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283 JVG – Ein Schuss, zwei Treffer

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283 JVG – Ein Schuss, zwei Treffer Sau durchschossen – Hund getötet

283 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ § 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch „Ein Schuss darf erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass niemand gefährdet wird.“ § 3 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschriften „Eine Gefährdung ist zum Beispiel dann gegeben, wenn Personen durch Geschosse oder Geschossteile verletzt werden können, die an Steinen, Ästen, auf gefrorenem Boden, Wasserflächen oder am Wildkörper abprallen oder beim Durchschlagen des Wildkörpers abgelenkt werden.“ Durchführungsanweisung zu § 3 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschriften

II. Der Sachverhalt
Drückjagd auf Schwarzwild, dichtes Unterholz: Vor der Jagd wurde abgesprochen, dass die Hunde in das Treiben geschickt werden, um die Sauen zu sprengen. Wiederholt waren die Hunde jagend zu sehen und zu hören. Dem Jäger J. kam plötzlich eine Frischlingsbache, die er leider krank schoss. Das angeschweißte Stück steckte sich in  einem Brombeergestrüpp. Als es sich darin bewegte, gelangte es für einen Moment in ein rund 50 x 50 Zentimeter großes Sichtfeld. J. erkannte das Stück und trug ihm den Fangschuss an. Hinter der Sau, für den Jäger nicht zu sehen und auch nicht zu hören, befand sich der Deutsch-Drahthaar des Hundehalters H.. Der Hund wurde von dem Geschoss ebenfalls getroffen und tödlich verletzt. Rund um das vorgenannte Sichtfeld war das Brombeergestrüpp uneinsehbar. Der Hundehalter verlangte vom Schützen  Schadensersatz wegen fahrlässiger Tötung seines Rüden. Der Jäger habe geschossen, obwohl er das Umfeld der Bache nicht habe einsehen können. Ausweislich des vom Hundehalter eingeholten Sachverständigengutachtens habe der Marktwert des Hundes 2 183,50 Euro betragen. Hinzu kämen noch die Gutachterkosten in Höhe von 402,50 Euro sowie eine Kostenpauschale von 25 Euro. Das Amtsgericht hat den Schützen zum Schadensersatz verurteilt. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Jäger die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt habe, da er geschossen habe, obwohl er bei Abgabe des Schusses die unmittelbare Umgebung der Bache nicht habe einsehen können. Er habe daher eine Gefährdung Dritter und der eingesetzten Jagdhunde nicht ausschließen können. Ihm sei bekannt gewesen, dass Treiber und Hunde im Treiben gewesen seien; eine Schussabgabe wäre daher nur bei klaren Sichtverhältnissen erlaubt gewesen. Der Schütze ging in die Berufung.

III. Das Urteil
Das Landgericht hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Der Jäger habe nicht fahrlässig geschossen, da der Hund im Moment der Schussabgabe weder sichtbar noch hörbar gewesen sei. Zwar dürfe nach § 3 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschriften ein Schuss erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert habe, dass niemand gefährdet werde. Vorliegend habe der Schütze aber nach den gegebenen Verhältnissen davon ausgehen dürfen, dass niemand gefährdet werde. Denn es sei unstreitig, dass in der konkreten Situation keine Gefahr für Personen bestanden habe. Allein die Tatsache, dass sich die Bache in einem um das Sichtfenster herum nicht einsehbaren Gestrüpp befunden habe, habe der Abgabe des Schusses nicht entgegengestanden. Die konkrete Gefahr, dass auch der Hund getroffen werden könnte, sei für den Schützen nicht erkennbar gewesen. Deshalb sei ihm der Tod des Hundes nicht persönlich vorwerfbar. Mit dem Tod des Hundes habe sich vielmehr das allgemeine, jeder Jagd mit freilaufenden Hunden immanente Risiko verwirklicht, hinter einem Stück Wild tödlich getroffen zu werden. Dieses Risiko sei der Hundehalter durch seine Teilnahme an der Jagd und das Schnallen seines Hundes bewusst eingegangen. Landgericht Trier, Urteil vom 3. 5. 2005 – 1 S 8/05 – IV. Anmerkungen Ein Grenzfall – und zwei gegensätzliche Urteile, die beide  mit guten Gründen vertretbar sind. Ausgangspunkt ist das Verschuldensprinzip unseres Haftungsrechts: Keine Haftung ohne Verschulden! Wer nicht wenigstens fahrlässig gehandelt hat, haftet nicht. Er kann ja nichts dafür. Deshalb legen die Gerichte bei Unfällen mit der Waffe die Messlatte zur Fahrlässigkeit relativ niedrig, damit der Geschädigte wenigstens Ersatz seiner Schäden erhält. Der Umgang mit Waffen ist nun einmal besonders gefährlich. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Dabei bedeutet das Wort „Verkehr“ nicht etwa Straßenverkehr, sondern so viel wie „im Umgang miteinander“. Fahrlässigkeit setzt also voraus, dass erstens eine Sorgfaltsverletzung vorliegt und zweitens der Eintritt der Verletzung voraussehbar und vermeidbar war. Bei einem Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften liegt in der Regel Fahrlässigkeit vor. Denn diese Bestimmungen beschreiben die wichtigsten Sorgfaltsregeln im Umgang mit der Waffe, die zur Vermeidung von Unfällen strikt einzuhalten sind. Im vorliegenden Fall kam es entscheidend darauf an, ob der Schütze schießen durfte, weil er das Ziel als Teil der krankgeschossenen Bache sicher erkannte und auch traf, oder ob er den Schuss nicht hätte abgeben dürfen, weil er die Umgebung des Wildes nicht auf Gefährdungen Dritter überprüfen konnte. Nach der unstreitigen Sachlage war auszuschließen, dass ein Mensch in gefährlicher Nähe der Bache war. Hunde waren zwar im Treiben, aber am Ort des Geschehens nicht zu sehen und nicht zu hören. Selbst wenn der Schütze die Umgebung hätte einsehen können, so hätte er auch dann den Hund hinter der Bache nicht gesehen. Dann aber war das Nichteinsehen der Umgebung und damit eine eventuelle Sorgfaltsverletzung nicht kausal für den Tod des Hundes, Ersatz der Schütze würde nicht haften. Allenfalls hätte der Schütze den Hund im freien Gelände vorher gesehen, als er der Bache gefolgt ist. Vielleicht hätte der Jäger den Hund aber auch dann vorher im Gestrüpp gesehen, wenn der Rüde eine Warnweste getragen hätte? Viele Fragen, über die man gut diskutieren kann. Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor einigen Jahren in Hessen. Auf einer Drückjagd wurde ein Stück Schwarzwild krankgeschossen und flüchtete in Richtung einer stark befahrenen Straße. Zwei Terrier verfolgten sie, stellten sie auf der Straße und verbissen sich in einer Keule. Ein Hundeführer folgt seinem Terrier, sieht das Geschehen auf der Straße, wartet eine Verkehrslücke ab und trägt von schräg hinten den Fangschuss auf das Blatt an. Im Knall verendet das Stück, doch auch der Terrier des Jagdfreundes wird tödlich verletzt. Das schwere Geschoss drang in den Wildkörper ein, wurde vom Schulterblatt um rund 90 Grad abgelenkt, durchschlug den Wildkörper und trat an der Keule wieder aus. Dort erfasste es den Hund. Auch in diesem Fall verneinte das Gericht eine Fahrlässigkeit des Schützen. Denn es sei „nur schwerlich voraussehbar“ gewesen, dass das Geschoss „um 90 Grad abgelenkt“ und den Hunde am anderen Ende treffen würde (siehe WuH 25/2000, S. 96). Der erste Fall zeigt wieder einmal, wie schnell ein Hund in dichtem Gestrüpp, im Unterholz oder im Mais in  Gefahr geraten kann. Jedem Hundehalter sei daher ans Herz gelegt, seinem Jagdhelfer in solchen Situationen eine Warnweste anzulegen. Was den Jäger und Treiber schützt, bewahrt auch den Hund vor Schaden. Das Fehlen solcher Schutzmaßnahmen in unübersichtlichem Gelände stellt in der Regel ein Mitverschulden des Geschädigten dar, das seinen Ersatzanspruch erheblich mindern kann. Das gilt für Mensch und Tier gleichermaßen (siehe hierzu WuH-Exklusiv Jagdrecht 1, S. 45 bis 61). Wird ein Jagdhund getötet, so ist grundsätzlich sein Verkehrswert zu ersetzen, also der Wiederbeschaffungswert für einen gleichwertigen Hund (gleiche Rasse, Geschlecht, Alter, Ausbildung usw.). Hinzu  kommen Zuchtausfall, Gutachterkosten sowie alle Aufwendungen, die vergeblich zur Rettung des Hundes gemacht wurden (Tierarzt, Medikamente). Bei der Verletzung eines Hundes sind ebenfalls die notwendigen Heilungskosten zu erstatten, selbst wenn sie den Verkehrswert des Hundes erheblich übersteigen (§ 251 Abs. 2 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Zuchtausfall, Gutachterkosten und sonstige, durch die Verletzung bedingte Aufwendungen kommen hinzu.Tritt infolge der Verletzung Invalidität des Hundes ein (unbrauchbar für den jagdlichen Einsatz), ist der Wertverlust zu ersetzen. Das ist die Differenz zwischen dem Marktwert vor der Verletzung und dem Restwert danach. Der Geschädigte muss beweisen, dass der Täter den Schaden durch Fahrlässigkeit verursacht hat; der Täter muss beweisen, dass den Geschädigten ein Mitverschulden trifft, falls er sich darauf beruft.

V. Ergebnis
1. Ohne Fahrlässigkeit keine Haftung. Das bedeutet, dass der Verletzte/Geschädigte keinen Ersatz erhält.
2. Bei einem Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften liegt in der Regel  Fahrlässigkeit vor.
3. Der Geschädigte muss beweisen, dass der Täter die Verletzung/Beschädigung/Tötung durch Fahrlässigkeit verursacht hat.

4. Der Täter muss beweisen, dass den Ersatzberechtigten ein Mitverschulden trifft, falls er das geltend macht.


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