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304 JVG – Pachtvertrag nichtig

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304 JVG – Pachtvertrag nichtig Schein- oder Strohmanngeschäft

304 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.“ § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch 2. „Pächter darf nur sein, wer einen Jahresjagdschein besitzt und schon vorher einen solchen während dreier Jahre in Deutschland besessen hat.“ § 11 Abs. 5 BJagdG 3. „Ein Jagdpachtvertrag, der bei seinem Abschluss den Vorschriften des § 11 Abs. 5 BJagdG nicht entspricht, ist nichtig.“ § 11 Abs. 6 BJagdG

II. Der Sachverhalt
Eine große Aktiengesellschaft wollte für ihre leitenden Angestellten und Geschäftsfreunde eine Hochwildjagd erwerben. Da sie selbst als juristische Person nicht pachtfähig war, pachteten zwei leitende Angestellte für sie die Jagd. Der verpachtenden Jagdgenossenschaft war das bekannt; sie wusste, dass die als Pächter auftretenden Angestellten nur vorgeschoben waren und in Wirklichkeit allein die Aktiengesellschaft über die Jagd bestimmte und alle Kosten trug. Einige Jahre später wurde die Aktiengesellschaft wider Erwarten insolvent. Die Jagdgenossenschaft wandte sich daher an die beiden Angestellten, die den Pachtvertrag mit der Übernahme der Wildschäden als Pächter unterzeichnet hatten, und verlangte von ihnen Wildschadensersatz in Höhe von 31 232 Euro. Die Angestellten lehnten die Zahlung ab. Sie entgegneten, dass sie nur „formell“ die Pächterrolle übernommen hätten, weil die Aktiengesellschaft nicht selbst habe pachten können. In Wirklichkeit habe die Aktiengesellschaft mit Wissen der Verpächterin alle Pächterrechte ausgeübt und alle Lasten getragen.

III. Die Gerichtsentscheidung
Vor Gericht hatte die Jagdgenossenschaft keinen Erfolg. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht wiesen ihre Klage gegen die beiden Angestellten ab, ihre sodann erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundesgerichtshof kostenpflichtig abgewiesen. Der Jagdgenossenschaft stehe der Anspruch auf Wildschadensersatz nicht zu, urteilte der Bundesgerichtshof, weil der zugrunde liegende Jagdpachtvertrag (und damit auch die darin übernommene Verpflichtung zum Ersatz der Wildschäden) als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch nichtig sei. Beide Vertragspartner, die Jagdgenossenschaft und die Angestellten, hätten übereinstimmend nur den äußeren Schein eines Vertrages hervorrufen, die damit verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Denn tatsächlich sollten aus dem Vertrag nicht die Angestellten berechtigt und verpflichtet werden, sondern die hinter ihnen stehende Aktiengesellschaft. Diese habe nicht nur alle Kosten übernommen, sondern sich auch alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag abtreten lassen. Ihr habe das Revier uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, sie allein habe über die Jagd bestimmt und Jagdeinladungen vergeben. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4.4.2007 – III ZR 197/06 –

IV. Anmerkungen
Immer wieder kommt es vor, dass Jagdpachtverträge von Personen unterzeichnet werden, die eigentlich gar nicht Pächter sein wollen oder sollen, sondern für einen „Hintermann“ tätig werden, der die Jagd erwerben und über sie wie ein Pächter bestimmen will und alle Kosten trägt. Man denke nur an Jagdscheininhaber, die mangels Pachtfähigkeit noch kein Revier pachten können und daher einen pachtfähigen Dritten vorschieben, um an die Jagd zu kommen, oder an Jäger, die ein großes Revier oder ein Zweitrevier pachten wollen, aber durch die Pachthöchstfläche von eintausend Hektar daran gehindert werden. In solchen Fällen wird häufig ein Strohmann vorgeschoben, der den Pachtvertrag zugunsten des finanzstarken Hintermannes unterschreibt. Aber das kann für beide Seiten, den Verpächter und den (vorgeschobenen) Pächter gefährlich werden. Denn liegt ein Scheingeschäft vor, ist der Vertrag nichtig. Der Verpächter kann vom Pächter weder den Pachtpreis fordern, noch Wildschadensersatz verlangen (siehe oben). Hat der Pächter die Jagd ausgeübt, muss er allenfalls dem Verpächter den dafür orts üblichen Preis entrichten, weil er die Jagdausübung ohne Rechtsgrund erlangt hat. Aber selbst das ist rechtlich sehr fraglich, weil der Verpächter ja die Nichtigkeit kannte. Im Übrigen begeht ein Pächter eine Ordnungswidrigkeit, wenn er in Kenntnis der Nichtigkeit des Pachtvertrages die Jagd im Revier ausübt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BJagdG). Liegt ein „Strohmanngeschäft“ vor, also ein Jagdpachtvertrag, der von einem vorgeschobenen Strohmann mit eigenem Namen unterzeichnet wurde, so ist dieser Vertrag zwischen dem Verpächter und dem Strohmann als Pächter in der Regel wirksam. Denn beide wollten den Vertrag gegenseitig abschließen. Dass der Strohmann dabei im Interesse und in Absprache mit dem Hintermann handelte, ändert daran nichts. Der Strohmann haftet daher sowohl für den Pachtpreis und den übernommenen Wildschaden als auch für die Erfüllung aller sonstigen jagdlichen Verpflichtungen in eigener Person. Inwieweit er vom Hintermann Ersatz verlangen kann, richtet sich nach den internen Abmachungen. Da aber diese wegen Gesetzesumgehung häufig unwirksam sind, kann es schnell passieren, dass der Strohmann auf den Kosten sitzen bleibt. Ob ein Scheingeschäft oder ein Strohmanngeschäft vorliegt, hängt also nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend davon ab, ob die Parteien einen gültigen Vertrag abschließen wollten oder nicht. Ein (nichtiges) Scheingeschäft ist gegeben, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Vertrages hervorrufen, die damit verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollten. Sie waren sich also einig, keinen wirksamen Vertrag miteinander abzuschließen, sondern nur „so zu tun“. Beiden fehlte der Rechtsbindungswille. Ein (gültiger) Pachtvertrag zwischen Verpächter und Strohmann (nicht Hintermann) liegt in der Regel vor, wenn beide ernsthaft einen wirksamen Vertrag unter sich abschließen wollten, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Verpächter die Strohmanneigenschaft kannte. Nichtig wegen Umgehung der fehlenden Pachtfähigkeit oder Überschreitung der Pachthöchstfläche ist in solchen Fällen allenfalls die interne Vereinbarung zwischen dem Strohmann und dem Hintermann, z. B. wenn der Hintermann absprachegemäß die Pächterrechte erlangen und ausüben will, weil er dem Strohmann den Pachtpreis erstattet, obwohl er noch nicht pachtfähig ist oder damit die Pachthöchstfläche überschreitet (siehe hierzu Bundesgerichtshof, Beschluss v. 29.9.1983 – III ZR 8/83 -; Leonhardt, Jagdrecht, § 11 Anm. 2.2 und Anm. 27).

V. Ergebnis
1. Ein Vertrag, der von den Beteiligten nur zum Schein (ohne Rechtsbindungswillen) abgeschlossen wird, ist nichtig. 2. Ein Vertrag, der von einem Strohmann im eigenen Namen abgeschlossen wird, ist in der Regel wirksam, weil er gewollt ist. 3. Die Vereinbarung zwischen dem Strohmann und dem Hintermann kann nichtig sein, wenn sie dem Hintermann eine vom BJagdG nicht gebilligte Stellung verschaffen soll.


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