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337 JVG – Wann sind Schutzzäune notwendig?

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337 JVG – Wann sind Schutzzäune notwendig? FELDMÄSSIGER ANBAU VON GEMÜSE

337 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Der Wildschaden, der an … Freilandpflanzungen von Gartengewächsen entsteht, wird … nicht ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen.“ § 32 Abs. 2 BJagdG 2. „Als übliche Schutzvorrichtungen … sind außer anderen üblichen geeigneten Mitteln wilddichte Zäune anzusehen 1. gegen Rot-, Dam-, Sika- und Muffelwild in Höhe von 1,80 Meter (m), 2. gegen Rehwild in Höhe von 1,50 m, 3. gegen Schwarzwild und Kaninchen in Höhe von 1,20 m über der Erde und 0,30 m in der Erde.“ § 37 DVO LJG NRW

II. Der Sachverhalt
Landwirt L. hatte auf seinem Grundstück großflächig feldmäßig Spargel angebaut, der von Wildkaninchen erheblich beschädigt wurde. Seine Forderung auf Wildschadensersatz lehnte der Jagdpächter mit der Begründung ab, dass Spargel ein Gartengewächs sei und daher vom Geschädigten durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen hätte geschützt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei ein Ersatz ausgeschlossen. Das Amts- und das Landgericht gaben dem Pächter recht, der Landwirt legte Revision ein.

III. Das Urteil
Der Bundesgerichtshof wies die Revision auf Kosten des Landwirts zurück, weil Spargel ein Gartengewächs sei und im konkreten Fall nicht allein durch den feldmäßigen Anbau zu einer Feldpflanze geworden sei. Folglich habe L. seinen Spargel durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen schützen müssen. Ohne diesen Schutz sei ein Ersatz ausgeschlossen. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 22.7.2004 – III ZR 359/03 – (WuH 1/2005, S. 104) könne ein Gartengewächs durch großflächigen Anbau zu einer Feldpflanze werden, wenn folgende Voraussetzungen gegeben seien: • Der feldmäßige Anbau des Gartengewächses muss sich auf ein Gebiet von erheblich mehr als einem Landkreis erstrecken, • der gartenmäßige Anbau dieses Gewächses muss im Vergleich zum feldmäßigen Anbau kaum noch eine Rolle spielen, • der feldmäßige Anbau muss in der Region schon seit Jahren nachhaltig betrieben werden und • als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung „einiges Gewicht“ haben. Wann der feldmäßige Anbau „einiges Gewicht“ hat, könne sich aus der Größe der Anbaufläche, dem Umsatz und dem Ertrag durch die Pflanze, der Anzahl der hierfür eingesetzten Beschäftigten oder – vor allem – aus dem Anteil an der Gesamtackerfläche, beziehungsweise der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Gebietes, ergeben. Auf den Anteil an der gesamten Gemüseanbaufl.che komme es nicht an. Denn werde in der Region nur wenig Gemüse angebaut, könne bereits eine geringe Fläche mit dem Gartengewächs einen hohen Anteil an der Gesamt-Gemüseanbaufl.che ausmachen, ohne dass dem Anbau einiges Gewicht an der landwirtschaftlichen Erzeugung insgesamt zukäme. Betrage der Anteil des feldmäßigen Anbaus der Gartenpflanze – wie im vorliegenden Falle – weniger als ein Prozent der Gesamtackerfläche der Region, könne man in aller Regel ausschließen, dass ihm „einiges Gewicht“ zukomme, sodass das Garten gewächs nicht als Feldpflanze einzustufen sei. Bundesgerichtshof, Urteil vom 3.12.2009 – III ZR 139/09 –

IV. Anmerkungen
Bei feldmäßigem Anbau von Obst und Gemüse ist die Unterscheidung von Gartengewächsen (Schutzvorrichtungen notwendig) und Feldpflanzen (Schutzvorrichtungen nicht notwendig) von entscheidender Bedeutung. Denn handelt es sich um Gartengewächse, muss der Geschädigte die üblichen Schutzvorrichtungen gegen Wildschäden errichten und instand halten, andernfalls hat er keinen Anspruch auf Wildschadensersatz. Handelt es sich dagegen um Feldpflanzen, kann der Geschädigte auch ohne die üblichen Schutzvorrichtungen Schadensersatz verlangen. Im ersten Falle ist es also Sache des Geschädigten, Wildschäden zu verhindern, im zweiten Sache des Jagdpächters, sofern er im Pachtvertrag den Ersatz übernommen hat. Üblicherweise zählen zu den Feldpflanzen beispielsweise Mais, Getreide, Kartoffeln, Rüben und Raps, während zu den Gartengewächsen vor allem Gemüse, Obst und Zierpflanzen gehören. Diese Unterscheidung kann bei einem überregionalen feldmäßigen Anbau der Gartengewächse unter den oben im Urteil genannten Voraussetzungen durchbrochen werden mit der Folge, dass das Gartengewächs zur Feldpflanze wird und dadurch Wildschäden ohne Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen ersetzt werden müssen. Nach diesem Urteil ist die Gefahr, dass feldmäßig angebautes Gemüse durch die Errichtung üblicher Schutzvorrichtungen geschützt werden muss, nicht besonders hoch. Denn zum einen muss sich der Anbau des betroffenen Gartengewächses (nicht der Gemüseanbau insgesamt!) über eine größere Region erstrecken, zum anderen muss ihm an der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung dieser Region „einiges Gewicht“ zukommen. Das ist in aller Regel nicht der Fall, wenn die Anbaufläche des Gartengewächses in dem betreffenden Gebiet weniger als 1 Prozent der gesamten Ackerfläche beträgt. Wo genau die Grenze liegt, ob beispielsweise bei drei Prozent oder bei fünf Prozent, wird leider nicht gesagt. Auch im Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 18.2.2008 – 16 U 26/07 – wird keine exakte Grenze genannt. Dort ging es um den feldmäßigen Anbau von Buschbohnen, die nur einen Anteil von 0,5 Prozent der Gesamtackerfläche ausmachten. Der Geschädigte muss beweisen, dass die einzelnen Voraussetzungen für die Einstufung des Gartengewächses als Feldpflanze vorliegen. Das kann durch Auskünfte der zuständigen Landwirtschaftskammern oder sonstiger sachkundiger Stellen sowie durch Gutachten landwirtschaftlicher Sachverständiger geschehen. Misslingt der Beweis, entfällt der Ersatz.

V. Ergebnis
1. Ein großflächiger, feldmäßig betriebener Anbau eines Gartengewächses kann unter genau festgelegten Voraussetzungen dazu führen, dass beispielsweise Gemüse als Feldpflanze einzustufen ist und dann nicht eingezäunt werden muss. In diesem Falle sind Wildschäden auch ohne Schutzmaßnahmen zu ersetzen. 2. Beträgt der Anteil des großflächig angebauten Gartengewächses weniger als ein Prozent der Gesamtackerfläche des Gebietes, scheidet eine Einstufung als Feldpflanze regelmäßig aus. 3. Der Geschädigte muss die einzelnen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Feldpflanze beweisen.

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