321 JVG – Wildschäden, Nachmeldung bei Schadensvergrößerung
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Der Anspruch auf Ersatz von Wild- oder Jagdschaden erlischt, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der für das beschädigte Grundstück zuständigen Behörde anmeldet.“ § 34 S. 1 BJagdG
II. Der Sachverhalt
Jäger J. war Pächter eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks. Im Pachtvertrag hatte er den Ersatz von Wildschäden übernommen. Landwirt L. entdeckte am 20. August in seinem Maisfeld einen Wildschaden von Schwarzwild, den er mit Schreiben vom 23. August rechtzeitig anmeldete. Am 27. August wurde J. von der zuständigen Behörde hierüber in Kenntnis gesetzt und darauf hingewiesen, dass „aus jetziger Sicht eine Schadensschätzung sicherlich noch nicht den tatsächlichen Schaden bis zur Ernte darstellt.“ Als Termin zur Schätzung des Schadens wurde daher erst der 21. September festgelegt. An diesem Ortstermin kam es zu keiner gütlichen Einigung. Der Wildschadensschätzer fertigte daher sein Gutachten und setzte den Schaden auf 1 684 Euro fest. In dieser Höhe erging sodann der Vorbescheid. J. erhob Klage und machte geltend, dass die nach der Anmeldung entstandene Vergrößerung des Schadens ebenfalls rechtzeitig hätte angemeldet werden müssen. Der angemeldete (Erst-) Schaden sei daher mit dem späteren, nicht angemeldeten weiteren Schaden untrennbar vermischt, so dass er nicht mehr sicher beziffert werden könne.
III. Das Urteil
Vor Gericht hatte Jäger J. keinen Erfolg. Das Amtsgericht hob zwar den Vorbescheid auf, das Landgericht wies jedoch die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Revision des J. blieb erfolglos. 1. Das Landgericht Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass der Vorbescheid zu Recht ergangen ist. Der Ersatzanspruch sei nicht wegen untrennbarer Vermischung des angemeldeten Erstschadens mit der nachfolgenden unangemeldeten Erweiterung des Schadens erloschen, weil die Erstanmeldung auch alle nachfolgenden Vergrößerungen des Schadens umfasse. Es komme daher nicht darauf an, ob die spätere Erweiterung des Schadens rechtzeitig angemeldet worden oder vom Erstschaden abgrenzbar sei. Die Kontrollpflicht eines Landwirts richte sich nach der Schadensanfälligkeit des jeweiligen Feldes. Da nach Auskunft des Wildschadensschätzers bei Mais in der Regel vor Mitte/Ende August keine Milchreife eintrete, sei bis zu diesem Zeitpunkt nur mit „Probebissen“ des Schwarzwildes zwecks Feststellung des Reifegrades zu rechnen, nicht jedoch mit nennenswerten Schäden. Erst ab Mitte/Ende August, nach Eintritt der Milchreife, entstünden die wesentlichen Schäden. Daher habe der Landwirt mit der Kontrolle am 20. August seiner Kontrollpflicht genügt. Auch die zwischen der Anmeldung und dem Ortstermin entstandene Ausdehnung des Schadens sei zu ersetzen, da bei einer bloßen Erweiterung eines bereits angemeldeten Schadens keine Nachmeldung notwendig sei. Eine erneute Anmeldung sei nur für örtlich oder substantiell andere Schäden erforderlich. Landgericht Rostock, Urteil vom 18.7.2009 – 1 S 141/08 – 2. Der Bundes gerichtshof a. Der Bundesgerichtshof ist dieser Entscheidung „im Ergebnis“ gefolgt, nicht aber mit der gleichen Begründung. Er wies zunächst darauf hin, dass die Kürze der einwöchigen Anmeldefrist zum einen darauf beruhe, dass nur bei einer schnellen .berprüfung die Schadensursache sicher festgestellt werden könne. Zum anderen solle der Ersatzpflichtige möglichst bald Kenntnis von dem Schaden erhalten, um weitere Schäden verhindern zu können. Diesen beiden Zwecken müsse bei der Bemessung der Anforderungen an die Überwachung der Flächen Rechnung getragen werden. In der Rechtsprechung und Literatur werde daher regelmäßig davon ausgegangen, dass ein Landwirt „normaler Weise mindestens alle vier Wochen beziehungsweise mindestens einmal im Monat“ seine Felder kontrollieren müsse. Bei erhöhter Gefahr auch in kürzeren, bis zu wöchentlichen, Abständen. Letztlich ließen sich aber keine starren, für alle Fälle geltenden Regeln festlegen. Vielmehr sei es Aufgabe des Richters, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schadensanfälligkeit des betroffenen Grundstücks, zu bestimmen, ob der Geschädigte seine Kontrollpflichten mit gehöriger Sorgfalt eingehalten habe. b. Vor diesem Hintergrund habe das Landgericht eine Kontrollpflicht des Landwirts vor dem 20. August zutreffend verneint. Wenn man mit dem Sachverständigen davon ausgehe, dass Mais in