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284 JVG – Unterlassungsklage gegen Hundehalter

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284 JVG – Unterlassungsklage gegen Hundehalter Unbeaufsichtigte Hunde

284 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“ § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch
2. „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig Hunde …, die ihm gehören oder seiner Aufsicht unterstehen, in einem Jagdbezirk unbeaufsichtigt laufen lässt.“ § 55 Abs. 2 Nr. 8 LJG NW 3. „Im Einzelfall gefährliche Hunde sind Hunde, die gezeigt haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder andere Tiere hetzen, beißen oder reißen.“ § 3 Abs. 3 Nr. 6 Landeshundegesetz NRW „Außerhalb eines befriedeten Besitztums … sind gefährliche Hunde an einer geeigneten Leine zu führen, … ihnen  ist ein das Beißen verhindernder Maulkorb … anzulegen.“ § 5 Abs. 2 Landeshundegesetz NRW

II. Der Sachverhalt
Der Halter eines Boxerrüden ließ seinen Hund wiederholt außerhalb seiner Einwirkung frei im Jagdbezirk laufen. Mehrfach verfolgte der Rüde einen Hasen, in zwei weiteren Fällen setzte er einem Bock und einer Ricke nach. Beide Male gelang es dem Halter nicht, seinen Hund sofort unter Kontrolle zu bringen. Der Jagdpächter befürchtete weitere Störungen durch den uneinsichtigen Hundehalter. Er beantragte vor Gericht, den Hundehalter zu verurteilen, künftig das unbeaufsichtigte Laufenlassen seines Hundes zu unterlassen.

III. Das Urteil
Das Gericht gab dem Pächter Recht. Es verurteilte den Hundehalter, es unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft zu unterlassen, seinen Hund unbeaufsichtigt im Jagdbezirk des Pächters laufen zu lassen. Nach §§ 1004, 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 8 LJG NW stehe dem  Jagdpächter ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungen seines Jagdausübungsrechts zu. Das in § 55 Abs. 2 Nr. 8 LJG NW enthaltene Verbot, Hunde unbeaufsichtigt im Jagdbezirk laufen zu lassen, sei ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, da es das Jagdausübungsrecht vor Störungen und Beeinträchtigungen durch streunende Hunde schützen solle. Es sei erwiesen, dass der Hund in der Vergangenheit wiederholt Wild verfolgt habe. Der Hundehalter habe selbst zugegeben, dass sein Rüde mehrfach einem Hasen gefolgt sei und zweimal ein Stück Rehwild gehetzt habe. In beiden Fällen sei es ihm nicht gelungen, seinen Hund sofort unter Kontrolle zu bringen. Selbst wenn der Rüde anschließend auf Pfiff oder Ruf  zurückgekehrt sein sollte, sei er zumindest zeitweilig außerhalb der erforderlichen  Einwirkungsmöglichkeit gewesen. Die dadurch bewirkte Störung des Jagdausübungsrechts sei rechtswidrig gewesen, da das unbeaufsichtigte Laufenlassen des Hundes im Jagdbezirk verboten sei. Aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit sei Wiederholungsgefahr gegeben. Dem stehe nicht entgegen, dass der Halter versprochen habe, sich in Zukunft verantwortungsbewusst zu verhalten und seinen Hund an der Leine zu führen. Denn er sei bereits früher, vor den hier geschilderten Vorfällen, auf sein Fehlverhalten hingewiesen worden, ohne dass dies zu einer ordnungsgemäßen Beaufsichtigung seines Hundes geführt habe. Amtsgericht Remscheid, Urteil vom 17. 9. 1987 – 7 C 459/87 –

