353 JVG – Antrag auf Befriedung abgelehnt, Ethische Gründe
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. Grundflächen eines gemeinschaftlichenJagdbezirks, die einer natürlichen Persongehören, sind auf Antrag zu befriedeten Bezirkenzu erklären, wenn der Eigentümer glaubhaftmacht, dass er die Jagd aus ethischenGründen ablehnt. Die Befriedung ist zu versagen,soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen,dass ein Ruhen der Jagd die Belange1. der Erhaltung eines artenreichen undgesunden Wildbestands sowie der Pflegeund Sicherung seiner Lebensgrundlagen,2. des Schutzes der Land,Forst und Fischereiwirtschaftvor überm..igen Wildschäden,3. des Naturschutzes und der Landschaftspflege,4. des Schutzes vor Tierseuchen oder5. der Abwendung sonstiger Gefahren fürdie öffentliche Sicherheit und Ordnunggefährdet.Ethische Gründe liegen insbesonderenicht vor, wenn der Antragsteller1. selbst die Jagd ausübt oder die Ausübungder Jagd durch Dritte auf einem ihm gehörendenGrundstück duldet (im selben oderin einem anderen Jagdbezirk) oder2. zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidungeinen Jagdschein gelöst oder beantragthat.Der Entscheidung hat neben der Anhörungdes Antragstellers eine Anhörung derJagdgenossenschaft, des Jagdpächters, angrenzenderGrundeigentümer, des Jagdbeiratssowie der Träger öffentlicher Belangevorauszugehen.2. Die Befriedung soll mit Wirkung zumEnde des Jagdpachtvertrages erfolgen. Soferndies dem Antragsteller unter Abwägungmit den schutzwürdigen Belangen der Jagdgenossenschaftnicht zuzumuten ist, kanndie Behörde einen früheren Zeitpunkt, derjedoch nicht vor Ende des Jagdjahres liegt,bestimmen. In diesem Falle kann die Jagdgenossenschaftvom Grundeigentümer Ersatzdes Schadens verlangen, der ihr durch dievorzeitige Befriedung entsteht (zum Beispielinfolge Minderung des Pachtpreises).3. Die Befriedung ist zu widerrufen, wenn1. der Eigentümer schriftlich gegenüber derzuständigen Behörde den Verzicht auf dieBefriedung erklärt oder2. er die Jagd ausübt, einen Jagdschein löstoder die Ausübung durch Dritte auf einemihm gehörenden Grundstück duldet.4. Die zuständige Behörde kann einebeschränkte Jagdausübung auf den befriedetenFlächen anordnen, soweit dies zurVermeidung überm..iger Wildschäden, derGefahr von Tierseuchen, aus Gründen desNaturschutzes oder des Tierschutzes, derSeuchenhygiene, der Gewährleistung derSicherheit des Verkehrs auf öffentlichenVerkehrswegen oder der Abwendung sonstigerGefahren für die öffentliche Sicherheitund Ordnung erforderlich ist. Widerspruchund Klage des Eigentümers hiergegen habenkeine aufschiebende Wirkung.5. Wildschäden an Grundstücken, die zumgemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, hatder Eigentümer des befriedeten Bezirksnach dem Verhältnis seines Flächenanteilsam Jagdbezirk anteilig zu ersetzen, außerdas schädigende Wild kommt auf seinerFläche nicht vor oder der Schaden wäreauch ohne die Befriedung eingetreten.6. Der Eigentümer des befriedeten Bezirkshat keinen Anspruch auf Ersatz von Wildschädenauf seinem Grundstück.7. Die Grundsätze der Wildfolge findenauf eingewechseltes Wild Anwendung,einer Vereinbarung bedarf es nicht. DerEigentümer des befriedeten Bezirks istvorab unverzüglich zu benachrichtigen,soweit Belange des Tierschutzes nichtentgegenstehen.8. Das Aneignungsrecht am eingewechseltenWild steht dem Jagdausübungsberechtigtendes Jagdbezirks zu.9. Die vorstehenden Regelungen sind aufGrundstücke, die einem Eigenjagdbezirkangegliedert sind, entsprechend anzuwenden.§ 6a BJagdG (hier gekürzt, gültigab 6.12.2013)II. Der SachverhaltDer Eigentümer mehrerer Grundstückeeines gemeinschaftlichen Jagdbezirksbeantragte,seine Flächen vorläufig zubefriedetenBezirken zu erklären und aufihnen eine beschränkte Jagdausübungnicht zu gestatten, weil er die Jagd ausethischen Gründen ablehne. Nachdemdie Jagdbehörde den Antrag abgelehnthatte, beantragte er bei Gericht den Erlasseiner einstweiligen Anordnung mit demZiel, die Vorschriften über die Zugehörigkeitseiner Flächen zum gemeinschaftlichenJagdbezirk und seiner Person zurJagdgenossenschaft vorläufig nicht anzuwenden,ausgenommen die der Wildfolgeauf sein Gebiet und der Aneignung desdabei zur Strecke gebrachten Wildes.
