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Kein Requiem auf die Beizjagd

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Weltkulturerbe Falknerei:
Aus vermeintlichen Tierschutzgründen würden grüne Politiker gerne die Beizjagd abschaffen. Doch mit dem Ende der Falknerei geht mehr verloren als nur eine Jagdart. Der Staat greift nach einem Stück wertvollen Menschheitswissens, Kultur und Freiheit.

 

Von Prof. Monika E. Reiterer

Totgesagte leben länger, wenn sie gesundgebetet wurden … oder: fence and forget it – schütze es und vergiss es! … oder: use it or lose it – nütze es, oder du verlierst es! – Alle drei Aussagen treffen wohl in besonderer Weise auf die Jagd mit abgetragenen Vögeln zu. Es muss gelingen, die bei so manchen Tier- und Naturschützern missliebige Beizjagd „gesundzubeten“. Es muss gelingen, verständlich zu machen, dass ein Totalschutz von Greifvögeln und deren Beutetieren zu einem prekären Zustand in der kaum mehr natürlichen Natur Europas führen würde. Und es muss gelingen, erkennbar werden zu lassen, dass in unserer menschengeprägten Natur nur mehr durch eine sensible Nutzung die verbliebene Restnatur und deren kulturell erhaltenswerte, vererbenswerte Prägungen gesichert werden können.

Gestatten wir uns ein Beispiel aus einem anderen Problemfeld, damit deutlich wird, dass wir auch im Bereich „Beizjagd“, wie der Volksmund sagt, die Kirche im Dorf lassen sollten: Jedes einzelne Exemplar afrikanischer Elefanten hat für einen im elften Stock seiner städtischen „Betonburg“ körperlich und seelisch eingezwängten europäischen Tier- und Naturschützer eine ganz andere Bedeutung, als für den afrikanischen Bauern, dem die Elefantenherde immer wieder das mühevoll eingebrachte und langsam hochkommende Saatgut auf seinen bescheidenen Feldern zertrampelt.

Und bei den Vögeln? – Für jedes einzelne Exemplar eines Aras in Käfighaltung, dem nie ein Freiflug in „Mutter Natur“ möglich ist, außer er entwischt seinem Besitzer, während dieser den Käfig reinigt, für jeden dieser Aras müsste an sich ein „Haltungsgutachten“ eingeholt werden, das die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen dieser Käfighaltung überprüft. – Ist das übertrieben? Wollen wir polemisieren? Nein, weder noch! Unser Ziel ist es einzig und allein, das verengte Blickfeld vieler, die sich an der Diskussion um ein Verbot der Haltung von Greifvögeln durch Beizjagd und um die Abschaffung der Beizjagd beteiligen, zu weiten. Aber Achtung: Wer zulässt, dass sein Blickfeld sich weitet, sein Denkhorizont größer wird, der geht das Risiko ein, den Andersdenkenden verstehen zu lernen und nicht mehr bekämpfen zu müssen. Dadurch könnte ein kleines Stück „Paradies“ erhalten werden. Ja, „Paradies“, denn das altpersische Wort „paridaida“ (avestisch: „pairi-daeza“) bezeichnete einen von einer Ummauerung eingeschlossenen, weitläufigen Park mit jagdbarem Wild (!), Badebassins und ähnliches; Xenophon (um 434 bis ca. 355 v. Chr.) verwendete das Wort zur Bezeichnung der riesigen Parks persischer Adeliger. Ein Paradies ist folglich gehegte, gestaltete Natur mit (!) Jagdmöglichkeit.

Beizjagd ist eine der ältesten Jagdformen

Die Kunst, mit Vögeln zu jagen, ist ein Weltkulturerbe. Dass dieses derzeit noch lebendige Weltkulturerbe geschützt werden muss, das steht für jeden einsichtigen Kenner der internationalen Natur- und Kulturschutzszene außer Frage: Die Jagd mit dem abgetragenen Beizvogel ist eine der ältesten Jagdformen. Vor Erfindung weittragender Schusswaffen war sie die einzige Jagdform, die es ermöglichte, Flugwild im Flug und „kleinere“ Vierläufige, wie Füchse oder junges Rehwild, in Bewegung zu erbeuten. – Da die Jagdausübung durch den Menschen eine der bedeutungsvollsten Wurzeln der Kulturisation der Gattung „Homo“ ist, und da – wie gesagt – die Beizjagd eine der ältesten Jagdformen ist, die einen dementsprechend umfassenden kulturellen „footprint“ in der Entwicklung der Menschheit hinterließ, wäre es im wahrsten Sinn des Wortes eine „Kulturschande“, die Beizjagd verbieten zu wollen. – Andreas Gryphius (1616 – 1664) schrieb: „Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein; / wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein (…).“ – Was eingerissen ist, kann wieder aufgebaut werden. Einmal verbotene Tätigkeiten und dann vergessene Kenntnisse aber, noch dazu Kenntnisse, die durch eine der ältesten Künste – „De arte venandi cum avibus“ / Von der Kunst, mit Vögeln zu jagen!, wie das Buch Kaiser Friedrich II. heißt – weitergegeben werden, wären ein kultureller Verlust mehr, den unsere Generationen zu verantworten hätte. Aus der Zivilisationspanik entstehen überzogene geistige Naturschutzwesten; und einmal in diesen Zwangsjacken steckend, soll das „Kulturkind“ Beizjagd mit einem politisch eingefärbten Badewasser ausgeschüttet werden.

Die Lernfähigkeit von Greifvögeln ist begrenzt

„Beizjagd ist Hetzjagd“ ist einer der am lautesten hörbaren Vorwürfe. – Eigenartigerweise hat der Begriff „hetzen“ in den Ohren der Jagdgegner einen negativen Klang, obwohl sie selbst oft von einer Demonstration zu anderen „hetzen“ und das durchaus „normal“ finden. – Es muss einmal klargestellt werden, dass „hetzen“ grundsätzlich nichts anderes heißt als „jagen, antreiben, verfolgen“. Der negative Nebensinn von „aufwiegeln, zu Hass antreiben“ ist seit dem 12. Jahrhundert belegt, sollte aber tunlichst nicht als einziger Bedeutungsinhalt des Wortes ausgegeben werden. Zu Hass antreiben kann man nur einen Menschen, weil Tiere die Empfindung des Hasses nicht kennen! – Grundsätzlich sei festgehalten, dass Tiere, die in entsprechender Jagdkondition auf das für sie arttypische Beutetier „losgelassen“, das heißt freigesetzt werden, nichts anderes ausführen als die ihrer Natur entsprechende Form der Jagd, und diese naturgemäße Jagd ist zum Beispiel bei Hunden oder Geparden das so genannte Hetzen, das heißt nichts anderes als das rasante Nachjagen über ihrer Art gemäße Distanzen.

Bei der Beizjagd wird der Beizvogel nicht zum Nachjagen „aufgehetzt“, weil dies gar nicht ginge: Die Lernfähigkeit von Greifvögeln ist begrenzt; sie können nicht abhängig gemacht werden wie ein Hund. Und in dem Moment, wo das Beutetier in einer Deckung verschwindet, endet der Jagdflug des Beizvogels. Überdies ist der anjagende Beizvogel für das Beutetier artbekannt, weshalb es mit seinerseits arttypischem Vermeidungsverhalten reagiert.