IV. Weitere Urteile
1. Ein Jagdschutzberechtigter hatte auf einen wildernden Hund geschossen und ihn schwer verletzt. Kurz danach erschien der Halter des Hundes, nahm seinen Hund und brachte ihn zum Tierarzt. Dieser konnte ihn nicht mehr retten, der Hund starb. Vor Gericht verlangte der Hundehalter vergeblich Ersatz seiner Tierarztkosten. Die Verletzung des Hundes sei gerechtfertigt gewesen, so das Gericht, da der Hund außerhalb der Einwirkung seines Herrn im Jagdbezirk gewildert habe. Der Hundehalter habe daher den Schuss auf sein Tier selbst veranlasst, indem er den Hund frei habe herumlaufen lassen. Dass der Schuss nicht tödlich gewesen sei, könne dem Jagdschutzberechtigten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Nach dem Erscheinen des Halters am Ort des Geschehens sei ein Fangschuss ohne dessen Einwilligung nicht mehr zulässig gewesen. Das Verbringen des Hundes zum Tierarzt beruhe auf dem eigenen Entschluss des Halters. Amtsgericht Simmern, Urteil vom 5. 11. 1987 – 3 C 373/87 – 2. Das Verbot, Hunde im Jagdbezirk unbeaufsichtigt frei laufen zu lassen, gilt auch in den Bereichen eines Jagdbezirks, in denen die Jagd aus tatsächlichen Gründen nicht oder nur zeitweise ausgeübt werden kann. Es setzt nicht  voraus, dass sich in dem betreffenden Revierteil tatsächlich Wild aufhält, noch dass Wild durch den Hund gefährdet wird. Beispiel: Eine Hundehalterin hatte ihren Hund auf einem an die Wohnbebauung anschließenden Feld frei laufen lassen. Das Tier geriet außer Sicht, reagierte nicht mehr auf Zurufe und verfolgte zwei Stück Rehwild. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 29.1.2002 – 3 ObOWi 5/2002 –

V. Anmerkungen
Wildernde Hunde sind eine Geißel für jedes Revier. Das sonst so vertraute Wild wird unruhig, wechselt die Einstände und verschwindet schließlich ganz. 1. Schutz vor Hunden
Das Gesetz gibt dem Jagdausübungsberechtigten verschiedene Möglichkeiten, sich gegen streunende Hunde zur Wehr zu setzen:
Abschuss wildernder Hunde unter den strengen Voraussetzungen des Jagdschutzes;
Anzeigeerstattung gegen den Hundehalter wegen unbeaufsichtigten Laufenlassens seines Hundes im Jagdbezirk (Ordnungswidrigkeit);
Schadensersatz bei Tötung oder Verletzung von Wild;
Klage auf Unterlassung weiterer Störungen bei Wiederholungsgefahr. Ein Abschuss ist oft problematisch, weil die Voraussetzungen hierfür sehr eng sind und der anschließende Ärger besonders groß ist, selbst wenn man im Recht war. Eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit beeindruckt viele Hundehalter nur wenig, da die verhängten Geldbußen in der Regel gering sind, und den Schadensersatz für verletztes oder getötetes Wild zahlt in vielen Fällen die Versicherung.
Als einziges effektives Mittel bleibt oft die Unterlassungsklage. Bei ihr muss der Hundehalter im Falle des Unterliegens zunächst einmal die gesamten Gerichtskosten zahlen, einschließlich der Rechtsanwaltskosten des Jagdausübungsberechtigten. Das tut weh! Hinzu kommt, dass bei weiteren Zuwiderhandlungen ein Ordnungsgeld, bei Uneinbringlichkeit Ordnungshaft, verhängt wird, das in der Regel  höher ist als eine Geldbuße und von Mal zu Mal gesteigert wird.
Aber der Weg dorthin ist nicht ganz einfach. Denn der Jagdausübungsberechtigte muss beweisen, 1. dass der Hund in der konkreten Situation unbeaufsichtigt war und damit eine rechtswidrige Störung des Jagdausübungsrechts vorlag, und außerdem 2. dass  Wiederholungsgefahr gegeben ist. Dieser Beweis erfolgt in der Regel durch Zeugen (auch Familienangehörige können Zeugen sein) oder durch Fotografieren des Hundes beim Stöbern, Hetzen oder Reißen des Wildes. 2. Unbeaufsichtigtes Laufenlassen
„Unbeaufsichtigt“ ist ein Hund, wenn er entweder außer Ruf- oder Hörweite ist, so dass er nicht zurückgerufen werden kann (fehlende Einwirkungsund Überwachungsmöglichkeit), oder wenn die Aufsichtsperson die Kontrolle über den Hund verloren hat, dieser also eigenmächtig herumstöbert und einen Rückruf nicht sofort befolgt (fehlende Lenkbarkeit aufgrund von Ungehorsam). Entscheidend ist nicht die Entfernung zwischen Herr und Hund (obwohl diese natürlich ein starkes Indiz ist), sondern die jederzeitige Kontrolle über den Hund. Deshalb genügt es, dass der Hund nach Wild sucht oder es verfolgt und einen Rückruf nicht sofort befolgt. Ein langes Hetzen oder gar Reißen des Wildes ist nicht erforderlich. Ferner reicht es aus, dass die Aufsichtsperson die Kontrolle aus Unaufmerksamkeit oder Unwillen nicht ausübt, etwa weil sie mit einer Begleitperson ein Schwätzchen hält oder ihr Hund sich austoben soll. „Unbeaufsichtigt“ bedeutet also weniger als „wildern“; denn es ist nicht erforderlich, dass der Hund bereits Wild gefährdet. Das Verbot setzt schon früher ein als das Tötungsrecht, damit es erst gar nicht so weit kommt. 3. Anleinpflicht Hunde dürfen zwar grundsätzlich frei mitgeführt werden, da es keine generelle Anleinpflicht gibt. Aber sie müssen immer unter der Kontrolle der Aufsichtsperson bleiben und dieser strikt gehorchen. Machen sie sich selbstständig, befinden sie sich also außer dieser Kontrolle, sind sie „unbeaufsichtigt“, so dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.
Eine Anleinpflicht besteht aber
in Naturschutzgebieten und sonstigen Schutzgebieten, sofern es in der zu Grunde liegenden Rechtsverordnung vorgesehen ist (was in der Regel der Fall ist);
in Wildschutzgebieten, sofern dies in den hierzu erlassenen Bestimmungen festgelegt ist;
 ➛ in Tollwut gefährdeten Bezirken, sofern der Hund keinen wirksamen Impfschutz hat.
Im Wald besteht teilweise eine Anleinpflicht nach Landesrecht in:
Baden-Württemberg: im Bereich von Kinderspielplätzen, Spiel- und Liegewiesen sowie Wassertretanlagen;
Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein: im Wald generell;