III. Die Gerichtsentscheidung
Das Verwaltungsgericht lehnte dieAnträgekostenpflichtig ab, da dem Eigentümerderzeit kein Anspruch auf Befriedungseiner Flächen zustehe. Weder dasBundesjagdgesetz noch das Landesjagdgesetzsehe gegenwärtig (11.3.2013) eineBefriedung wegen ethischer Ablehnungder Jagd vor.Auch unter Zugrundelegung des Urteilsdes Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechtevom 26.6.2012 – 9300/07 – seiendie Anträge abzulehnen, da eine ernsthafteethische Ablehnung der Jagd nichtglaubhaft gemacht sei. Nach dem vorgenanntenUrteil müsse die ethische Überzeugungeinen „gewissen Grad von Entschiedenheit,Geschlossenheit und Wichtigkeit“erreichen und „tief verankert“ sein.Hiernach genüge die bloße Behauptungdes Grundeigentümers, die Jagd ausethischen Gründen abzulehnen, nicht.Vielmehr seien „objektive Umständenachzuweisen, die das Vorliegen einerernsthaften und echten Gewissensentscheidungnachvollziehbar machen“. Dassei hier nicht geschehen. In seiner eidesstattlichenVersicherung habe der Eigentümerlediglich geäußert, dass er die Jagdaus ethischen Gründen ablehne. HinreichendeAnhaltspunkte für eine tief verankertepersönliche Überzeugung seien demnicht zu entnehmen. (VerwaltungsgerichtLüneburg, Beschluss v. 11.3.2013 – 6 B 5/13– bestätigt durch das NiedersächsischeOberverwaltungsgericht mit Beschluss v.25.4.2013 – 4 ME 53/13 -– rechtskräftig)IV. AnmerkungenVorab ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungdes Gerichts nicht auf dem neuen§ 6a BJagdG beruht, weil diese Vorschrifterst am 6.12.2013 in Kraft getretenist. Grundlage der Entscheidung sind vielmehrim Wesentlichen die Urteile desEGMR in den Verfahren betreffend dieNichtbejagung von Flächen bei ethisch begründeterAblehnung der Jagd. Indiesen Urteilen hat der EGMR strengeAnforderungen an die Tiefe und Ernsthaftigkeitder Gewissensentscheidunggestellt,weil nur eine solche eine unverhältnismäßigeVerletzung des Eigentumsrechtsdarstellt. Die bloße Behauptung, dieJagd aus ethischen Gründen abzulehnen,genügt daher nicht. Vielmehr muss dieGewissensentscheidungdurch Tatsachennachvollziehbar sein, zum Beispiel durcheine eidesstattliche Versicherung oder denNachweis einer langjährigen aktiven Betätigungim Bereich des Tierschutzes.Wie dem sehr präzise und umfassendformulierten § 6a BJagdG zu entnehmenist (siehe oben I.), erfordert eine Anerkennungein umfangreiches Verfahren, indem die privaten und öffentlichen Interessender Beteiligten gegeneinander abzuwägensind. Hierbei sind auch die betroffenenJagdausübungsberechtigten anzuhören,weil sich bei einer Befriedung diebejagbare Fläche verkleinert (Pachtpreisminderung?)und sie ihr Revier am bestenkennen. Antragsberechtigt sind nur natürlichePersonen, die Eigentümer eines Grundstücksin einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk sindoder deren Fläche einem Eigenjagdbezirk angegliedertist. Ausgeschlossen sind Eigenjagdinhaberund juristische Personen (zum BeispielGmbH). Der Antrag muss sich auf alleGrundstücke des Antragstellers erstrecken, dasein Gewissen nicht teilbar ist. Dadurch ist es z.B. nicht möglich, wildschadensgefährdete Flächenauszunehmen, um den Anspruch aufWildschadensersatz nicht zu verlieren.Wildschäden innerhalb des befriedetenBezirkssind entsprechend dem Urteil des Bundesgerichtshofsvom 4.3.2013 – III ZR 233/09 –(WuH 2/2013, S. 70) nicht zu ersetzen. FürWildschäden außerhalb des befriedetenBezirkshaftet der Eigentümer flächenanteiligmit, außer das schädigende Wild kommt aufseiner Fläche nicht vor oder der Schaden wäreauch ohne die