Immer wieder ist auch von „Hungermethoden“ die Rede, die zur „Abrichtung“ von Beizvögeln verwendet würden. Nochmals, ein „Abrichten“ wie bei einem Zirkuspferd ist aufgrund der biologischen Prägung von Beizvögeln nicht möglich. Und was als „Hungermethode“ missverstanden wird, das ist nichts anderes als Konditionierung vor dem Jagdflug, genauso wie ein Skirennläufer sich vor dem Weltcuprennen nicht den Bauch vollstopft, um es ganz einfach zu sagen. Optimale Fitness haben weder Mensch noch Tier in vollständig gesättigtem Zustand. Jeder Sportmediziner weiß das. Und wer wirklich Hunger leidet, Mensch wie Tier, ist ebenso nicht zu erfolgversprechenden Leistungen fähig. Es ist daher sinnwidrig, beim sogenannten Abtragen des Beizvogels oder beim Vorbereitungstraining auf die Jagd von „Hungermethoden“ zu sprechen.

Der dritte besondere Stein des Anstoßes ist die sogenannte Anbindehaltung. Ein Gedanke müsste an sich genügen, um diesen Stein beiseite zu rollen: Kein verantwortungsvoller Hundebesitzer sperrt seinen Hund in einen Zwinger und nimmt ihn dann nur an einer kurzen Führleine zum „Äußerln“ mit, ohne ihm täglich wirklichen Freilauf zu bieten. – Jeder verantwortungsbewusste Falkner gibt seinem Vogel genügend Möglichkeit zum Freiflug, auch außerhalb der Jagd. Hin und wieder längeres Stillsitzen an einem Ort hat weder Mensch noch Tier je geschadet, da es im Verhalten beider grundgelegt ist, sich nicht fortdauernd zu bewegen. Auch in freier Natur sitzen Vögel oft stundenlang auf Bäumen, wie zum Beispiel Habichte, bevor sie aktiv werden.

Die Ausbildung von Beizvögeln ist tiergerecht

Wer aus Unkenntnis oder aus Kurzsichtigkeit gegen die Jagd im allgemeinen und gegen die Beizjagd im besonderen zu Felde zieht, der scheint zu vergessen, dass freie Jagdausübung ebenso ein demokratisches Recht ist beziehungsweise bleiben muss wie zum Beispiel der Genuss von Fleisch. Möglicherweise ist den meisten (Beiz-) Jagdgegnern gar nicht bewusst, dass sie an den Grundfesten demokratischer Rechtsauffassung rütteln und sich dadurch zu Wegbereitern äußerst gefahrvoller Strömungen machen beziehungsweise machen lassen.

Der „Internationale Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd / CIC“, dessen Vertreter maßgeblich am Zustandekommen jener IUCN-Entscheidung mitwirkten, die die nachhaltige Nutzung der Natur als den wesentlichen Bestandteil des Naturschutzes festschrieb, setzt sich auch aus guten Gründen für die Erhaltung des Weltkulturerbes „Beizjagd“ ein. Die „Kommission für Falknerei und Erhaltung der Greifvögel“ im CIC erarbeitete unter Kommissionspräsident Peter Sapara bereits im Jahr 2000 auf der Grundlage von veterinärmedizinischen Erkenntnissen eine Resolution, in der unter anderem festgestellt wird, dass die Ausbildung von Beizvögeln tiergerecht ist. Und kein Geringerer als Konrad Lorenz schrieb, dass ein verletzter Greifvogel nur (!) durch das Abtragen „nach allen Regeln der Falknerskunst“ wieder in gute Verfassung gebracht werden könne. Wenn diese Regeln der Falknerskunst nicht wirklich tiergerecht wären, hätte sie dann der Großmeister der Verhaltensforschung, hätte sie dann Konrad Lorenz je empfohlen, noch dazu als einzige zielführende Methode?

Das Grunderlebnis des Jagens und alle damit zusammenhängenden Erfahrungen und Erkenntnisse sind eine wesentliche Wurzel der Kulturisation der Gattung „Homo“. Und innerhalb dieses Prozesses der Kulturisation, das heißt auf dem Wege zu immer differenzierteren Lebensformen der Gattung „Mensch“, führte die „Kunst, mit Vögeln zu jagen“, in verschiedensten Teilen der Welt zu Hochblüten kulturellen Lebens.