der Regel erst Mitte/Ende August die Milchreife erlange und vorher keine nennenswerten Schäden durch Schwarzwild entstünden, dann genüge der Landwirt seiner Kontrollpflicht, wenn er erst ab diesem Zeitpunkt seine Maisfelder kontrolliere. Die zuvor entnommenen „Probebissen“ zur Feststellung des Reifegrades stellten lediglich unerhebliche Bagatellschäden dar, die nicht einmal die Verfahrenskosten der Anmeldung deckten. c. Letztlich sei auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles eine Nachmeldung der nachträglich eingetretenen Schadensvergrößerung nicht für notwendig gehalten habe. Zwar beziehe sich die Anmeldung nur auf den Schaden, von dem der Landwirt in der Wochenfrist Kenntnis erhalten habe oder bei Einhaltung seiner Kontrollpflicht Kenntnis erhalten hätte. Ein zeitlich späterer Schaden sei nicht Gegenstand der Anmeldung. Deshalb müssten neue Schäden grundsätzlich zusätzlich angemeldet werden. Die Behörde könne dann das Verfahren auf den neuen Schaden ausdehnen und eventuell kürzer terminieren, der Ersatzpflichtige werde auf die Gefahr eines sich vergrößernden Schadens hingewiesen. Soweit die bisherige Rechtsprechung eine Nachmeldung sich wiederholender oder fortdauernder Schädigungen für erforderlich gehalten habe, entspreche das grundsätzlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Dieser Grundsatz schließe es jedoch nicht aus, dass bei besonders gelagerten Fällen auch Ausnahmen möglich seien. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben, weil der Landwirt den Schaden als Schwarzwildschaden auf einer nach Flurstück und Schlag örtlich genau bestimmten Fläche angemeldet habe. Nur der an dieser Stelle – insgesamt – eingetretene Schaden sei im Ortstermin bewertet worden, nicht jedoch auch Schäden an anderen Orten. Soweit Schwarzwild nachträglich am selben Ort weitere Schäden verursacht habe, stelle das nur eine zu erwartende Vertiefung des bereits eingetretenen Schadens dar. Denn Schwarzwild suche ab Eintritt der Milchreife typischer Weise in regelmäßigen Abständen die ihnen bekannten Maisschläge bis zur Ernte auf. Eine zusätzliche Warnung des Ersatzpflichtigen sei daher nicht erforderlich gewesen. Im Hinblick auf die zu erwartende Schadensausweitung habe die Behörde den Ortstermin nicht sofort, sondern erst später – zeitnah zur Ernte – anberaumt, um dann den bis dahin eingetretenen Gesamtschaden festsetzen zu können. Eine Nachmeldung hätte daher ersichtlich keine zeitlich frühere behördliche Feststellung des Schadens und seiner Ursachen bewirkt. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Annahme des Landgerichts, dass der Landwirt die bis zum Ortstermin eingetretene Schadenserweiterung nicht habe nachmelden müssen, als nicht zu beanstandende Einzelfallentscheidung. Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.4.2010 – III ZR 216/09 –
IV. Ergebnis
1. Kein Grundsatzurteil, sondern ausdrücklich eine Einzelfallentscheidung. Gleichwohl sind ihr einige wichtige Regeln zu entnehmen. 2. Der Grundsatz, dass ein Landwirt seine Flächen alle vier Wochen beziehungsweise monatlich kon – trollieren muss, wird insoweit modifiziert, als er nicht als starre Regel für alle Fälle gilt. Entscheidend ist immer die jeweilige Situation, vor allem die „Schadensträchtigkeit“ des betroffenen Feldes (je naheliegender ein Schaden, desto enger die Kontrollpflicht). 3. Es bleibt dabei: Neue Schäden müssen grundsätzlich zusätzlich fristgerecht angemeldet werden. Fortdauernde und sich wiederholende Schäden sind daher in der Regel nachzumelden. 4. Hiervon kann es aber im Einzelfall Ausnahmen geben, wenn wegen weiterer Umstände eine Nachmeldung ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint. Ein solcher Fall war hier gegeben, . weil die Schäden unstreitig von Schwarzwild stammten, und . weil Schwarzwild nach Eintritt der Milchreife bekanntlich weitere Schäden verursacht, der Ersatzpflichtige also nicht mehr gewarnt werden musste, und . weil es lediglich eine zu erwartende Erweiterung eines örtlich fixierten, bereits angemeldeten Schadens war, Schäden an anderer Stelle nicht einbezogen wurden, und vor allem . weil die Behörde ausdrücklich den Ortstermin erst kurz vor der Ernte anberaumt hat, um auch alle weiteren Schäden zu erfassen, sodass eine Nach meldung der Schadensausdehnung nicht zu einem früheren Ortstermin geführt hätte (was aber unzulässig ist, weil der Ortstermin „unverzüglich“ anberaumt werden muss, um die Ursachen der Schäden sicher zu klären).