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Brunos Tagebuch

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Aufzeichnungen eines Problembären.

Dschei-Dschei-won
Aufgewachsen bin ich im Trentino. Meine Mutter war voll krass. Sie selber kam aus Slowenien. Meinem Bruder und mir hat sie alles beigebracht, was man zum Überleben braucht: Schafe killen, Bienenstöcke ausnehmen, Hühnerställe knacken und so. ‘Ne wichtige Lehre hat sie uns auch mitgegeben: Niemals an einen Tatort zurückkehren. Nur Trottel kehren zurück und brauchen danach nirgends mehr hin. Dort wirst du vergiftet oder erschossen. Gelegentlich sind die gefährlichen Zweibeiner bei unseren Überfällen und Brüchen aufgeregt fuchtelnd umeinander gehüpft, um uns zu verscheuchen. Aber in der ersten Aufregung waren sie zu nix fähig.
Irgendwann waren mein Bruder und ich auf uns gestellt. Wir haben uns getrennt, und ich hab ihn seitdem auch nicht mehr gesehen. Habe gehört, dass Dschei-Dschei-two ein paar heiße Aktionen in Österreich gebracht hat. Irgendjemand hat ihm dann eine Kugel verpasst – that´s life. Im Norden soll es übrigens schöne Bären-Weiber geben. Habe mich deshalb mal auf die Sohlen gemacht, um das zu überprüfen. Zunächst hat mich aber eine Blechkarrosse am Brenner angefahren. Gott sei Dank blieben alle Knochen heil.

4. Mai:

Hab mich mal schnell in Reschen (Italien) an einem Hühnerstall bedient. Chicken-Mc-Nuggets sind einfach geil.

10. Mai:

St. Gallenkirch (Österreich). Das Schaf wollte einfach nicht freiwillig aus dem Stall kommen, also bin ich hineingegangen. War gar nicht so schlecht.

11. Mai:

Gargellen. Da stand doch schon wieder ein Schaf im Weg.

14. Mai

St. Anton in Österreich erreicht. Wandern macht hungrig. Hab mir im Vorbeigehen ein Schaf gegönnt.

16. und 17. Mai

Häselgehr. Immer nur Schaf ist auch langweilig. Zwei Bienstöcke geknackt.

20. Mai

Graswangtal. Bin wohl endlich im Gelobten Land, in Deutschland, angekommen. Einwanderer sind hier sehr willkommen. Bin hier sogar „Tier des Jahres“ – Wow. Überall gibt es genug zu fressen. Hab mich mal richtig bedient. Drei Schafe im Graswangtal, vier in Farchant. Haben ein Heidenspektakel gemacht die Mistviecher. Hat ein bisschen gedauert bis endlich Ruhe im Pferch war.

21. Mai

Farchant. Hier gefällt’s mir. Echt coole Gegend. Kleiner Imbiss im Hühnerstall und vier Schafe im Rachen. So rund 100 Kilo Idealgewicht wollen gehalten werden.

22. Mai

Muss mich mal richtig einführen. Vier Schafe, 11 Hühner und ein paar Zuchttauben am Eibsee waren nicht schlecht. Habe glaube ich die richtige Performance abgeliefert. Seitdem wollen ein Haufen Zweibeiner ein Foto von mir machen.

23. Mai
Man die sind vielleicht krass. Jetzt hat der Stoi-bär mich mal schnell vom Schad-Risiko-Problembär gemacht. Jetzt sollen mir die Jungs von der Lodengang auf den Pelz rücken.Genauso wie dem Onkel meines Ur-Ur-Ur-Großvaters in Ruhpolding. Das war vor 170 Jahren. Abschussgenehmigungen gibts auch schon. Beim ersten Treffen haben sie aber mal gleich ihre Kanonen zu Hause gelassen. Nix mer los mit den Jungs. Muss mich mal schnell aus dem Staub machen.
Gott sei Dank gibt’s noch ein paar Teddy-Fans. Die haben für mich schon protestiert. Seitdem fahren sie mit einer riesen Konservenbüchse im Wald rum, als würde ich wie der vertrottelte Bärenmarken-Bruno in die Röhre krabbeln.