Mehr Einblick für Kritiker und Gegner schaffen!

Ob wir an jene Zeit denken, in der in den Ebenen des nördlichen Asien sich die Reitkunst entwickelte und mit ihr die Kunst der Beizjagd, oder ob wir daran denken, dass durch die Eroberungszüge der innerasiatischen Reitervölker (Skythen, Iranier, Mongolen) die Kunst des Reitens und der Beizjagd nach China, Indien und Persien gelangte, um in Folge auch in Europa bekannt zu werden – stets entwickelten sich im Umfeld der Falknerei, der Beizjagd, bildende Kunst und Literatur zu höchsten Höhen. – Die enorme Wertschätzung der Greifvögel und der Beizjagd in fast allen Kulturen sollte ein ausreichender Nachweis dafür sein, dass dort, wo diese Jagdform zurückgedrängt oder gar verboten wird, ein weiterer Edelstein aus dem Bildungs-, Kenntnis- und Erkenntniskanon menschlicher Kultur herausgebrochen wird. Dieser Kanon, das heißt die Gesamtheit im besten Sinn des Wortes, mustergültiger Erfahrungen, der Generationen und Abergenerationen Anlass zum besseren Verständnis der Mitnatur und zu Kreativität in verschiedensten künstlerischen Bereichen war, würde aus Unkenntnis und kurzfristigem Denken, durch ein Ignorieren der ganzheitlich-kulturellen Menschheitsentwicklung zerstört.

Die Falknerei war stets – im positiven Sinn – die Kunst einer multikulturellen Gesellschaft: Als Beispiel diene die Falknerei in Sizilien ab dem 9. Jahrhundert n. Chr., in jenem Sizilien, dessen Kultur von Arabern (Sarazenen) ebenso geprägt wurde wie von Muslimen, Christen, Juden, Byzantinern und Levantinern. – Eine multikulturelle Jagdart wie die Beizjagd, eine multikulturelle Kunstform wie die Falknerei sollte gerade in einer Gesellschaft wie der unseren, die so sehr nach Multikulturalität drängt, vom Stein des Anstoßes zum erhaltenswerten Symbol, zum Weg-Weiser werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten freilich auf Seiten der Kritiker und Gegner viele gebetsmühlenhaft wiederholte Vorurteile einem rigorosen, das heißt einem wirklich gestrengen, möglichst objektiven Monitoring unterzogen werden. Begleitende Maßnahmen seitens der Beizjäger sollten eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und eine Vereinigung der europäischen Falknerverbände sein – über so manchen einseitig-fachlichen Kleinkrieg hinweg.

Für die Beizjagd, das heißt für die Falknerei, gilt im Besonderen, was für die Jagd im Allgemeinen zutrifft: Mehr Einblick für Kritiker und Gegner schaffen! Mehr kultursoziologisch-ganzheitliche Kenntnisse und Erkenntnisse in den eigenen Reihen vermitteln! Die Begeisterung für eine traditionsreiche Jagdform, für eine erhaltenswerte Kunst mit der ganzen Kraft aufrichtiger Emotionen vermitteln; sich nicht hinter pseudosachliche Coolness zurückziehen! – Es geht um die Erhaltung eines kulturellen Erbes, das jedem gebildeten Weltbürger ein Anliegen sein müsste. Es geht um die Erhaltung von Jagdkultur, im speziellen um die „Kunst, mit Vögeln zu jagen“.

Abschließend dazu noch ein Zitat von Phillip N. Destoches, 1732: „La critique est aisée, et l´art est difficile“, was heißt: Die Kritik ist leicht, und die Kunst ist schwer. Ein Leitsatz, den sich die Politik zu Herzen nehmen sollte.

Der Stauferkaiser Friedrich II. wuchs in einer multikulturellen Gesellschaft auf und schrieb eines der bedeutendsten Bücher der Falknerei:“De arte venandi cum avibus“

 


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