Pächter muss zahlen
Wenn Gemüse zum Feldgewächs wird
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Der Wildschaden, der an Weinbergen, Gärten, Obstgärten, Baumschulen, Alleen, Einzelstehenden Bäumen, Forstkulturen, die durch Einbringen anderer als der im Jagdbezirk vorkommenden Hauptholzarten einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, oder Freilandpflanzungen von Garten- oder hochwertigen Handelsgewächsen entsteht, wird, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen. § 32 Abs. 2 Bundesjagdgesetz II. Der Sachverhalt
Landwirt L. betreibt feldmäßigen Spargelanbau im südlichen Niedersachsen. Im Frühjahr
2002 wurden seine Pflanzen von Dam- und Rehwild verbissen, es entstand ein Schaden
von über 15 000 Euro. Die Felder waren nicht eingezäunt. Die Gemeinde erließ einen Vorbescheid, durch den die Pächter zu vollem Ersatz verpflichtet wurden. Diese gingen vor Gericht. Sie beantragten die Aufhebung des Vorbescheids, weil Spargel ein Gartengewächs sei, so dass die Felder durch übliche Schutzvorrichtungen hätten geschützt werden müssen. Ohne solche Anlagen gebe es keinen Ersatz.
III. Das Urteil
Das Amts- und Landgericht gab den Pächtern Recht. Denn Spargel sei eine Gemüsepflanze, so dass er vom Landwirt hätte eingezäunt werden müssen. Das gelte auch dann, wenn der Spargel feldmäßig angebaut werde. Der Bundesgerichtshof war jedoch anderer Ansicht. Er hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Gartengewächse seien Gemüse-, Obst- und Zierpflanzen, die üblicherweise in Gärten und in der für Gärtnereien typischen
Anbauweise gezogen würden, ohne dass es darauf ankomme, ob der Anbau groß oder klein sei oder gewerbsmäßig oder nur für den eigenen Bedarf erfolge. Wenn aber der feldmäßige Anbau in einem größeren Gebiet derart im Vordergrund stehe, dass der gartenmäßige Anbau kaum noch eine Rolle spiele, könne ein Gartengewächs zu einer Feldpflanze werden. Hierfür sei im einzelnen erforderlich, dass der Anbau in einem „größeren Gebiet“ erfolge, das jedenfalls über den Bereich eines Landkreises „erheblich“
hinausgehe; dass der Anbau feldmäßig betrieben werde und dem gartenmäßigen
Anbau kaum noch eine Bedeutung zukomme; dass dem Anbau in der landwirtschaftlichen
Erzeugung der betreffenden Region „einiges Gewicht“ zukomme und dass es sich um eine nachhaltige, bereits über Jahre andauernde Entwicklung handle. Inwieweit diese Voraussetzungen gegeben seien, sei anhand von gutachterlichen Äußerungen der Landwirtschaftskammern oder anderer landwirtschaftlicher Sachverständiger zu klären.
Schließlich sei Spargel auch kein hochwertiges Handelsgewächs. Denn hochwertige
Handelsgewächse seien nur solche Pflanzen, die nicht für den direkten Endverbrauch geeignet seien. Sie dienten als Rohstoff für die Be- oder Verarbeitung zu wertvollen Handelswaren. Spargel sei jedoch zum direkten Verbrauch bestimmt, so dass er trotz seines hohen Preises kein Handelsgewächs sei. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.7.2004 – 111 ZR 359/03 –
IV. Ergebnis
1. Nach diesem Urteil kann also eine Pflanze (etwa Gemüse, Obst) ihre Eigenschaft als Gartengewächs verlieren und als Feldgewächs einzustufen sein. Das hat dann zur Folge, dass der Geschädigte auch ohne Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen Ersatz der Wildschäden verlangen kann.
2. Hierzu genügt aber nicht allein schon ein feldmäßiger Anbau. Hinzukommen muss als
weitere Voraussetzung, dass dieser Anbau seit Jahren in einem größeren Gebiet nachhaltig
betrieben wird und einen nicht unerheblichen Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtproduktion einnimmt.
3. Die Mindesthöhe dieses Anteils wird nicht exakt festgelegt. Als Mindestgröße wird eine
Fläche genannt, die erheblich über das Gebiet eines Landkreises hinausgeht.