24. Mai
Wieder in Tirol. Die österreichische Lodentruppe will nicht zu ihren Ballermännern greifen. Denen ist das Thema zu heikel. Bin ja schließlich ein seltenes Exemplar.
Der bayerische Minister Schnappauf hat sich’s jetzt auch anders überlegt. Er will mich jetzt auch lieber fangen. Der Papst hat gemeint, ich wäre außerdem ein Abgesandter aus dem Vatikan und kündige sein Kommen an – was Weihrauch so alles anrichtet.

2. Juni

Weil die Jäger in Österreich nicht schießen wollen, soll das Bundesheer eingreifen. Der Aufwand ist doch zuviel der Ehre. Die Bayern trauen ihrer eigenen Lodengang nicht zu, dass sie mir einen reinbrennen. Gut so. Jetzt sollen’s rumänische Cracks richten. Finnen sind auch im Gespräch.

4. Juni

Klais bei Garmisch. Hatte einen ganz schönen Kohldampf. Drei Schafe links gemacht. So ne mistige Ziege ist mir ausgekommen. Hat aber nach dem ersten Schlag recht blöd aus der Wäsche geschaut.

5. Juni
Im Wirthaus in Mittenwald haben sie noch über mich gelacht. Aber während es in der Wirtstube noch rund ging habe ich direkt daneben mal drei Wollpulloverträger geknackt.
Ein süßer, schnuckeliger Zoodirektor will mir jetzt mit einem Blasröhrchen einen Betäubungspfeil in den Arsch schießen. Ist der nicht witzig?

6. Juni

Jetzt sollen doch ein paar Finnen mit ihren Stinkkötern mir auf die Pelle rücken.
Noch viel witziger sind die Jungs vom WWF, die sich angeblich mit meiner Sippe so gut auskennen. Die lassen extra in Amerika eine Falle für mich bauen. Mit der fahren sie jetzt eifrig hinter mir im Wald her. In Moskau schreibt die Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“, dass die Deutschen dem listigen Einzelkämpfer nicht gewachsen seien. Endlich hat es einer erkannt.

8. Juni
Habe von Mama einen Gruß bekommen. Habe ein paar Halbbrüder gekriegt – Dschei-Dschei-Three, Dschei-Dschei-Four und Dschei-Dschei-Five. Ist ganz schön fruchtbar die alte „Hippe“.
 
 
Die Super-Biologen vom WWF haben zugegeben, dass man so einen wie mich noch nie gefangen hat. Aber vorher dick die Waffel aufreißen.

9. Juni

Endlich wird’s sportlich. Die finnischen Bärenhunde sind da und warten auf ihren Einsatz. Na dann zeigt mal was ihr drauf habt. In nur zwei Wochen soll ich erledigt sein. Da kann ich ja nur lachen.

11. Juni

Die Finnen sind im Wald auf einen von der Tiroler Lodengang getroffen. Mit ihren unterschiedlichen Dialekten sind sich die Brüder einfach nicht einig geworden, und schon bei der gegenseitigen Vorstellung ihrer Namen gescheitert. Gestatten „Toni“, sagt der eine, „Karjalankarhukoira“ der andere, die Jagd war danach vorbei, weil der Tiroler meinte, beleidigt worden zu sein. So wird das nix mit der Jagd, und ich dachte, es wird sportlich. Habe mir derweil auf der Ganalm ein paar Stallhasen reingezogen.

14. Juni
Musste mich mal wieder in der Presse melden, weil die Bärenhunde so gar keine Spur von mir finden. Einem Hobbyfotograf hab ich im Engtal ein paar „Schüsse“ gestattet. Der hat gezittert wie Lämmerschwanz und dabei fast seinen Fiffi an der Leine erhängt, deshalb sind die Fotos nicht ganz scharf.
‘Ne Stunde später war die Finnentruppe da. Aber die Köter haben in ihren Norwegerpullis geschwitzt wie die Affen. Wer mehr schwitzt als sucht, kann mich eben auch nicht finden. Schweißhund bekommt da eine ganz neue Bedeutung. Jetzt haben sie die Jungs rasiert. Die sehen aus wie Hundehäftlinge aus Guantanamo Bay.
Dann ist noch so ein dämliches Kamerateam auf meiner Spur rumgetreten.