Befriedung eingetreten (beideshat er zu beweisen). Grund dafür ist die erhöhteGefahr von Wildschäden außerhalb, weil dasWild innerhalb infolge der Jagdruhe nichtbejagtund damit nicht reguliert werden kann.Die Verfolgung und Erlösung von krankgeschossenemund schwerkrankem Wild im befriedetenBezirk folgt aus dem Tierschutz, derGrundeigentümer ist unverzüglich vorher zubenachrichtigen, außer der Tierschutz verlangteine sofortige Erlösung. Das zur Strecke gekommeneWild gehört dem Jagdausübungsberechtigten.Wichtige Hinweise:• Bis zur rechtskräftigen Anerkennung gehtdie Jagd weiter wie bisher. Das Grundstückbleibt bejagbar, der Eigentümer Mitglied derJagdgenossenschaft.• Es empfiehlt sich, die wesentlichen Gründegegen eine Befriedung bei der Anhörung nichtnur vorzutragen, sondern durch ein Sachverständigengutachtenzu untermauern, damitdie Argumente mehr Gewicht erhalten.• Die Jagdgenossenschaft kann die Befriedungvor dem Verwaltungsgericht anfechten,weil sich dadurch die bejagbare Fläche ihresJagdbezirks und eventuell auch der Jagdwertvermindert. Das stellt einen Eingriff in ihrJagdausübungsrecht dar (Bundesverwaltungsgericht,Beschluss v. 24.5.2011 – 9 B 97.10 –,WuH 18/2013, S. 78). Der Jagdpächter kanndas nicht, er kann nur den Pachtpreis reduzieren,wenn sich der Jagdwert vermindert. Eventuellkann er aber zivilrechtlich von der Jagdgenossenschaftverlangen, dass sie gegen dieBefriedung vorgeht, weil sie die ungestörteAusübung der Jagd im ganzen Revier schuldet.• Aus der Befriedung des Grundstücks folgtnicht, dass die Fläche jetzt eingezäunt werdendarf, weil erst dann im Inneren „echter Frieden“herrscht. Jeder Zaun im Außenbereich isteine „bauliche Anlage“, die wegen Zerschneidungder Umgebung außerhalb und innerhalbdes Waldes sowie wegen Beeinträchtigung dernatürlichen Eigenart der Landschaft nach § 35Baugesetzbuch unzulässig ist. Das gilt grundsätzlichselbst dann, wenn der Zaun nach Landesrechtkeiner Baugenehmigung bedarf. InNaturschutz- und sonstigen Schutzgebietenliegt regelmäßig zusätzlich ein Verstoß gegendie zugrunde liegende Rechtsverordnung vor.Die Baubehörde kann die Beseitigung desZaunesanordnen und ein Bußgeld erheben.• Der vollständige Text des § 6a BJagdG ist imBundesgesetzblatt I Nr. 26 vom 6.6.2013 auf Seite1 386 abgedruckt (siehe www.bmelv.de;Landwirtschaft; Wald, Holz, Jagd; Jagd; Novelledes BJagdG; Gesetz zur Änderung jagdrechtlicherVorschriften).• Besonders wichtig sind für alle Betroffenen,Behörden und Gerichte die Erläuterungen zurAnwendung und Auslegung des § 6a BJagdG inder Begründung des Gesetzes, abgedruckt inder Bundestagsdrucksache 17/12046 (www.bundestagsdrucksachen.de; Drucksachen; Dokumenteab 18.10.2005; Wahlperiode 17,Nr. 12046; Fundstelle 17/12046).
V. Ergebnis
1. Die Anforderungen an eine Befriedung ausethischen Gründen sind hoch, weil die Jagdmit der Hege und der Vermeidung überm..igerWildschäden wichtige Aufgaben zugunstender Allgemeinheit erfüllt.2. Die betroffenen Jagdausübungsberechtigtenwerden angehört und können sich durch Abgabeeiner Stellungnahme zu dem Antrag äußern,am besten durch Beifügung eines Sachverständigengutachtens.3. Die Jagdgenossenschaft kann die Befriedunganfechten, der Pächter nur den Pachtpreisbei Reduzierung des Jagdwertes mindern.4. Wildschäden innerhalb des befriedetenBezirkssind nicht zu ersetzen, für Wildschädenaußerhalb haftet der Eigentümer grundsätzlichflächenanteilig mit.5. Die Wildfolge in den befriedeten Bezirk isterlaubt, dort erlegtes Wild unterliegt demAneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten.