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286 JVG – Jagdunfall auf einer Treibjagd

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286 JVG – Jagdunfall auf einer Treibjagd, Schrotgarbe traf Nachbarschützen

286 JVG
FOTO: SVEN-ERIK ARNDT

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit … eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus  entstehenden Schadens verpflichtet.“ § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch „Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“ § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Der Sachverhalt
In einem süddeutschen Revier fand eine Böhmische Streife statt. Jägerin J. ging in der  Formation mit, sie führte ihre Flinte mit abgeknickten geladenen Läufen. Als plötzlich in ihrer Nähe der Ruf „Hase“ erschall, schloss sie die Waffe. Dabei löste sich ein Schuss in Richtung schräg nach links, der ihren Nachbarschützen schwer verletzte. Neben Verletzungen an der Augenbraue, im Thorax- und Halsbereich sowie an beiden Armen wurde der rechte Daumennerv zerfetzt. In einer neunstündigen Operation wurden 14 Schrotkörner entfernt, weitere zehn bis zwölf mussten im Körper verbleiben, weil sie zu dicht an den Nervenbahnen lagen. Über einen längeren Zeitraum folgten weitere  Operationen und Behandlungen. Zurück blieb eine 20-prozentige Arbeitsunfähigkeit auf Dauer. Das Amtsgericht verurteilte J. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die Jagdhaftpflichtversicherung der Jägerin ersetzte die medizinischen Behandlungs und Rehabilitationskosten, über das  Schmerzensgeld und den Ersatz künftig noch eintretender Schäden konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. Der verletzte Jäger ging daher vor Gericht.

III. Das Urteil
Das Landgericht verurteilte J. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 17 500 Euro. Außerdem stellte es fest, dass J. verpflichtet ist, alle materiellen und immateriellen  Schäden zu ersetzen, die in Zukunft aufgrund der erlittenen Verletzungen noch eintreten werden. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass J. die  Körperverletzung fahrlässig verursacht habe. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Schuss von ihr abgegeben oder sich von selbst gelöst habe. Denn J. habe selbst erklärt, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalles wegen des dichten Unterholzes keinen Sichtkontakt zu dem Verletzten gehabt habe. In dieser Situation stelle das Schließen der geladenen Waffe mit Schussrichtung schräg nach links ein fehlerhaftes Verhalten dar. Vor Abgabe eines Schusses sowie vor dem Schließen einer geladenen Flinte müsse sich  jeder Jäger vergewissern, dass in Schuss- und Schließrichtung niemand gefährdet werde. Diese Grundregel habe J. missachtet, da sie nicht gewusst habe, wo sich ihr Nachbarschütze befunden habe. Ein Mitverschulden des Verletzten ergebe sich nicht daraus, dass er nach Angaben der Jägerin nicht auf gleicher Höhe in der Reihe mitgegangen sei. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er nur wenige Schritte zurückgeblieben oder J. ihrerseits einige Schritte vorgezogen sei. Unter Berücksichtigung des nur leichten Grades der Fahrlässigkeit, der Schwere der Verletzungen sowie der dadurch verursachten lange andauernden Schmerzen, Leiden und Einbußen an Lebensqualität sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 17 500 Euro angemessen. Der Verletzte habe zehn Tage in der Klinik verbracht, der Heilungsprozess habe sich mit weiteren Operationen und Behandlungen über zwei Jahre hingezogen und schließlich Dauerschäden nicht verhindern können. Landgericht München I, Urteil vom 21.9.2005 – AZ 20 O 7772/04 –

IV. Anmerkungen
1. Gesellschaftsjagden Der Fall zeigt wieder einmal, wie sehr man auf Gesellschaftsjagden auf das Gelände, die mitwirkenden Jäger und Treiber sowie einen sicheren Hintergrund (Kugelfang) achten muss. Ein Schuss gegen eine Schilfwand, eine Dickung, ein Gebüsch oder ein Maisfeld hat schon manchen das Leben gekostet, der sich darin aufgehalten hat. Bei plötzlich hoch werdendem Wild fixieren die Augen nur allzu leicht allein den Wildkörper. Umgebung und Hintergrund werden kaum wahrgenommen. Es  bedarf einiger Erfahrung, den Schuss so lange zurückzuhalten, bis die Umgebung sicherheitsmäßig überprüft und verarbeitet ist. Nach Angaben von J. habe die Streife zur Zeit des Unfalles ein „äußerst dichtes Dickicht“ durchquert, was den fehlenden Sichtkontakt zum Verletzten und das Abkippen der Läufe erklärt. In solchem Gelände ist ein gefahrloses Schließen der Flinte nur mit Laufrichtung nach unten möglich, keinesfalls horizontal zur Seite hin. Deshalb bestimmen die Unfallverhütungsvorschriften vom 1.1.2000:
dass die Mündung immer in eine Richtung zu halten ist, in der niemand gefährdet wird;
dass ein Anschlagen und Schießen in Richtung anderer Personen zu unterbleiben hat (hierzu gehört auch das Schließen geladener Flintenläufe in diese Richtung);
dass ein Durchziehen durch die Schützen- und Treiberlinie unterbleibt;
dass das Mitführen geladener Waffen den Durchgeh- und Treiberschützen grundsätzlich nicht erlaubt ist, außer bei Feldstreifen, Kesseltreiben und Streifen in übersichtlichem Gelände nach Entscheidung des Jagdleiters. Ausnahmsweise zulässig ist ferner das Mitführen der Waffe mit entladenen Läufen (Patronenlager) für den Eigenschutz, den Fangschuss und den Schuss auf vom Hund gestelltes Wild (zum Beispiel den unterladenen Repetierer). Ob das Gelände den obigen Anforderungen entsprach, ist dem Urteil nicht sicher zu entnehmen. 2. Schmerzensgeld Ein Schmerzensgeld setzt  voraus, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Körperverletzung oder  ähnlichen Beeinträchtigung besteht. Das bedeutet in der Regel, dass der Verpflichtete schuldhaft, also mindestens leicht fahrlässig gehandelt hat. Die Höhe des  Schmerzensgeldes richtet sich vor allem nach dem Ausmaß des Verschuldens des Täters, der Schwere der Verletzungen, der Dauer der Beeinträchtigungen, der bleibenden Schäden und den Einschränkungen in der Lebensqualität. Die Tendenz der Gerichte ist eher zurückhaltend, amerikanische Verhältnisse gibt es hier nicht.  3. Jagdhaftpflichtversicherung Der Ersatzpflichtige hat außer den bereits eingetretenen Schäden auch alle künftigen zu ersetzen, die auf die Verletzungen zurückzuführen sind. Das kann unübersehbare Folgen haben. All diese Schäden erstattet die Jagdhaftpflichtversicherung – aber nur bis zur Höhe der Versicherungssumme. Gehen sie darüber hinaus, haftet der Ersatzpflichtige mit seinem gesamten eigenen Vermögen für den überschießenden Teil. Da kann es schnell passieren, dass Haus und Bankguthaben verloren sind. Deshalb sollte man unbedingt eine höhere Versicherungssumme wählen, die  Mehrkosten sind gering, der Schutz aber umfassend.

V. Ergebnis
1.Ebenso wie das Schießen hat auch das Schließen der geladenen Flinte nur in eine Richtung zu erfolgen, in der niemand gefährdet wird (einsehbarer Kugelfang).
2. Nach den Unfallverhütungsvorschriften dürfen bei Niederwildjagden Durchgeh- und Treiberschützen während des Treibens grundsätzlich nur entladene Schusswaffen mitführen, außer bei Feldstreifen, Kesseltreiben und sonstigen Streifen, die nach Entscheidung des Jagdleiters in übersichtlichem Gelände stattfinden.
3. Auch alle künftigen Schäden, die auf den Unfall zurückzuführen sind, müssen ersetzt werden.
4. Bei Körperverletzungen gibt es in der Regel auch ein Schmerzensgeld. Dieses gleicht keinen Schaden aus, sondern ist als Trost für die erlittenen Schmerzen, Leiden und Entbehrungen gedacht.
5. Die Jagdhaftpflichtversicherung ersetzt alle Schäden und zahlt auch das  Schmerzensgeld, aber nur bis zur Höhe der Versicherungssumme.

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