15. Juni

Bin rund um den Sylvensteinspeicher unterwegs. Hab ein paar Boys das Grillen im Freien abgewöhnt und mal kurz ein Auto angeschubbst. Die ganze Nacht sind die Profis vom A-Team im Wald rumgekraucht. Zum Schluss waren es fast 30 Mann. Aber was soll ich sagen. Eine anständige Bärenhatz stell ich mir anders vor.

16. Juni

Habe am Brauneck mal einen Blick in eine Hütte riskiert. Hysterisch hat der Mann, wohl ein Tourist, rumgeschriehn, als wollte ich seine Alte fressen. Der soll sich bloß nichts einbilden. Auch Bären haben ihren Stolz. Kurze Zeit später haben sie das ganze Urlaubsgebiet gesperrt und eine Seilbahn angehalten. Bald darauf waren die Finnen da. Verzweifelt hat sich dann einer der Köter die Nase im Wald angekratzt, ein bisserl geblutet und einen Riesentanz gemacht. Angeblich soll er mich gestellt haben. Das ich nicht lache. Das war ein klarer Fall von verzweifelter Selbstverstümmelung.

17. Juni

Habe einen kleinen „Kuraufenthalt“ in Kochel am See eingelegt. Riesen Aufregung in der Fußgängerzone. Ich bin eben berühmt. Vor der örtlichen Polizei habe ich eine kleine Rast eingelegt – Da war nix mehr mit Streife. Wer fängt hier eigentlich wen? Als kleinen Appetit-Happen habe ich mir einen Stallhasen und ein Meerschweinchen durch die Zähne gezogen. Dessert an einem Bienenstock.

18. Juni

Schade, dass ich nicht die Urheberrechte an einem neuen Internetspiel habe, das es unter http://www.brunoderbaer.de gibt. Dort versuchen Jäger, meinem virtuellen Ego einen Betäubungspfeil in den Arsch zu schießen.

19. Juni

Irgendjemand hat ausgerechnet, dass die Jagd auf mich schon 100 000 Euro gekostet hat. Das muss viel sein. Umgerechnet bekäme ich dafür rund 500 leckere Schafe. Mann, nie mehr arbeiten, das wäre doch was für einen gebürtigen Italiener slowenischer Abstammung. Aber die Deutschen geben das Geld immer an der falschen Stelle aus.

20. Juni

Erst ist es die Hitze, jetzt ist es der Regen, dann die Kondition. Irgendwie kommen mir Zweifel, ob die Finnen mit ihren Töhlen tatsächlich wegen mir im Wald sind. Die wollen doch hier im schönen Bayern einfach nur Urlaub machen. Wenn die Fährte älter ist als ein Tag und es noch mehr als 20 Grad hätte, wären die Köter überfordert, heißt es. Schöne Jagdhunde sind das.

21. Juni
Bislang waren Profis auf meiner Spur. Jetzt soll der „absolute“ Profi kommen. Ach du lieber Gott. Raiku heißt der Penner. Der Superhund mit neun Jahren trägt ebenfalls einen fettigen Norwegerpulli und soll schon 50 meiner Gang gekillt habe. Uuuuuh gefährlich.
Er soll ganz, ganz schnell zum Erfolg kommen, sonst soll die bayerische Lodengang wieder ran.

22. Juni

Langsam macht sich bei meinen Verfolgern Ratlosigkeit breit. Erst war ich kurz am Achensee, mal schnell ein Bad nehmen und ein paar Hühner vespern. In Wildbad Kreuth dann eine Hauptmahlzeit mit zwei Schafen und dem Honig aus einem Bienenstock. Die Finnen sollen nur noch bis zum Wochenende bleiben. Sie tingeln durch Tirol, um nicht vorhandene Fährten zu suchen. Jetzt haben die nordischen Profi-Jäger zugegeben auch Lockstoffe dabei zu haben, die aber bei der Hitze nichts nützen würden. Apropo Lockstoffe. Die Bärenexperten vom WWF wollten mir jetzt ein Weib organisieren. „Nora“ ist ihr Name. Die Sache hat nur einen Haken. Die Lady ist doppelt so schwer und vor allem vier Mal so alt wie ich. Auf die könnten sie soviel Parfüm oder Sexuallockstoff schütten, wie sie wollen. Wer will es denn schon mit seiner stinkenden, übergewichtigen Oma treiben? Da knöpf ich mir lieber den Pfleger vor, der die senil-brunftige Lock-Nora mit dem Rollstuhl durch den Wald schiebt.

23. Juni
Ich glaube, jetzt wird es richtig gefährlich. Claudia Diewald vom Frauen-Jagdverein „Weiberrevier“ meinte, bei der Hatz auf mich seien die falschen Leute engagiert worden und brachte sich mit eigener Hundemeute und Tierarzt ins Gespräch. „Weiber auf zum Bärenfang“, hoffentlich vergisst sie dabei ihren Lippenstift und die sexy roten Pumps nicht. Übrigens ich stehe auf rote Bären.
 
Die Finnen tun mir schon ein bisserl leid. Am Montag ist der Urlaub vorbei, die meisten müssen heim, nix als Ärger hatte man und überhaupt der ganze Frust. Jetzt hat sich zum Überfluss auch noch eins der Hündchen im Berg verlaufen.

24. Juni

Ich kann weder singen, noch tanzen. Trotzdem krieg ich eine eigene Show, und jetzt bin ich ein Star. Meine Homepage www.brunoderbaer.de hat täglich 50 000 Zugriffe, es gibt T-shirts mit „Mich kriegt ihr nicht“ und ein Bruno-Song trällert durchs Radio. Meine Leistung besteht darin Schafe zu killen, Hühner- und Haseställe zu knacken und Bienenstöcke zu plündern. Und: Ich habe bewiesen, dass die Finnen trotz Pisa-Studie und Bärenvorkommen nicht die besseren Bärenjäger sind. Dafür lieben mich meine Fans.

25. Juni
Nach 500 Kilometern Verfolgung und 10 000 Höhenmetern, die von meinen Flachland-Finnen überwunden wurden, haben sie schon am Freitag entnervt aufgegeben und sind mit ihren Wau-Waus abgerückt. Hab mich über Nacht ins Spitzingsee-Gebiet abgesetzt und mir mal schnell zwei Schafe zum Abendessen einverleibt. Soll eine gefährliche Gegend sein. Die Jungs von der Lodengang hier schießen scharf. Diese Erfahrung soll der Einwanderer „Steinbock“ gemacht haben, den sie hier mal schnell als Rothirsch übern Haufen schossen.
Bislang bin ich nur Mountainbikern und Wanderern begegnet. Wahrscheinlich alles nur Gerüchte.
 
Hier enden die Aufzeichnungen von Bruno. Bereits am ersten Tag der neuen Woche, in der eine neue Abschussverfügung des Umweltministeriums herausgegeben werden sollte, haben Bayerische Berufsjäger am frühen Morgen kurz vor 5 Uhr „Bruno“ im Rotwandgebiet erlegt .
Eine groteske vierwöchige Hatz geht damit zu Ende. Zum Schluss wollten sogar noch irgendwelche Paradiesökologen vom Bund Naturschutz in Bayern mit Bärenkostümen durchs Spitzingseegebiet hüpfen. Die Super-Tierschützer vom Bayerischen Tierschutzbund forderten weiter den Bären einzufangen und in einen Käfig im Tiergarten Poing zu sperren, wo er den Rest seines traurigen Daseins hätte noch verbringen dürfen und irgendwann unter den Augen der gaffenden Menge verendet wäre. Ein Tierschützer, der die Einkerkerung auf wenigen Quadratmetern für einen fordert, der einem Team aus Biathleten und Marathonläufern, mit Spezialhunden und High-Tech-Ausrüstung ein ebenbürtiger, wenn nicht sogar überlegener Kontrahent, war, sollte sich schleunigst mit etwas anderem beschäftigen. In den letzten Wochen legte Bruno über 300 Kilometer auf einer Fläche von 6 000 Quadratkilometern zurück und zeigte damit, was er unter Freiheit verstand.

hho

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