ANZEIGE

314 JVG – Sonderfall Streuobstwiese

7842

314 JVG – Sonderfall Streuobstwiese, Kein Ersatz von Wildschäden

314 JVG

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Der Wildschaden, der an Weinbergen, Gärten, Obstgärten, Baumschulen, Alleen, einzelstehenden Bäumen, Forstkulturen, die durch Einbringen anderer als der im Jagdbezirk vorkommenden Hauptholzarten einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, oder Freilandpflanzungen von Garten- oder hochwertigen Handelsgewächsen entsteht, wird, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen.“ (§ 32 Abs. 2 BJagdG) 2. „Als übliche Schutzvorrichtungen im Sinne des § 32 Abs. 2 BJagdG gelten in Baden- Württemberg wilddichte Zäune mit folgenden Mindesthöhen: Zum Schutz gegen Muffelwild 2,50 m; gegen Rot-, Dam- und Sikawild 1,80 m; gegen Reh-, Gams- und Schwarzwild 1,50 m und gegen Wildkaninchen 1 m über und 0,30 m in der Erde.“ (§ 15 LJagdGDVO Baden-Württemberg)

II. Der Sachverhalt
Der Eigentümer einer Streuobstwiese verlangte vom Jagdpächter Wildschadensersatz. Schwarzwild hatte sein Wiesengrundstück mit Obstbäumen gründlich zerfurcht, insbesondere unter den Bäumen. Der Pächter lehnte ab, da der Eigentümer die üblichen Schutzvorrichtungen (wilddichte Zäune) nicht errichtet hatte.

III. Das Urteil
Das Gericht gab dem Pächter Recht. Der Wildschaden sei nicht zu ersetzen, weil es sich bei dem Grundstück um einen Obstgarten handle, der nach § 32 Abs. 2 BJagdG vom Geschädigten durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen hätte geschützt werden müssen. Ohne diesen Schutz sei der Ersatzanspruch ausgeschlossen. Eine Streuobstwiese sei als Obstgarten einzustufen, weil nach Sinn und Zweck des § 32 Abs. 2 BJagdG hiervon solche Flächen erfasst würden, die einer erhöhten Wildschadensgefahr ausgesetzt seien und daher eines besonderen Schutzes durch den Eigentümer bedürften. Eine so hohe Wildschadensgefahr sei dem Pächter nicht zuzumuten, so dass der Schadensersatzanspruch von der Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen abhängig gemacht werde (vergleiche Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.7.2004 – III ZR 359/03 –, NJW-RR 2004, 1468; Amtsgericht Saarburg, Urteil vom 25.8.1992 – 5 C 266/92 –, JE IX Nr. 87). Bei Streuobstwiesen bestehe wie bei jeder anderen Anhäufung von Obstbäumen eine erhöhte Gefährdung durch Wild, zum Beispiel durch Fallobst. Dabei sei unerheblich, ob die Bäume in geraden Reihen oder verstreut stünden und ob die Stammhöhe hoch oder niedrig sei. Auch komme es nicht darauf an, ob das Grundstück landwirtschaftlich, gewerbsmäßig, für den Eigenbedarf oder zu Zierzwecken genutzt werde, da in jedem dieser Fälle eine erhöhte Wildschadensgefahr bestehe. Auch die Größe des Grundstücks sei ohne Belang, maßgebend sei allein das Vorhandensein von Obst. Erfasst würden sowohl Schäden an den Bäumen selbst als auch Wühlsch.den am Grund und Boden, da der Begriff Obstgarten das gesamte Grundstück erfasse. Schließlich sei unerheblich, ob die Errichtung von Zäunen im Außenbereich baurechtlich erlaubt oder verboten sei; denn dies könne nicht zu Lasten des Jagdpächters gehen, weil er auf das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Baube hörde keinen Einfluss habe. (Amtsgericht Schorn dorf, Urteil vom 11.3.2009 – 2 C 1011/08 –) III. Anmerkungen 1. Risikoverteilung bei Wildschäden. Das Gesetz hat das Risiko für die Entstehung von Wildschäden zwischen dem Eigentümer (Geschädigten) und dem Ersatzpflichtigen wie folgt verteilt: . Schäden an Wiesen und Feldfrüchten (z. B. Getreide, Mais, Rüben, Kartoffeln, Raps) sowie an Forstkulturen mit Hauptholzarten (z. B. Fichte, Tanne, Kiefer, Buche, Eiche) muss der Ersatzpflichtige verhüten (z. B. durch Elektrozaun, Wildschutzzaun oder verstärkte Bejagung), andernfalls muss er den Schaden daran ersetzen. . Schäden an Sonderanpflanzungen wie Gartengewächsen (Obst- und Gemüseg.rten, Zierpflanzen und andere, siehe oben unter Rechtsgrundlagen) sowie an Forstkulturen mit Nebenhölzern (beigemischt oder ausschließlich) muss der Geschädigte durch Errichtung und Instandhaltung der üblichen Schutzvorrichtungen verhindern, andernfalls hat er keinen Ersatzanspruch (in NRW ist gegebenenfalls die Sonderregelung des § 33 LJG NW zu beachten). Der Grund für diese ausgewogene Verteilung des Risikos besteht darin, dass Pflanzen, die im Revier großflächig vorkommen, vom Wild nicht übermäßig begehrt werden und daher nicht erhöht gefährdet sind, weil das Wild an sie gewöhnt ist. Dagegen sind Pflanzen, die nur selten vorkommen, für das Wild besonders attraktiv und daher erhöht gefährdet. Diese Gefahrenerhöhung hat der Geschädigte durch das Anpflanzen selbst geschaffen, also muss er sie durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen wieder senken. 2. Mitverschulden Wie überall im Schadensersatzrecht ist auch beim Wildschaden ein Mitverschulden des Geschädigten mindernd zu berücksichtigen. Pflügt z. B. ein Landwirt nach der Maisernte übermäßig viele Bruchkolben unter und entsteht dadurch auf der nachfolgenden Saat ein Wildschaden, weil das Schwarzwild nach den Kolben bricht, so ist das Mitverschulden des Landwirts so hoch, dass es den Ersatzanspruch vollständig beseitigt. Denn der Landwirt hat den Schaden geradezu provoziert, weil er mit dem Unterpflügen voraussehbar das Schwarzwild angelockt hat (Landgericht Schwerin, Urteil vom 8.11.2002 – 6 S 269/01 –, WuH 5/2003, S. 66). Würden Streuobstwiesen nicht als Obstgärten eingestuft, wäre nach dem Vorstehenden auch bei ihnen der Ersatzanspruch wegen Mitverschuldens ganz oder teilweise nicht gegeben, wenn der Geschädigte das Fallobst nicht ständig beseitigt hätte. Denn herumliegende Früchte ziehen das Wild besonders an. Im Außenbereich sind nach § 35 Baugesetzbuch Zäune aller Art und damit auch Wildschutzzäune grund sätzlich nur für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie ähnliche Anlagen zulässig, nicht aber für Selbstversorger, Hobbygärtner und -tierhalter. Das gilt selbst dann, wenn sie ohne Baugenehmigung errichtet werden dürfen, sofern Landesrecht nicht ausdrücklich anderes bestimmt. Ein Grundstück, das wegen der Wildschäden ohne Zaun gärtnerisch nicht nutzbar ist, ist daher auf Grund seiner Lage für diesen Zweck ungeeignet. Es steht dem Besitzer frei, es anderweitig zu nutzen, z. B. als Feld oder Wiese (Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Urteil vom 18.9.1991 – 3 S 1960/91 –, WuH 18/1996, S. 42).

V. Ergebnis
1. Wildschäden auf und an Streuobstwiesen sind nur zu ersetzen, wenn der Geschädigte die üblichen Schutzvorrichtungen errichtet und instand gehalten hat. 2. Was übliche Schutzvorrichtungen sind, bestimmt das Landesrecht (siehe hierzu und zu sonstigem Erlöschen des Anspruchs auf Wildschadensersatz „Der Jäger und sein Recht“, 5. Auflage, Verlag Paul Parey, S.188 – 196). 3. Das Errichten von Zäunen im Außenbereich ist grundsätzlich nur für land- und forstwirtschaftliche Betriebe erlaubt. Eine gärtnerische, hobbymäßige oder tierhalterische Eigennutzung reicht nicht aus.

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot