305 JVG – Unzuverlässigkeit, Positives MPUGutachten reicht nicht
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. „Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.“ § 45 Abs. 2 WaffG 2. „Eine Erlaubnis setzt voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.“ § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG 3. „Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.“ § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG
II. Der Sachverhalt
Der Antragsteller ist als Jäger Inhaber einer Waffenbesitzkarte und Besitzer mehrerer Waffen. Nach zweimaliger rechtskräftiger Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu Geldstrafen unter 60 Tagessätzen widerrief die Waffenbehörde die Waffenbesitzkarte, verfügte die Abgabe der Waffen und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller ging vor Gericht und beantragte, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, da von ihm laut des inzwischen vorgelegten positiven Medizinisch- Psychologischen-Gutachtens (MPU) über seine Fahreignung keine Gefahren mehr ausgingen.
III. Die Gerichtsentscheidung
1. Das Verwaltungsgericht Das Gericht gab dem Antragsteller Recht. Zwar lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Waffenbesitzkarte nach der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG vor, jedoch sprächen im gegebenen Falle beachtliche Gründe dafür, dass ein Ausnahmefall von der Regelvermutung vorliegen könnte. Der Antragsteller habe nämlich etwa ein Jahr nach seiner letzten Trunkenheitsfahrt ein positives MPU über seine Kraftfahreignung vorgelegt, woraufhin ihm die zuständige Verkehrsbehörde die Fahrerlaubnis unter Auflagen wiedererteilt habe. Damit habe diese Behörde den Antragsteller als wieder geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen und die von ihm ausgehenden Gefahren als beherrschbar eingestuft. Wenn aber diese Gefahren verneint würden, bestehe Anlass zu der Überlegung, ob auch die allein aus diesen Verkehrsdelikten abgeleitete Vermutung der Unzuverlässigkeit als widerlegt angesehen werden könne. Diese Frage könne erst im nachfolgenden Klageverfahren entschieden werden. Verwaltungsgericht Freiburg i.Br., Beschluss v. 6.11.2006 – 4 K 1745/06 2. Der Verwaltungsgerichtshof Auf die Beschwerde des Landes hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Verwaltungsgerichts auf und wies den Antrag kostenpflichtig ab. Infolge der zweimaligen Verurteilung sei der Antragsteller nach der gesetzlichen Regelvermutung als unzuverlässig anzusehen. Besondere Umstände, die einen Ausnahmefall begründen könnten, seien trotz des positiven Gutachtens nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme ein Ausnahmefall nur in Betracht, wenn die Umstände der Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die dadurch begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 16.10.1995 – 1 C 32/94 -). Maßgebend seien hierbei die Schwere der begangenen Tat und die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck komme. Dagegen führe weder eine straffreie Vergangenheit noch ein zukünftiges Wohlverhalten zur Widerlegung der Unzuverlässigkeitsvermutung. Nach diesen Kriterien sei vorliegend kein Ausnahmefall gegeben, weil es sich in beiden Fällen um typische Trunkenheitsfahrten, mit erheblichem Alkoholgehalt und gefahrvoller Fahrweise, gehandelt habe. Daran ändere auch die Vorlage eines positiven Gutachtens über seine Fahreignung nichts; denn waffenrechtlich sei es ohne Bedeutung, wie die Wiederholungsgefahr bezüglich der begangenen Taten einzuschätzen sei. Folglich sei es unerheblich, wenn die Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist wiedererteilt werde. Ein positives MPU sei jedenfalls dann ungeeignet, die Regelvermutung zu widerlegen, wenn es nicht „gerade auf die besonderen Umstände der Tat“ gestützt sei. Die Regelvermutung könne nicht durch die Eignung in einem anderen Rechtsbereich durchbrochen werden, andernfalls würde die gesetzgeberische Entscheidung überspielt, im Waffenrecht zugunsten einer erhöhten Gefahrenabwehr sowohl die Zuverlässigkeit als auch die persönliche Eignung zu verlangen. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.4 2007 – 1 S 2751/06 – 3. Weiteres Urteil Ein Sportschütze wurde wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe verurteilt, woraufhin ihm die Waffenbesitzkarte widerrufen und die Abgabe seiner Waffen aufgegeben wurde. Trotz eines positiven MPU-Gutachtens über seine Fahreignung wurden Widerspruch und Klage abgewiesen. Erst im Berufungsverfahren hatte er Erfolg, da nach Auffassung des Gerichts die Unzuverlässigkeitsvermutung durch das positive MPU-Gutachten widerlegt wird. Legt der Antragsteller während der Fünf-Jahres-Frist ein positives Eignungsgutachten vor, so ist das nicht nur für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beachtlich, sondern auch für andere Entscheidungen, für die die Verurteilung Bedeutung hat. Deshalb muss die Waffenbehörde den Inhalt des Gutachtens zur Kenntnis nehmen und prüfen, ob daraus Rückschlüsse auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit gezogen werden können. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach Einschätzung des Sachverständigen wird der Betroffene in Zukunft nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit als ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einfluss von Alkohol ein Fahrzeug führen, da er ein distanziertes Verhalten zum Alkohol entwickelt hat, so dass bei ihm kein erhöhtes Gefährdungspotenzial mehr festzustellen ist. Daraus folgt, dass der Betroffene seine Einstellung zum Alkohol umfassend geändert hat, was nicht nur im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen, sondern auch in anderen sicherheitsrelevanten Bereichen Bedeutung hat. Hess. Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 20.11.1994 – 11 UE 1428/93 – (offen gelassen in Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 14.10. 2004 – 11 TG 2490/04 -)
IV. Anmerkungen
Die Entscheidungen zeigen deutlich, dass die Rechtsprechung zur Frage der Widerlegung der Unzuverlässigkeitsvermutung bei Trunkenheitsfahrten durch ein nachträgliches positives MPU-Gutachten noch nicht einheitlich ist. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus. Ausgangspunkt ist wohl die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Widerlegung allein aus „den Umständen der abgeurteilten Tat“ abgeleitet werden kann, und zwar aus der (gegenüber dem Normalfall geringeren) Schwere der konkreten Verfehlung (Bagatellcharakter) und aus der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. Gutachten nicht gleich Gutachten Diese enge Betrachtungsweise ist darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber die Verurteilung für sich allein ausreichen lässt, um in der Regel die Unzuverlässigkeit zu begründen. Deshalb können auch nur allein die Umstände der Tat selbst eine Widerlegung der Vermutung begründen, insbesondere solche, die die Tat in einem besonders milden Licht erscheinen lassen Diese „Enge“ der Sichtweite schließt es aus, dass sowohl ein langjähriges einwandfreies und strafloses Vorleben als auch ein nachträgliches Wohlverhalten (z. B. Wiedergutmachung des Schadens) eine Widerlegung begründen. Folgerichtig hat der Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg (oben Nr. III,2) auch ein nachträglich erstelltes positives Gutachten über die Fahreignung als unerheblich bezeichnet, außer es ist auf die „besonderen Umstände der Tat“ gestützt. Hieran anknüpfend könnte wohl nur ein positives Gutachten eines anerkannten Sachverständigen über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (nicht die Fahreignung) des Betroffenen eine Widerlegung begründen, das sich auf die „Umstände der Tat“ (Tatanlass, Art der Begehung, Verhalten bei der Tat, Tatfolgen usw.) und die darin zum Ausdruck kommende Persönlichkeit des Betroffenen stützt. Das Waffengesetz sieht bei Zweifeln an der persönlichen Eignung in § 6 Abs. 2 und Abs. 3 sowie in § 4 der AWaffG die Vorlage eines Eignungsgutachtens vor, entsprechendes muss wohl auch für den Nachweis der Zuverlässigkeit gelten, wenn sie durch die Vermutung ausgeschlossen wird, und zwar in allen Fällen, nicht nur bei Trunkenheit in Straßenverkehr. Allein die Vorlage eines positiven Gutachtens über die Fahreignung dürfte ferner schon deshalb nicht ausreichen, weil nicht jeder, der die Fahreignung besitzt, auch waffenrechtlich zuverlässig ist. Denn ein solches Gutachten ist allein auf die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ausgerichtet, vor allem auf die Gefahr der Begehung weiterer Verkehrsdelikte, insbesondere erneuter Trunkenheitsfahrten. Es besagt weder etwas über die mögliche Begehung sonstiger, die Unzuverlässigkeit begründender Straftaten noch etwas über den sorgfältigen Umgang mit Waffen und Munition. So gesehen wird die Rechtsprechung wohl kaum dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (o ben III,3) folgen, wenn er ausführt, dass mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auch die Zuverlässigkeit wieder gegeben sein kann, so schön das auch wäre.