“ oder „Menno Chemie“.

WuH: Die Stücke infizieren sich meist über den oralen Weg. Oft über kontaminierten Fraß oder tote Artgenossen. Wie ist das zu verstehen?

Dr. Depner: Eine effektive Ansteckung findet in der Regel im Endstadium der ASP-Erkrankung statt, meist wenn das infizierte Stück bereits verendet ist und nicht infizierte Sauen am Kadaver schnüffeln, lecken oder davon fressen.

WuH: Wie lange bleibt das Virus infektiös, beispielsweise an einer an ASP eingegangenen Sau?

Dr. Depner: Das ASP-Virus ist in der Umwelt relativ stabil. Es bleibt auch unter den Bedingungen des Verwesungsprozesses mehrere Wochen bis Monate infektiös. In Schlachtkörpern und Blut ist das Virus monatelang, in Gefrierfleisch jahrelang vermehrungsfähig. Allerdings wird das Virus bei 60 °C innerhalb von 20 Minuten inaktiviert. Somit können Kadaver infizierter Sauen und Fleischwaren wichtige Infektionsquellen darstellen.

WuH: Welche Maßnahmen schlagen Sie innerhalb der EU vor?

Dr. Depner: Die Europäische Kommission hat schon lange bevor die Seuche die EU erreicht hat die Gefahr erkannt und entsprechend reagiert. Besonders die Osteuropäischen EU-Staaten wurden sensibilisiert beispielsweise über Trainingskurse. Handlungsbedarf besteht nach wie vor in einer Optimierung und grenzübergreifen-den Harmonisierung der Bekämpfungs-

maßnahmen. Da die ASP beim Wildschwein aus Sicht der Seuchenbekämpfung Neuland war, mussten alle beteiligten Akteure viel dazulernen. Es gab und gibt nach wie vor kein Patentrezept, wie man die Seuche beim Wildschwein am effizientesten tilgen kann.

WuH: Wie können Jäger helfen, die Ausbreitung der ASP zu bekämpfen?

Dr. Depner: Die wichtigste Maßnahme ist, alle Totfunde – auch schon verweste Stücke – zu melden, damit schnellstmöglich eine Beprobung durchgeführt werden kann. Je schneller ein positiver Fall entdeckt wird, desto erfolg-versprechender sind die anschließend durchzuführenden Maßnahmen. Die Früherkennung der Seuche ist jetzt für Deutschland das allerwichtigste Ziel.

Fachtierarzt für Virologie, Leiter der Arbeitsgruppe Internationale Tiergesundheit des Instituts für Epidemiologie am Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot