Fakten zu Flintenlaufgeschossen, TEIL III:
Welche Präzision darf man von Flintenlaufgeschossen aus diversen Waffentypen erwarten?
Wolfram Osgyan testete dazu Flintenlaufgeschosse aus 17 verschiedenen Flinten und Kombinierten.
Die „roten“ Treffer liegen im 15 cm-Kreis; die „wei8ßen“ Treffer außerhalb,… |
Von Wolfram Osgyan
Bekanntlich macht Gelegenheit Liebe. Wenn ich mich so in meinem jagdlichen Umfeld umschaue, dann haben sich die wenigsten der Gelegenheitsjäger große Gedanken über Präzision und Treffpunktlage der Flintenlaufgeschosse aus ihren diversen Waffen gemacht und schon gar nicht, wenn ihnen damit einmal Waidmannsheil beschieden war.
Was aber können und dürfen wir von Flinten beziehungsweise Kombinierten erwarten und worauf müssen wir uns einstellen, wenn sie nicht eigens auf FLG-Schussleistung getrimmt wurden?
Licht in das Dunkel sollte ein Anschießen diverser Waffen in den Schrotkalibern 12/70, 16/70 und 16/65, 20/70 und 20/76 aus meinem Bekanntenkreis bringen: Bockflinten, Querflinten und eine Selbstladeflinte waren ebenso vertreten wie Bockbüchsflinten sowie Drillinge mit und ohne Zielfernrohren.
Gleichmäßiges visieren über die Schiene
Von einer Ausnahme abgesehen handelte es sich bei den Kombinierten um solche mit fest verlöteten Läufen. Die Auswahl der 17 Kandidaten: Fünf Drillinge, drei Bockbüchsflinten, zwei Querflinten, sechs Bockflinten sowie eine Selbstladeflinte erfolgte allein nach dem Prinzip der Verfügbarkeit. Nur drei von ihnen waren in der Vergangenheit schon einmal auf FLG-Schussleistung hin überprüft worden.
Geschossen wurde stehend aufgelegt auf 35 Meter. Dabei diente die WuH-Anschussscheibe als Ziel. Für Schüsse über das Zielfernrohr galt die Mitte des Spiegels als Haltepunkt, für solche über die offene Visierung der untere Rand des größeren der beiden Zielkreise. Um möglichst gleichmäßiges Abkommen zu erhalten, ist es wichtig, die Waffe ausreichend zu fixieren. Dabei hat die stehende Position den Vorteil, dass die Waffe in der Oberkörperhaltung wie sie beim Schrotschießen üblich ist, angeschlagen wird. So findet ihre Kappe an der richtigen Stelle der Schulter Anlage. Das wiederum erleichtert gleichmäßigeres Visieren über die Schiene. Desgleichen wird auf diese Weise der Rückstoß besser aufgefangen.
Welche Bewegungen selbst die aufgelegte Waffe während des Abziehens vollzieht, wurde immer dann deutlich, wenn mit ein- und demselben Gewehr über das Zielfernrohr und über die offene Visierung geschossen wurde. Hier machten sich auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die teilweise recht hohen Widerstände der Schrotabzüge unangenehm bemerkbar. Ferner fällt es ungleich schwerer, über die Schiene ein Ziel auf 50 Meter statt auf 35 Meter exakt anzuvisieren. Selbstredend steigen mit der Entfernung auch die Abkommensfehler.
Angemessene Abkühlpause berücksichtigen
Zu beachten gilt es auch, dass sich die Treffpunktlagen der Flintenlaufgeschosse aus verlöteten Läufen abhängig von der individuellen Erwärmung der Läufe verändern. Daher will nach jedem Schusspaar pro Waffe eine angemessene Abkühlpause berücksichtigt sein. Um die schützenbedingte Streuung so gering wie möglich zu halten, wurden alle Schüsse von der gleichen Person übrigens ausschließlich mit Rottweil Brenneke aus aktueller Fertigung abgegeben. So viel zu den Rahmenbedingungen.
Und so sahen die Ergebnisse aus: Zunächst einmal trafen auf 35 Meter alle abgefeuerten Projektile die 60×80 Zentimeter messende Kartonage mit der WuH-Scheibe. In den mittigen Zielkreis von 15 Zentimetern Durchmesser schlug jedoch nur jedes zweite Geschoss ein. Daraus resultierte ein Gesamtstreukreis-Durchmesser von 66 Zentimetern. Mit 62 Zentimetern war dabei die Höhenstreuung fast doppelt so groß wie die Breitenstreuung (35 Zentimeter). Letztgenannter Wert repräsentiert auch die maximale Breitenstreuung von zwei hintereinander abgefeuerten Läufen einer Waffe. Die größte Abweichung zwischen den Treffpunktlagen über das Zielfernrohr und der offenen Visierung betrug 33 Zentimeter. In nur einem Fall schossen die FLG sowohl über das Zielfernrohr als auch über die offene Visierung jagdlich noch vertretbar zusammen. Desgleichen verursachte ein neues Munitionslos bei der vormals „Fleck“ schießenden Selbstladeflinte einen Hochschuss von zehn Zentimetern. Nach Aufdrehen des Polychokes in Richtung „Medium“ und „Zylinder“ reduzierte sich die Höhenabweichung auf Null, doch wanderte die mittlere Treffpunktlage um 13 Zentimeter nach rechts. Bei dieser Choke-Einstellung blieb die Treffpunktlage übrigens auch auf 50 Meter konstant. Dass alle verwendeten Bockflinten nicht nur sehr gut zusammen, sondern – bei Haltepunkt handbreit unter der Mitte – punktgenau und damit besser als die meisten anderen Waffen schossen, fiel schon auf (siehe Tabelle auf der nächsten Seite).
Hand auf`s Herz
Wie wir sehen, verdaut ein nicht kleiner Teil der Waffen das verwendete Flintenlaufgeschoss so schlecht, dass ein jagdlicher Einsatz unverantwortlich wäre. Es ist aber durchaus möglich, dass die individuellen Ergebnisse mit einem anderen Fabrikat sowohl besser als auch schlechter ausfallen können. Das gilt sowohl für das Zusammenschießen der Läufe als auch für die Abweichung vom Haltepunkt.
Mehr als zehn Zentimeter Differenz der Treffpunktlagen beider Läufe zueinander – wie gehabt – sind zwar nicht berauschend, doch müssen sich die Einschläge nicht zwangsläufig außerhalb des Streukreises von 15 Zentimetern Durchmesser befinden. Mit Sicherheit aber tun sie es, wenn die einzelnen Schusslöcher mehr als 7,5 Zentimeter vom Mittelpunkt entfernt sitzen. So gesehen sind Abweichungen der Treffpunktlage – egal nach welcher Seite hin – das größere Übel. Fällt es nämlich in der jagdlichen Stress-Situation schon schwer, bei stehendem Wild und gutem Licht bewusst einen veränderten Haltepunkt zu wählen – Wer zielt schon unbefangen auf Pansen oder Waidsack, um das Blatt zu treffen? Wer hält guten Gewissens am Brustkern an, damit das Geschoss den Weg in die Kammermitte findet? – überfordert solches Tun den Schützen mit Sicherheit, wenn das Wild in Bewegung ist. Er müsste nämlich zwei Variable (Vorhalt und Anhalt) gleichzeitig beherrschen. Und selbst der als Mindestvoraussetzung ausgewiesene 15-Zentimeter-Streukreis deckt bei Frischlingen oder Füchsen nicht mehr zur Gänze die absolut tödliche Zone ab.
Hand auf’s Herz, würden Sie mit einer Büchse jagen wollen, deren Präzision schon unter optimalen Bedingungen keine Gewähr bietet, dass Sie auf Schrotschussentfernung jedes Mal sauber eine Untertasse treffen? Warum darf dann dem FLG recht sein, was der Kugel nicht mehr billig ist?
Erfolgreich auf einer Drückjagd bestehen
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt – quer durch alle Fabrikate – nicht wenige Waffen, die so hervorragend mit FLG’s schießen, dass man mit ihnen auf 35 Meter eine Streichholzschachtel treffen kann. Ich hatte das Vergnügen, bei Krieghoff und Blaser eine ganze Reihe von ihnen ausprobieren zu dürfen, und ich hätte auch keine Bedenken, damit auf einer Drückjagd erfolgreich zu bestehen. Doch sie repräsentieren halt den Weizen. Doch was lässt sich mit der Spreu, also den Produkten anfangen, die bereits angesprochenen Mindestnormen nicht genügen?
Manchmal wirken Hilfsvisiere Wunder
Die Suche nach einem präziser treffenden Flintenlaufgeschoss kann einen Ausweg aus der Misere darstellen. Es gibt Büchsenmacher, die diesen Service anbieten, die über einen ausreichenden Vorrat an diversen FLG-Fabrikaten verfügen und neben ihrer Arbeitszeit nur die verbrauchte Munition in Rechnung stellen. Dieser Weg befreit einen schon von unnötigen Munitionskosten und dem Problem, die nicht geeignete zu entsorgen. Falls er zum gewünschten Ziel führt, empfiehlt es sich, ausreichend von der Einschießmuntion zu „bunkern“. Selbstverständlich bieten auch sämtliche Hersteller entsprechende Leistungen an.
Manchmal wirken Hilfsvisiere Wunder. Über sie lässt sich nämlich die Treffpunktlage bis zu einem gewissen Grad korrigieren. Entscheidend bleibt aber, dass sie keine Anschlagsveränderungen abverlangen und die schnelle Zielerfassung ermöglichen.
Greifen diese Maßnahmen nicht, wird guter Rat teuerer. Zu DDR-Zeiten wurde in solchen Fällen vorzugsweise der Choke nachgearbeitet, sofern die Bohrung eng genug war. Den meisten Spielraum belässt hier natürlich der Vollchoke, denn bekanntlich reibt die Ahle nur weg und nicht drauf. Nachdem sich Suhler Betriebe in diesem Metier bestens auskennen, wären sie auch der richtige Anlaufpunkt. Freilich kann eine solche Nacharbeit zu Lasten der Deckung der Schrotgarbe gehen. Diese aber bei einer erfolgreich geführten Jagd- oder gar Wurftaubenflinte zugunsten einer verbesserten FLG-Schussleistung preiszugeben, wäre geradezu töricht.
Lifting mit hohem Kostenaufwand
Beim Drilling wiederum gestaltet sich die Sache zur Güterabwägung. Braucht es die Schrotschussleistung beider Flintenläufe? Ist der rechte für den Einstecklauf vorgesehen? Will man mit dem linken über das Zielfernrohr Haarwild erbeuten oder Schwarzwild, beziehungsweise werden für das Dreirohr künftig überhaupt noch Schrotpatronen benötigt? Und schließlich: Soll der Drilling mit FLG bei Pirsch, Ansitz oder Bewegungsjagd, über die offene Visierung oder mit einem großen beziehungsweise Drückjagdzielfernrohr eingesetzt werden? Nicht viel anders sieht es mit den Bockbüchsflinten aus.
Auseinandernehmen des Laufbündels, erneutes Zusammenlegen und Löten der Läufe (Garnieren) braucht viel Erfahrung und frisst Zeit sowie Euro. Manchmal so viele, dass damit eine Drückjagdbüchse finanziert werden könnte. Ein Waffenbesitzer muss dann schon gute Gründe haben, wenn er seine Braut mit hohem Kostenaufwand liften lässt. Kauft übrigens jemand beim Krieghoff-Stützpunkthändler eine Neuwaffe, und lässt sie nachträglich im Werk auf FLG-Schussleistung trimmen, so fallen für ihn nicht mehr Kosten an als wenn er eine solche Schussleistung vorbestellt hätte.
Waidmannspflicht und Verantwortung
Als Alternative zum Garnieren bietet das Ulmer Unternehmen den Einbau von Wechselchokes an, vorausgesetzt, dass sich Laufinnen- und außendurchmesser innerhalb vorgegebener Normen bewegen.
Ungleich pflegeleichter sind in Sachen FLG-Nachrüstung Krieghoffs thermostabile BBF- und Drillings-Versionen sowie die BBF-Modelle „95“ oder „97“ beziehungsweise Drillinge „Duo 99“ aus dem Hause Blaser; denn deren Schussleistung kann auch hinterher ohne Löt- und Brünierarbeiten mit vertretbarem Aufwand korrigiert beziehungsweise durch Distanzstücke respektive Brillenelemente an der Mündung im gewünschten Sinne verändert werden.
Flintenlaufgeschosse sind immer nur so gut wie sie treffen. Sollen sie mit von der Partie sein, steht unabhängig von Alter und Fabrikat der Waffe am Anfang immer das Probieren an und zwar das auf die Scheibe. Die Waidmannspflicht und die Verantwortung gegenüber der Kreatur gebieten nämlich, dass jeder die Schussleistung und Treffpunktlage der jeweils verwendeten Waffe kennt, bevor er damit auf Wild schießt und dass er die Finger von all dem lässt, was einer sauberen Ausübung des grünen Handwerks im Wege steht.
… der Kreis verdeutlicht, welche Organe die Schüsse treffen würden |