Niedersachsen: im Wald und in der freien Landschaft vom 1. April – 15. Juli (Setz und Brutzeiten), ferner in Schongebieten, sofern die Gemeinde eine entsprechende Verordnung erlassen hat;
NRW: Im Wald außerhalb von Wegen.
Eine Anleinpflicht kann sich ferner aus ganz anderen weitgehend unbekannten  Vorschriften ergeben: den Gesetzen und Verordnungen der Länder über das Halten und Führen gefährlicher Hunde. Diese Vorschriften gelten nämlich in der Regel nicht nur für „Kampfhunde“, die nach ihrer Rasse definiert werden, sondern auch für sonstige „gefährliche Hunde“.
Zu diesen gefährlichen Hunden zählen nach Landesrecht in der Regel Hunde aller Rassen, die bissig sind oder die bereits gezeigt haben, dass sie „unkontrolliert“ Wild hetzen, beißen oder reißen. Solche Hunde dürfen außerhalb des befriedeten Besitztums nur angeleint und mit Maulkorb mitgeführt werden (Bad.- Württ.: § 2 Nr. 3, § 4 Abs. 3 und Abs. 4; Brandenburg: § 3 Abs. 1 und Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 3: Hessen: § 2 Abs. 2 Nr. 3, § 9 Abs. 1; NRW: § 3 Abs. 3 Nr. 6, § 5 Abs. 2; Rheinl.-Pfalz: § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 4; Sachsen: § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 6 Abs. 1; Schlesw.-Holstein: § 3 Abs. 3 Nr. 5, § 10 Abs. 3; Thüringen: § 1 Nr. 4, § 6 Abs. 4 der jeweiligen Landeshundegesetze). Aus dem Wort „gezeigt haben“ folgt, dass ein Fall des Hetzens, Beißens oder Reißens von Wild bereits in der Vergangenheit stattgefunden haben muss. „Unkontrolliert“ ist gegeben, wenn die Aufsichtsperson nicht in der Lage war, den Hund am Hetzen, Beißen oder Reißen zu  hindern. „Hetzen“ bedeutet ein zielstrebiges, intensives und andauerndes Verfolgen des Wildes, was in der Regel bei Hetzlaut der Fall ist. Die nach Landesrecht  zuständige Ordnungsbehörde prüft das Vorliegen dieser Voraussetzungen und stuft den Hund entsprechend ein. 4. Wiederholungsgefahr
Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn der Hund schon in der Vergangenheit  unbeaufsichtigt laufen gelassen wurde, so dass mit weiteren Verstößen zu rechnen ist, oder wenn sich der Hundehalter beim ersten Mal nach Belehrung über das Verbot uneinsichtig zeigt und zu erkennen gibt, dass er sich auch in Zukunft nicht an das Verbot halten wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Halter auf Vorhalt antwortet, dass er sich von einem Jäger nichts vorschreiben lasse, dass sein Hund sich austoben müsse, dass der Hund des Jägers ebenfalls frei herumlaufe und so weiter.
Wer ganz sicher gehen will, der verlange von uneinsichtigen Personen eine schriftliche  Erklärung darüber, dass sie künftig ihren Hund im Jagdbezirk nur unter permanenter strikter Aufsicht oder angeleint mitführen werden, um weiteren Verstößen vorzubeugen. Wird eine solche Erklärung verweigert, ist in der Regel von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.
Sehr viel eleganter ist es natürlich, den Hundeführer von der Notwendigkeit der strengen Beaufsichtigung zu überzeugen, zum Beispiel durch Hinweis auf
gefährdetes Jungwild im Frühjahr und Sommer,
Schutz notwendiger Elterntiere,
Gefahr von schweren Wildunfällen mit Haftung des Hundehalters,
Treiben des Wildes gegen Zäune oder sonstige Hindernisse,
Gefahr des Abschusses des Hundes durch einen Jagdschutzberechtigten und so weiter.

V. Ergebnis
1. Die Klage auf Unterlassung weiterer Störungen durch unbeaufsichtigtes Laufenlassen  von Hunden im Jagdbezirk ist ein wirksames Mittel gegen  uneinsichtige Hundehalter. 2. Voraussetzung ist, dass der Hund „unbeaufsichtigt“ im Revier angetroffen wird und „Wiederholungsgefahr“ besteht. 3. Außerdem stellt das  unbeaufsichtigte Laufenlassen von Hunden im Jagdbezirk nach Landesrecht eine Ordnungswidrigkeit dar. 4. Eine Anleinpflicht besteht ganz überwiegend in  Naturschutzgebieten und Wildschutzgebieten sowie teilweise nach Landesrecht im Wald. 5. Ausgenommen von der Anleinpflicht sind Jagdhunde bei befugter Jagdausübung. 6. Nach Landesrecht dürfen gefährliche Hunde, die zum Hetzen, Beißen oder Reißen von Wild neigen, nur angeleint und mit einem Maulkorb mitgeführt werden. Die zuständige Ordnungsbehörde muss dies anordnen


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