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396 JVG – Bis auf Weiteres gilt: Null Promille!

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Alkohol und Waffenumgang
Bis auf Weiteres gilt: Null Promille!
Mark G. v. Pückler

Für Jäger, die im Straßenverkehr mit der Waffe unterwegs sind, gilt die gängige 0,5-Promille-Grenze nicht. Foto: Sebastian Jakob

I. Der Fall
Ein Jäger hatte am Nachmittag zwei Viertel Rotwein und einen Wodka (30 ml) getrunken. Bald darauf, es regnete nicht mehr, fuhr er zum Ansitz ins nahegelegene Revier und erlegte vom Hochsitz einen Bock.
Ein seltsamer Zeitgenosse hörte den Schuss, alarmierte die Polizei und erklärte, dass im Wald geschossen werde und Kindergeschrei zu hören sei. Als die Polizei im Wald erschien, berichtete die Person, dass ein Geschoss dicht an ihr vorbei geflogen sei und sie seitdem permanentes Ohrenpfeifen habe. Sie erstatte daher Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das Strafverfahren endete später mit einem Freispruch, weil der Jäger in eine andere Richtung geschossen hatte.
Auf der Rückfahrt vom Ansitz wurde der Jäger von der Polizei kontrolliert und musste blasen. Dabei wurde ein vorläufiger Atemluft-Alkoholgehalt von 0,47 Milligramm pro Liter (mg/l) festgestellt. Ein anschließend auf der Wache durchgeführter, gerichtsfester Alkoholtest ergab 0,39 mg/l, was einem Blutalkoholwert von 0,78 Promille entspricht. Daraufhin widerrief die Behörde die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Jägers wegen Unzuverlässigkeit und forderte ihn auf, seine Waffen und Munition an einen Berechtigten abzugeben oder sie unbrauchbar machen zu lassen. Die Klage des Jägers hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
II. Das Urteil
1. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (NRW) hat die Berufung des Jägers mit Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. 20 A 2430/11) zurückgewiesen. Es entschied, dass der Jäger unzuverlässig ist, weil er mit seiner Waffe nicht vorsichtig und sachgemäß umgegangen sei (§ 5 Abs. 2 Nr. 2b WaffG). Denn er habe Alkohol in einer Menge getrunken, die typischerweise eine Beeinflussung des Verhaltens im Sinne einer Enthemmung, einer erhöhten Risikobereitschaft und einer nachlassenden Reaktionsfähigkeit bewirkt. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass ab einem Blutalkoholgehalt von 0,5 Promille – wie im Straßenverkehr (§ 24a Straßenverkehrsgesetz) – allgemein mit diesen Folgen zu rechnen ist. Hierbei sei unerheblich, ob im konkreten Fall ein auffälliges Verhalten des Betroffenen festgestellt wurde oder eine konkrete Gefahr bestanden hat.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Jägers mit Urteil vom 22. Oktober 2014 (Az. 6 C 30.13) ebenfalls zurückgewiesen. Es hat keine 0,5-Promille-Grenze festgelegt, sondern auf die typischen Ausfallerscheinungen beim Genuss von Alkohol abgehoben. Die Kernaussage seines Urteils, der Leitsatz, lautet: „Vorsichtig und sachgemäß im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2b WaffG geht mit Waffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zur Gefährdung Dritter führen können.“ Mit dieser Aussage schränkt das Bundesverwaltungsgericht den Genuss von Alkohol weiter ein und verlangt letztlich wohl null Promille beim Gebrauch der Waffe.
Bei der hier vorliegenden Alkoholmenge von 0,78 Promille, so das Gericht, waren typische Ausfallerscheinungen wie eine verminderte Reaktionsfähigkeit, eine geringere Wahrnehmungsfähigkeit sowie Enthemmungen nicht sicher auszuschließen. Der Jäger sei daher das Risiko eingegangen, zu schädigen. Die Tatsache, dass er trotz dieses Risikos von seiner Waffe Gebrauch gemacht hat, rechtfertige die Prognose, dass er auch in Zukunft mit Waffen und Munition nicht vorsichtig und sachgerecht umgehen wird. Die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken seien nur bei solchen Personen hinnehmbar, von denen anzunehmen ist, dass sie jederzeit und in jeder Hinsicht mit Waffen und Munition ordnungsgemäß umgehen werden. Das sei nicht der Fall bei Personen, die von ihrer Waffe in einem Zustand Gebrauch gemacht haben, in dem mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu rechnen war.
Ob tatsächlich Auffälligkeiten oder eine Gefährdung anderer vorgelegen habe, sei unerheblich. Denn unvorsichtig sei der Gebrauch der Schusswaffe bereits dann, wenn der Betroffene das Risiko solcher Ausfallerscheinungen eingeht. Entscheidend sei, ob der betreffende Umgang mit der Waffe typischerweise (also allgemein) als riskant einzustufen ist. Das sei beim Genuss von Alkohol zu bejahen. Ein Schusswaffengebrauch unter Alkoholeinfluss stelle daher einen Fehlgebrauch dar, der bereits für sich genommen die Unzuverlässigkeit begründet.
III. Anmerkungen
Nach meiner Ansicht ist dem Urteil nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen, ob beim Gebrauch der Waffe stets null Promille verlangt werden oder ob Unzuverlässigkeit erst dann gegeben ist, wenn ein Zustand erreicht wird, ab dem allgemein mit Ausfallerscheinungen zu rechnen ist. Die Worte im Leitsatz „…wer sie in nüchternem Zustand gebraucht…“ weisen deutlich auf eine Null-Promille-Grenze hin, ebenso die Aussage, dass bereits ein Schusswaffengebrauch unter Alkoholeinfluss für sich die Unzuverlässigkeit begründet. Demgegenüber deutet die Formulierung „…wer eine Waffe in einem Zustand gebraucht, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können…“ darauf hin, dass bei geringsten Mengen Alkohol, bei denen nicht mit Ausfallerscheinungen zu rechnen ist, keine Unzuverlässigkeit vorliegt. Wo diese Grenze verlaufen soll beziehungsweise ab wann man das Risiko von Ausfallerscheinungen eingeht, ist jedoch völlig unklar, da die Auswirkungen von Alkohol individuell sehr unterschiedlich sind. Im Straßenverkehr liegt bereits in der Regel ab 0,3 Promille relative Fahrunfähigkeit vor, wenn im konkreten Einzelfall beim Fahrer typische Ausfallerscheinungen festgestellt werden.
Im strengeren Waffenrecht dürfte die Grenze noch darunter liegen, sofern es überhaupt einen Grenzwert geben wird. Denn wegen der individuell unterschiedlichen Wirkung des Alkohols liegt es nahe, wie bei der relativen Fahrunfähigkeit auf den tatsächlichen Zustand im Einzelfall abzustellen.
Nicht entschieden wurde die Frage, ob auch das Führen der Waffe unter Alkoholeinfluss, zum Beispiel schussbereit auf der Pirsch oder entladen auf der Fahrt zur und von der Jagd, die Unzuverlässigkeit zur Folge hat. Angesichts der damit verbundenen Gefahren und des präventiven Charakters des Waffengesetzes wird es wohl kaum ein Gericht hinnehmen, dass alkoholisierte Jäger mit geladener Waffe durch die Wälder streifen. Auch unterwegs und im Revier wird man daher wohl vom Jäger verlangen, dass er nüchtern ist, wenn er seine Waffen führt.
Das dürfte auch gelten, wenn der Ehegatte oder Sohn, die selbst keine Waffenbesitzkarte haben, das Fahrzeug steuert. Denn auch in diesem Fall ist der Jäger alleiniger Inhaber der tatsächlichen Gewalt und damit Führer seiner Waffe. In einem solchen Fall würde zwar ein verkehrsrechtlicher Verstoß vermieden, zum Beispiel eine Trunkenheitsfahrt, nicht aber auch ein waffenrechtlicher. Denn nur wer selbst eine Waffenbesitzkarte besitzt, darf die Waffe eines anderen transportieren (§ 34 WaffG). Als optimale Lösung nach einem Alkoholgenuss bleibt daher die Möglichkeit, die Waffe einem nüchternen Jagdfreund vorübergehend zu übergeben, damit dieser sie – und erforderlichenfalls auch den Jäger – sicher nach Hause bringt und die Waffe dort im Tresor eingeschlossen wird.
Angesichts all dieser Ungewissheiten und der bekannt strengen Rechtsprechung gibt es derzeit nur eine sichere Lösung: „Null Promille beim Umgang mit Waffen.“

396 JVG
Wer die Waffe beim gemütlichen Feierabendbier im Revier nicht an einem sicheren Ort aufbewahrt, riskiert ebenfalls seine Zuverlässigkeit. Foto: Beate Siebern

IV. Ergebnis
1. Beim Schießen gilt bis auf Weiteres die Null-Promille-Grenze.
2. Ob dies auch beim sonstigen Umgang mit Waffen so ist, insbesondere beim Führen, wurde nicht entschieden. Im Hinblick auf die Strenge der Rechtsprechung ist jedoch kaum zu erwarten, dass ein Führen unter Alkoholeinfluss folgenlos bleiben wird.
3. Nach einem Alkoholgenuss ist es ratsam, die Waffe dem Inhaber einer Waffenbesitzkarte (Jagdfreund) zu übergeben, damit dieser sie – und eventuell auch den Jäger selbst – sicher nach Hause bringt. Dort muss sie im Waffenschrank eingeschlossen werden.


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