310 JVG – Bei Pachtvertragsverhandlungen, Abschussplan ohne Aussagekraft
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. „Hat die Pachtsache zur Zeit der Überlassung an den Pächter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Pachtzeit ein solcher Mangel, so ist der Pächter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Pacht befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Pacht zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. Satz 1 und Satz 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.“ § 581 Abs. 2, § 536 Abs. 1 und Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch 2. „Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Verpächter zu vertreten hat, oder kommt der Verpächter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Pächter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.“ § 536a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch
II. Der Sachverhalt
Pächter P. hatte einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk gepachtet. Vor Unterzeichnung des Vertrages legte ihm die Verpächterin den dreijährigen Abschussplan für Rehwild vor, der einen jährlichen Abschuss von zirka 18 Stück vorsah. Außerdem teilte sie ihm mit, dass der durchschnittliche Wildschaden in den vergangenen Jahren etwa 1 000 DM betragen habe. Schon bald nach der Übernahme des Revieres kam es zum Streit. Weil eine Bejagung des Rehwildes mangels Bestands nicht möglich gewesen sei, hat der Pächter den Pachtpreis gemindert und den Pachtvertrag nach vier Jahren einvernehmlich gekündigt. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses verlangte die Verpächterin den als Minderung einbehaltenen restlichen Pachtzins. Zur Begründung machte sie geltend, dass dem Pächter kein Recht zur Minderung zugestanden habe. Sie habe keine Zusicherungen hinsichtlich der Höhe des Rehwildabschusses und Rehwildbestandes abgegeben, sondern lediglich den zuvor festgesetzten Abschussplan vorgelegt. Aus der darin festgelegten Abschusshöhe könne kein Rückschluss auf den vorhandenen Bestand gezogen werden. Die Angabe des durchschnittlichen Wildschadens der vergangenen Jahre habe den Mitteilungen des Vorpächters entsprochen. Wenn Jäger über die Höhe des Wildschadens sprächen, werde damit grundsätzlich nur der tatsächlich gezahlte Geldbetrag gemeint, ohne Eigenleistungen. Der Pächter lehnte die Zahlung ab, minderte erneut und verlangte seinerseits die Rückzahlung zuviel gezahlten Pachtzinses sowie die Erstattung eines Teiles des von ihm entrichteten Wildschadens. Nach seiner Auffassung sei er über den Rehwildbestand und die Wildschadenshöhe arglistig getäuscht worden. Durch die Vorlage des Abschussplanes sei ihm zugesichert worden, dass für die vorangegangenen Jahre durchschnittlich 18 Stück Rehwild zu erlegen gewesen seien. Durchgeführte Zählungen hätten aber nur einen Bestand von 7 bis 14 Stück ergeben. In den vier Jahren habe er insgesamt über 18 000 Euro an Wildschaden zahlen müssen.
III. Das Urteil
Das Landgericht gab der Verpächterin Recht. Es verurteilte den Pächter zur Zahlung des restlichen Pachtpreises nebst angefallener Zinsen, weil er den Pachtpreis zu Unrecht gemindert und teilweise einbehalten habe. Die hiergegen eingelegte Berufung des Pächters blieb ohne Erfolg, auch das Oberlandesgericht verneinte ein Minderungsrecht des Pächters und Schadensersatzansprüche. Die Widerklage des Pächters auf weitere Minderung und Schadensersatz wurde abgewiesen. 1. Keine zugesicherte Eigenschaft Der geringe Rehwildbestand stelle keinen Mangel dar, der eine Minderung des Pachtpreises begründen könne. Denn der Pächter eines Jagdbezirks habe grundsätzlich keinen Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand. Anders sei es nur, wenn die Verpächterin ihm einen solchen im Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend zugesichert habe. An einer derartigen Zusicherung fehle es aber im vorliegenden Fall, weil allein die Vorlage des dreijährigen Abschussplanes noch keine verbindliche Zusicherung eines Wildbestands in bestimmter Höhe enthalte. Darin sei noch keine zum Vertragsinhalt gewordene Erklärung der Verpächterin zu sehen, für einen Rehwildbestand in bestimmter Höhe und alle Folgen seines Fehlens rechtlich voll einstehen zu wollen. Mangels Bezugnahme im Pachtvertrag sei der Inhalt der Ausschreibung nicht zum Vertragsinhalt gemacht worden. Vielmehr hätten die Beteiligten im Pachtvertrag eine Haftung der Verpächterin für die Ergiebigkeit der Jagd ausdrücklich ausgeschlossen, also nicht gewollt. Die Verpächterin habe daher Anspruch auf Zahlung des restlichen, vom Pächter zu Unrecht einbehaltenen Pachtpreises. 2. Kein Schadensersatz Ein Schadensersatzanspruch wegen erhöhter Wildschäden sei ebenfalls nicht gegeben. Die Verpächterin hafte nicht wegen eines Verschuldens bei Vertragsabschluss, weil sie den Pächter weder über die Höhe des vom Vorpächter mitgeteilten Wildschadens getäuscht noch mit der Mitteilung von 1 000 DM jährlich schuldhaft falsche Angaben gemacht habe. Denn mit diesem Betrag seien erkennbar nur die Barentschädigungen gemeint gewesen, ohne die Eigenleistungen des Vorpächters und seiner Jagdgäste. Auch eine vertragliche Haftung wegen Zusicherung einer Eigenschaft scheide insoweit aus, weil diese Mitteilung, obwohl sie Bestandteil des Vertrages geworden sei, nicht dahin auszulegen sei, dass die Verpächterin künftig verbindlich dafür einstehen wolle, dass der Wildschaden diese Höhe nicht überschreiten werde. Dagegen spreche bereits der Zusatz im Pachtvertrag, dass künftige Abweichungen durchaus möglich seien sowie die Absichtserklärung, zur Vermeidung größerer Schäden zusammenarbeiten zu wollen. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2006 – I-10 U 103/06 – (nicht rechtskräftig)
IV. Ergebnis
1. Der Pächter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand oder eine bestimmte Höhe des Wildbestands(Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. 10. 2003 – III ZR 380/02 -). Der Verpächter haftet daher in der Regel nicht für die Höhe des Wildbestandes und eine bestimmte Abschussmenge. 2. Gewährleistungsansprüche hierüber sind nur dann gegeben, wenn der Verpächter im Pachtvertrag ausdrücklich oder sinngemäß zusichert, für eine bestimmte Höhe „rechtlich verbindlich“ einstehen zu wollen (zugesicherte Eigenschaft, ähnlich einer Garantie). 3. Eine bloße Beschreibung des Revieres und Angaben über den Wildbestand, z.B. in einem Inserat, genügen hierzu nicht. Auch mündliche Hinweise und Auskünfte sowie die Weitergabe glaubhafter Angaben des Vorpächters reichen hierfür nicht aus. Selbst die Vorlage von Abschussplänen, Abschusslisten und sonstiger Unterlagen genügt nicht, um eine vertragliche Haftung des Verpächters zu begründen. Dies alles ist als bloßes Informationsmaterial ohne rechtlich bindenden Haftungswillen des Verpächters anzusehen, wenn es nicht im Vertrag verbindlich zugesichert wird. 4. Sind die Angaben, Unterlagen usw. unzutreffend und wusste der Verpächter das oder hätte er das wissen müssen, können aber andere Rechte begründet sein, z.B. Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung, Schadensersatzansprüche usw. 5. Zur Haftung des Verpächters, wenn eine Jagd im Pachtvertrag als „Rotwildjagd“ oder „Hochwildjagd“ verpachtet wird, diese Wildarten aber nicht oder nicht mehr im Revier als Standwild vorkommen, siehe WuH 19/ 2008, S. 122 und WuH 5/ 2005, S. 96. Einsender des Urteils: 10. Zivilsenat des OLG Düsseldorf