307 JVG – Jagdschein entzogen Revolver zu Hause geladen
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden, so ist die Behörde … verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen.“ § 18 BJG 2. „Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie … mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig … umgehen werden.“ § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJG, ebenso § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG 3. „Schusswaffen dürfen nur während der tatsächlichen Jagdausübung geladen sein.“ § 3 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften
II. Der Sachverhalt
Jäger J. beabsichtigte im Februar 2003 zur Jagd zu gehen. Im Schlafzimmer seines Hauses lud er seinen Revolver. Beim anschließenden Entspannen fiel ihm die Waffe zu Boden. Dadurch löste sich ein Schuss, der seinen Sohn verletzte. Als die Untere Jagdbehörde davon erfuhr, erklärte sie den Jagdschein für ungültig und zog ihn unter Anordnung des Sofortvollzugs ein. J. sei unzuverlässig, weil zu befürchten sei, dass er mit Waffen oder Munition nicht sorgfältig umgehen werde. J. legte Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht die sofortige Vollziehung des Bescheids aufzuheben – ohne Erfolg.
III. Das Urteil
Das Gericht wies den Antrag ab, weil J. unzuverlässig sei. Nach § 18 BJG sei ein Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden, auf Grund derer der Betroffene als unzuverlässig einzustufen sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Durch das Laden des Revolvers in seinem Wohnhaus habe J. gegen elementare und selbstverständliche Sicherheitspflichten eines Jägers verstoßen. Denn zu diesen Pflichten gehöre es, eine Schusswaffe erst dann zu laden, wenn mit ihrem Gebrauch bei Ausübung der Jagd unmittelbar zu rechnen sei (§ 3 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften). Das gelte erst recht für eine Waffe, die nur dazu diene, krankgeschossenem Wild den Fangschuss zu geben. Nach den Angaben des J. gegenüber der Polizei sei davon auszugehen, dass er seinen Revolver schon öfter in seinem Wohnhaus geladen habe. Er habe sich also nicht nur in einem Einzelfall grob pflichtwidrig verhalten. Damit seien Tatsachen gegeben, die die Annahme rechtfertigten, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen werde. Das gelte um so mehr, als er nach wie vor das Laden zu Hause für richtig halte. Unerheblich sei, dass sich sein Wohnhaus im Jagdbezirk befinde und der Unfall auf ein einmaliges Fehlverhalten zurückzuführen sei. Denn die Unzuverlässigkeit beruhe nicht darauf, dass er die Waffe habe fallen lassen, sondern darauf, dass er seinen Revolver wiederholt in seinem Wohnhaus geladen und dadurch gegen elementare Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 19.5.2006 – 8 ME 50/06 – IV. Anmerkungen Ein Urteil, das die „Fernwirkungen“ der Unfallverhütungsvorschriften deutlich macht, auch wenn nichts passiert ist. Denn der Jäger hat mit dem grundlosen Laden der Waffe im eigenen Haus/Wohnung nicht gegen ein waffenrechtliches Verbot verstoßen, sondern „nur“ wiederholt die Unfallverhütungsvorschriften nicht beachtet. Das genügte, um ihn wegen unvorsichtigen Umgangs mit Waffen oder Munition für unzuverlässig zu erklären und seinen Jagdschein einzuziehen. Auf die Verletzung des Sohnes kam es hierbei nicht (mehr) an. Das mag auf den ersten Blick verwundern, ist aber einleuchtend. Denn die Versagung/ Einziehung des Jagdscheins (§§ 17, 18 BJG) und die Rücknahme/der Widerruf der Waffenbesitzkarte (§ 45 WaffG) setzen nicht in jedem Falle voraus, dass der Betroffene verurteilt wurde. So sind beispielsweise auch andere Sicherheitsregeln der Unfallverhütungsvorschriften nicht durch ein waffenrechtliches Verbot untermauert. Wer z. B. beim Besteigen/Verlassen eines Hochsitzes oder Überklettern eines Zaunes die Läufe seiner Waffe (Patronenlager) nicht entlädt oder wer ohne ausreichenden Kugelfang mit der Büchse schießt, ohne dass ein anderer beeinträchtigt wird, begeht nach dem Waffengesetz weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Und doch hat sich der Jäger „unvorsichtig“ (fahrlässig) im Sinne des Waffenrechts verhalten. Bereits ein solches Fehlverhalten kann in schwerwiegenden oder wiederholten Fällen theoretisch zur Unzuverlässigkeit führen, auch wenn dadurch kein anderer verletzt oder getötet wurde, eine Straftat also (noch) nicht vorliegt. Denn nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und § 17 Abs. 3 BJagdG liegt Unzuverlässigkeit auch dann vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, mit ihnen nicht vorsichtig oder sachgerecht umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren oder Unbefugten überlassen. Damit soll Unfällen und Missbräuchen vorgebeugt werden. Wichtig: Beim Umgang mit Waffen oder Munition sind daher immer außer dem Waffengesetz auch die Unfallverhütungsvorschriften zu beachten. Wer gegen sie verstößt, geht in der Regel „nicht vorsichtig“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG und des § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG mit diesen Gegenständen um, so dass je nach Häufigkeit oder Schwere der Zuwiderhandlung Tatsachen gegeben sind, die zur Unzuverlässigkeit führen können, wenn sie die Prognose begründen, der Betroffene werde auch künftig mit Waffen oder Munition nicht ordnungsgemäß umgehen. Zwar sind die Unfallverhütungsvorschriften kein allgemein gültiges Gesetz. Sie binden unmittelbar nur die Mitglieder der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, also die Jagdausübungsberechtigten, angestellten Jäger und Jagdhelfer. Diese begehen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie ihre Waffe zu Hause, also außerhalb der tatsächlichen Jagdausübung, laden. §§ 8, 3 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften). Für alle übrigen Jäger gelten sie aber indirekt, indem sie bei einem Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen Fahrlässigkeit und damit unvorsichtigen Waffenumgang begründen können. Auf diesem „Umweg“ sind sie auch bei einem fehlenden waffenrechtlichen Verbot für alle Jäger relevant. Allerdings dürfte ein einmaliger, persönlichkeitsfremder und folgenloser Verstoß nur in sehr schweren Fällen ausreichen, um die Unzuverlässigkeit zu begründen; anders ist es bei wiederholten Verstößen, bei denen sich – wie vorliegend – die negative Prognose auf mehrere Vorfälle stützen kann. Die Dauer der Unzuverlässigkeit ist deutlich kürzer als fünf Jahre, weil keine Verurteilung zu Grunde liegt, zumeist beträgt sie ein bis zwei Jahre. Unverständlich bleibt, weshalb der Jäger den Hahn seines Revolvers schon zu Hause gespannt hat und wie es technisch möglich ist, dass sich beim Aufprall der Waffe auf dem Boden ein Schuss löste. Nahezu alle gängigen Revolver besitzen eine Fangstangensicherung, die in solchen Fällen das Auslösen eines Schusses verhindert. Da ist wohl eher beim Entspannen der Hahn unter dem Daumen bei durchgezogenem Abzug weggerutscht.
V. Ergebnis
1. Wer seine Waffe zu Hause ohne rechtfertigenden Grund lädt, verstößt gegen die Sicherheitsbestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften. Denn die Waffe darf nur während der tatsächlichen Jagdausübung geladen sein. 2. Bei schweren oder wiederholten Verstößen kann das zur Unzuverlässigkeit des Betroffenen wegen fahrlässigen Waffenumgangs führen und damit den Verlust des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarte zur Folge haben, selbst wenn nichts passiert ist.