323 JVG – Beseitigung von Unfallwild, Probleme mit dem Versicherungsschutz
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. Kraft Gesetzes sind Beschäftigte sowie Personen, die wie Beschäftigte tätig werden, über die Berufsgenossenschaft versichert. § 2 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch VII 2. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII 3. Arbeitsunfälle sind Unfälle eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII
II. Der Sachverhalt
Im Dezember 2009 ereignete sich auf der B 414 ein Wildunfall, bei dem ein Stück Schwarzwild getötet wurde. Einige Tage später entsorgte der Jagdaufseher das verunglückte Stück. Dabei zog er sich beim Verladen eine kleine Stichwunde zu, die sich nachträglich entzündete. Daraufhin wurde der Schaden bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gemeldet (WuH, 16/2010, S. 11)
III. Der Bescheid
Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Ein Arbeitsunfall sei ein Unfall, den eine versicherte Person infolge einer versicherten Tätigkeit erlitten habe. Zu den klassischen versicherten Tätigkeiten im Jagdbetrieb zählten neben der Hege, das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild. Diese Tätigkeiten umfasse der Unfallversicherungsschutz, soweit sie innerhalb des Revieres ausgeübt würden. Die Straßenkörper, einschließlich der Randstreifen, würden davon nicht erfasst. Die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für Unfälle bei der Beseitigung von Fallwild sei deshalb nur gegeben, wenn ein „direkter Zusammenhang“ mit dem Jagdbezirk bestehe, wenn also Fallwild im eigenen Revier beseitigt werde. Der Jagdaufseher habe sich die Verletzung „auf dem Straßenkörper beziehungsweise Randstreifen“ der Bundesstraße zugezogen, also „nicht im Jagdrevier“. Folglich habe er im Unfallzeitpunkt „nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung“ gestanden. Die Betreuung der Straßen einschließlich der Beseitigung von Unfallwild obliege den zuständigen öffentlichen Stellen (Straßenmeisterei o.ä.). Land- und Forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Hessen, Rheinland– Pfalz und Saarland, Bescheid vom 11.6.2010
IV. Anmerkungen
Diese Entscheidung ist aus mehreren Gründen unzutreffend. Zunächst einmal sind die Straßen im Revier einschließlich der Randstreifen und Böschungen Teile des Jagdbezirks, sodass jagdliche Handlungen aller Art auf diesen Flächen dem Versicherungsschutz unterliegen. Aus § 8 Abs. 1 BJagdG ergibt sich, dass alle Grundstücke einer Gemeinde zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, ausgenommen die Eigenjagdbezirke. Das gilt auch dann, wenn die Grundstücke befriedet sind oder auf ihnen die Ausübung der Jagd wegen Gefährdung Dritter nicht möglich ist. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist einerseits, dass der Jagdausübungsberechtigte zwar ein Aneignungsrecht hinsichtlich des Unfallwildes hat, aber keine Aneignungspflicht besteht. Er kann daher jederzeit auf eine Aneignung verzichten. Andererseits ist er grundsätzlich nicht zur Beseitigung von herrenlos gebliebenem Unfallwild verpflichtet. Zuständig hierfür sind die maßgebenden öffentlichen Stellen. Hieraus folgt: 1. Hat sich der Jagdausübungsberechtigte das verunglückte Wild angeeignet, muss er es als Eigentümer vorschriftsmäßig auf seine Kosten entsorgen oder entsorgen lassen, weil er es in seine alleinige Verfügungsgewalt genommen hat. In diesem Falle gehört die Entsorgung zu seinen jagdrechtlichen Pflichten und damit zur versicherten Tätigkeit. Er ist deshalb unfallversichert. 2. Hat sich der Jagdausübungsberechtigte das Wild nicht angeeignet, so bleibt es herrenlos. Eine gesetzliche Pflicht zur Entsorgung besteht für ihn in diesem Falle in der Regel nicht. Vielmehr ist es Aufgabe der zuständigen Körperschaft (der Kreise und kreisfreien Städte), das Wild ordnungsgemäß zu entsorgen. Besteht aus speziellen Gründen der Hege, des Tierschutzes oder der Wildseuchenbekämpfung eine jagdrechtliche Beseitigungpflicht, so ist der Jagdausübungs berechtigte ausnahms weise zur Entsorgung verpflichtet. Hierbei ist er ebenfalls unfallversichert. 3. Beseitigt der Jagdausübungsberechtigte oder sein Helfer das Wild freiwillig und unentgeltlich „aus gutem jagdlichem Brauch“, so erledigt er damit eine öffentliche Aufgabe. Ob diese Tätigkeit stets noch zum Jagdbetrieb im weiteren Sinne gehört und damit unfallversichert ist, ist fraglich und obergerichtlich noch nicht entschieden. Sieht man im Aufnehmen des Wildes und Verbringen zur Beseitigungsstelle in eigener Verantwortung zugleich eine Aneignung, wofür gute Gründe sprechen, würde Versicherungsschutz auch hier eindeutig bestehen. Um in diesen Fällen für Rechtsklarheit zu sorgen, haben sich die einzelnen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (LBG) nach Auskunft der LBG Nordrhein- Westfalen darauf verständigt, den Versicherten bei der Entsorgung von Unfallwild auf und an Straßen generell Unfallschutz zu gewähren. Damit dürfte der Betroffene stets unfallversichert sein, wenn er sich bei der Bergung, auf der Fahrt oder beim Abliefern verletzt. Zu beachten ist, dass das Entsorgen von Unfallwild häufig erhöhte Risiken birgt. Denn Wildunfälle ereignen sich vor allem bei Nacht, auf verkehrsreichen Straßen, an unübersichtlichen Stellen und außerhalb geschlossener Ortschaften. Entsprechend hoch ist die Gefahr, beim Beseitigen des Wildes einen Schaden zu erleiden oder einen anderen zu schädigen. Besondere Sorgfalt ist daher oberstes Gebot (Warnblinker einschalten, Warnschild aufstellen und Warnweste anlegen).
V. Ergebnis
1. Bei der Entsorgung von Unfallwild, das sich der Jagdausübungsberechtigte angeeignet hat, gewährt die Berufsgenossenschaft Unfallschutz, weil die Beseitigung in eigener Sache erfolgt und damit zum Jagdbetrieb gehört. Das gilt natürlich nur für versicherte Personen (Jagdausübungsberechtigte mit Ehegatten, Jagdaufseher und Jagdhelfer). 2. Die Entsorgung von Unfallwild, das sich der Jagdausübungsberechtigte nicht angeeignet hat und daher herrenlos geblieben ist, ist grundsätzlich Aufgabe der zuständigen öffentlichen Stellen. Eine Beseitigungspflicht des Jagdausübungsberechtigten besteht in diesem Falle nicht, außer aus besonderen Gründen der Hege, des Tierschutzes oder der Wildseuchenbekämpfung. In letzterem Falle besteht Versicherungsschutz. 3. Entsorgt der Jagdausübungsberechtigte oder sein Helfer das Unfallwild freiwillig und kostenlos ohne Aneignung „aus gutem jagdlichem Brauch“, so erledigt er damit eine öffentliche Aufgabe. Ob auch diese Tätigkeit versichert ist, ist obergerichtlich noch nicht geklärt. Gleichwohl gewähren die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auch hier Unfallschutz, um Rechtsun sicherheiten zu vermeiden. 4. Wer auf Nummer sicher gehen will, der sollte bei der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft schriftlich anfragen, ob die Entsorgung von Unfallwild generell eine versicherte Tätigkeit ist, also auch bei einer Beseitigung von herrenlos gebliebenem Wild. Ansonsten ist an eine private Unfallversicherung zu denken, die diese Schäden abdeckt. 5. Ist das Wild infolge des Unfalles verendet, darf es nicht mehr an andere zum Verzehr abgegeben werden. Der Eigenverbrauch ist nach einer Fleischuntersuchung, bei Schwarz wild auch Trichinenuntersuchung, erlaubt. War das Wild nur verletzt und wurde durch Fangschuss oder Abfangen erlöst, ist sowohl Weitergabe als auch Eigenverbrauch nach Fleisch und Trichinenuntersuchung erlaubt.