297 JVG Auskehrungsanspruch des Jagdgenossen, Nur Bares ist Wahres
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Die Jagdgenossenschaft beschließt über die Verwendung des Reinertrages aus der Jagdnutzung. Beschließt die Jagdgenossenschaft, den Betrag nicht an die Jagdgenossen nach dem Verhältnis des Flächeninhaltes ihrer beteiligten Grundstücke zu verteilen, so kann jeder Jagdgenosse, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat, die Auszahlung seines Anteils verlangen. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Beschlussfassung schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstands geltend gemacht wird.“ § 10 Abs. 3 BJagdG
II. Der Sachverhalt
E. war Eigentümer mehrerer Grundstücke eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks mit einer Gesamtfläche von rund 28 Hektar. Durch Beschluss der Jagdgenossenschaft wurde die Verwaltung des Jagdbezirks dem Gemeinderat übertragen. Gleichzeitig beschlossen die Jagdgenossen, auf eine Auszahlung des Reinertrags zu verzichten und diesen der Gemeinde für die Unterhaltung der Wege im Jagdbezirk zu überlassen. Auch E. stimmte diesem Beschluss zu. Drei Jahre später verlangte E. die Auszahlung seines Anteils am Reinertrag für die künftigen Jagdjahre. Die Gemeinde verweigerte dies und wies darauf hin, dass E. dem Beschluss über den Verzicht auf die Auszahlung zugestimmt habe. Hieran sei er gebunden. E. war damit nicht einverstanden. Vor Gericht bestand er auf Auszahlung seines Anteils.
III. Das Urteil
Das Gericht gab E. Recht. Es verurteilte die Gemeinde, den geforderten Betrag an E. auszuzahlen, da dieser seinen zeitlich unbegrenzt erklärten Verzicht auf seinen Anteil schriftlich und damit wirksam für die Zukunft widerrufen habe. E. sei daher fortan so zu behandeln, als habe er dem Beschluss ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugestimmt. Damit sei er – wieder – forderungsberechtigt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Ur teil vom 25.4.1972 – I C 1.71 -, RdL 1972, S. 177). Die von der Gemeinde geltend gemachten Einwendungen seien unerheblich. Weder sei relevant, dass eine Verwendung des Reinertrags für den Wegebau im Revier üblich sei, noch sei das Vertrauen der Gemeinde auf Erhalt des vollen Reinertrags aus jedem Jagdjahr geschützt. Vielmehr habe die Gemeinde auf Grund des Widerrufs und Auszahlungsantrags ohne weiteres voraussehen können, dass E. künftig seinen Anteil am Reingewinn ausgezahlt haben wolle. Insoweit sei die Lage der Gemeinde nicht anders als die einer Jagdgenossenschaft, die auch nur für das laufende Jagdjahr darauf vertrauen könne, dass ihr ein bestimmter Betrag aus der Jagdnutzung zufließe. Das sei nicht unbillig. Denn ein rückwirkender Widerruf der Zustimmung für ein abgelaufenes Jagdjahr sei nicht zulässig, und für künftige Jagdjahre müsse der Widerruf vor Beginn des Jagdjahres erklärt werden, so dass sich die Gegenseite darauf einstellen könne. Der Anspruch sei nicht deshalb erloschen, weil er nach § 10 Abs. 3 BJagdG innerhalb eines Monats ab Bekanntmachung des Beschlusses geltend gemacht werden müsse. Liege ein zeitlich unbegrenzter für die ganze Pachtdauer gefasster Verwendungsbeschluss vor, beginne die Monatsfrist jeweils mit Beginn des neuen Jagdjahres, so dass der Antrag des E. mit Schreiben vom 13. April rechtzeitig beim Jagdvorstand eingegangen sei. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 27.2.1996 – 5 K 1901/95 –
IV. Anmerkungen
Der Auskehrungsanspruch ist eine Folge des Reviersystems. Er ist der Ausgleich dafür, dass der Eigentümer als Inhaber des Jagdrechts dieses in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk nicht selbst auf seinem Grund und Boden ausüben kann, weil die Jagd nur in Jagdbezirken ausgeübt werden darf (Trennung von Jagdrecht und Jagdausübungsrecht). Der Grundeigentümer erhält dafür einen seiner Fläche entsprechenden Anteil am Reinertrag aus der Jagdnutzung. Dieser Anspruch kann dem Eigentümer nicht gegen seinen Willen genommen werden. Beschließt die Jagdgenossenschaft, den Reinertrag nicht an die Jagdgenossen auszuzahlen, sondern für andere Zwecke zu verwenden, z. B. für Hegemaßnahmen oder den Wegebau, so kann jeder Jagdgenosse, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat (Gegenstimme, Stimmenthaltung, Abwesenheit), die Auszahlung seines Anteils verlangen. Hierbei kann er nicht überstimmt werden. In Baden–Württemberg haben die Jagdgenossenschaften traditionell die Verwaltung ihres Jagdbezirks dem Gemeinderat übertragen, so dass die Gemeinde für die Auszahlung des Reinertrags zuständig ist. In den übrigen Bundesländern ist das nicht der Fall, hier muss der Anspruch beim Jagdvorstand geltend gemacht werden. Auf den Inhalt des Anspruchs hat das aber keine Auswirkungen, so dass das Urteil und die nachfolgenden Ausführungen für beide Fälle gleichermaßen gelten. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.4.1972 (RdL 1972, S. 177) und die nachfolgende Rechtsprechung gelten für den Auszahlungsanspruch die nachfolgenden Regeln, sofern Landesrecht oder Satzung nicht etwas anderes bestimmen: Der Anspruch entsteht mit Ablauf des Jagdjahres, für das Auszahlung verlangt wird, er entsteht für jedes abgelaufene Jagdjahr von neuem. Deshalb muss der Jagdgenosse seinen Anspruch grundsätzlich nach Ablauf eines jeden Jagdjahres erneut geltend machen. Anders ist es bei einem Beschluss der Jagdgenossenschaft, der für mehrere Jahre oder unbefristet eine anderweitige Verwendung des Reinertrags bestimmt. Hat der Jagdgenosse hier zugestimmt, bindet ihn das nur für das laufende Jagdjahr. Für die folgenden Jagdjahre gilt der Verzicht stillschweigend weiter, bis er widerrufen und Auszahlung verlangt wird. Der Widerruf muss vor Beginn des Jagdjahres erfolgen, für das erstmals Auszahlung gefordert wird, damit sich die Jagdgenossenschaft/Gemeinde darauf einstellen kann. Die Geltendmachung des Anspruches kann nachträglich erfolgen, spätestens innerhalb eines Monats nach Ablauf des Jagdjahres. In der Praxis werden beide Erklärungen sinnvoller Weise mit einander verbunden. Widerruf und Auszahlungsantrag gelten dann im Zweifel auch für die folgenden Jagdjahre, bis die Jagdgenossenschaft einen neuen Beschluss fasst oder der Jagdgenosse erneut auf die Auszahlung verzichtet. Beispiel: Widerruf erfolgt im Jagdjahr 2007/08, erstmals ausgezahlt werden kann der Ertrag des folgenden Jagdjahres 2008/09. Der Anspruch muss bis zum 30. 4. 2009 schriftlich beim Jagdvorstand/Gemeinde vorstand geltend gemacht werden, wenn er nicht schon mit dem Widerruf erhoben wurde. Beschließt die Jagdgenossenschaft Jahr für Jahr über die Verwendung des Reinertrags, so muss der Anspruch innerhalb eines Monats ab Bekanntmachung des Beschlusses über die anderweitige Verwendung des Reinertrages schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstands geltend gemacht werden. Maßgebend ist der Zugang des Schreibens beim Jagdvorstand, nicht der Poststempel. Fällt das Monatsende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des folgenden Werktages, also z. B. am Montag. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist, d. h. bei Fristversäumung erlischt der Anspruch. Tritt ein Eigentumswechsel ein, z. B. auf Grund eines Kaufs oder Erbfalls, so ist der neue Eigentümer nur für das laufende Jagdjahr an den Verzicht seines Vorgängers gebunden. Für künftige Jagdjahre kann er den Verzicht widerrufen und Auszahlung verlangen (wie zuvor genannt). Der Auszahlungsanspruch wird fällig, sobald unter normalen Umständen mit der Erstellung der Abrechnung gerechnet werden kann. Das ist in der Regel etwa zwei Monate nach Ende des Jagdjahres der Fall. Bei der Berechnung der Höhe des Reinertrages sind nur die notwendigen Aufwendungen abzuziehen. Hierzu gehören z. B. nicht Aufwendungen aus der Genossenschaftskasse für ein Jagdessen oder andere Vergnügungen. Eine unterschiedliche Behandlung von Feld- und Waldgrundstücken, von jagdlich wertvollen und jagdlich bedeutungslosen Grundstücken ist nicht zulässig, selbst wenn für Feld- und Waldflächen unterschiedliche Pachtpreise vereinbart wurden. An der Gewinnverteilung nehmen alle bejagbaren Flächen in gleicher Weise teil, weil sich die Höhe des Anspruchs nach dem Gesetz allein aus dem Flächenverhältnis berechnet (Verwaltungsgerichtshof Baden–Württemberg, Beschluss vom 15. 10. 1998 – 5 S 966/96 -). Befriedete Bezirke sind nicht bejagbar und werden daher nicht mitgerechnet. Der Auszahlungsanspruch erfasst nur den Reingewinn aus dem abgelaufenen Jagdjahr. Beträge und Rücklagen aus früheren Jagdjahren werden nicht erfasst. Die Jagdgenossenschaft kann aber beschließen, dass aufgelaufene Gelder ausgezahlt werden. Der Anspruch verjährt nach drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem er entstanden ist. Hiernach beginnt im obigen Beispiel die Verjährung am 1. Januar 2010 und endet mit Ablauf des 31. Dezember 2013. Als Ergänzung des Auszahlungsanspruchs steht dem Jagdgenossen auch ein Anspruch auf Auskunft über die Einnahmen und Ausgaben der Jagdgenossenschaft zu, damit er die Höhe seines Anspruchs überprüfen kann. Der Anspruch ist vor dem Verwaltungsgericht zu erheben, da die Jagdgenossenschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.
V. Ergebnis
1. Beschließt die Jagdgenossenschaft, den Reinertrag aus der Jagdnutzung nicht auszukehren, sondern anderweitig zu verwenden, so kann jeder Jagdgenosse, der diesem Beschluss nicht zugestimmt hat, Auszahlung seines Anteils verlangen. 2. Dieser Anspruch muss innerhalb eines Monats ab Bekanntmachung des Beschlusses schriftlich beim Jagdvorstand geltend gemacht werden. 3. Erstreckt sich der Beschluss über mehrere Jahre oder die ganze Pachtdauer, so kann jeder Jagdgenosse seine Zustimmung für die folgenden Jahre widerrufen und Auszahlung seines Anteils verlangen.