Dr. Ernst-Ulrich Wittmann will eine weitere Demontage des BJV verhindern (Foto: privat)
Seine Kandidatur sorgte für einen Paukenschlag: Dr. Ernst-Ulrich Wittmann tritt auf dem Landesjägertag gegen den bisherigen BJV-Präsidenten Ernst Weidenbusch an. WILD UND HUND sprach mit dem Herausforderer zu seinen Beweggründen und seinen Zielen.
Im Vorfeld des Landesjägertags mit Neuwahlen am 2. April in Augsburg war es bemerkenswert ruhig unter den bayerischen Kreisgruppen. „Man erfährt halt nicht viel aus dem BJV“, lautete eine häufige Antwort, wenn man sich unter den Vereinsvorsitzenden nach der Stimmung erkundigte. Der Oberbayer Dr. Ernst-Ulrich Wittmann fiel auf, weil er Infobriefe an seine Vorstandskollegen versandte und kritisch die Sachpolitik des Verbandes hinterfragte. Bei Veranstaltungen geriet er immer wieder mit dem BJV-Präsidenten aneinander. Vivienne Klimke von WILD UND HUND hat mit ihm gesprochen.
WuH: Herr Wittmann, Sie haben zwei Tage vor dem Landesjägertag bekannt gemacht, dass Sie als Präsident kandidieren wollen. Warum so spät?
Wittmann: Durch den intensiven Wahlkampf vor der letzten Neuwahl 2020 war in den Kreisgruppen eine deutliche Erschöpfung zu erkennen, auch bezüglich einer neuen Auseinandersetzung in einem weiteren Wahlkampf. Deshalb haben wir uns entschieden, diese Zeit möglichst kurz zu halten. Außerdem wollten wir dem neuen Präsidium ausreichend Zeit einräumen, sich vielleicht doch noch einzuarbeiten und nicht sofort wieder in den Wahlkampfmodus schalten zu müssen.
WuH: Was hat Sie motiviert, sich um dieses momentan schwierige Amt zu bewerben?
Wittmann: Seit der Wahl von Ernst Weidenbusch wurden sehr tiefgreifende Änderungen vorgenommen, die ursprünglich angepriesene Transparenz des neuen Präsidiums hat sich aber nicht eingestellt. Ein Beispiel ist die Neugestaltung des Verbandlogos, wo die Kreisgruppen sogar aktiv außen vorgehalten wurden. Auch ist die Kommunikation zwischen den Kreisgruppen und der Geschäftsstelle sowie dem Präsidium schwieriger geworden. Fragen aus der Kreisebene werden spät oder gar nicht beantwortet, wer kritisch fragt, ist schnell ein Querulant.
WuH: Wahlkampfversprechen von „Team Zukunft“, das heute unter Ernst Weidenbusch am Ruder ist, waren zum Beispiel: „Volle Transparenz bei den Finanzen des Verbandes und der Arbeit des Präsidiums“, „Stärkung der Mitsprache der Kreisgruppen“ und „Organisation des BJV als Dienstleister: Kreisgruppen sind Kunden“. Sehen Sie als Kreisgruppenvorsitzender diese Ziele verwirklicht?
Wittmann: Nein, leider nicht. Die Kreisgruppen haben zwar die Möglichkeit, online dem öffentlichen Teil der Präsidiumssitzungen beizuwohnen, jedoch fehlt die darüberhinausgehende Kommunikation und die entsprechende Einbindung. Über Entscheidungen wird nicht ausreichend informiert. Die Kreisgruppen müssen aber entweder direkt oder durch die Regierungsbezirksvorsitzenden aktiv eingebunden werden. Dies beginnt nicht erst bei einer vollendeten Entscheidung, sondern bereits in der Entscheidungsfindung.
WuH: Konnte der Verband sich bei Themen wie Vegetationsgutachten oder Wolf besser durchsetzen, sehen Sie Fortschritte?
Wittmann: Das Verfahren des Vegetationsgutachtens ist längst schon bis zur Abschussplanung abgeschlossen. Eventuell vom Landesverband angestoßene Änderungen sind aber bis dato weder bei den Kreisgruppen angekommen noch bei der aktuellen Umsetzung berücksichtigt worden.
Beim Wolf hat der BJV in der Vergangenheit eine sehr zurückhaltende Position eingenommen. Das hatte zur Folge, dass bei der Entscheidung über den Abschuss eines Wolfs in Oberbayern im Dezember der Verband erst nach dem Erlass der Allgemeinverfügung und der heftigen Intervention des betroffenen Kreisverbandes in Berchtesgaden einen Schulterschluss mit den anderen Organisationen und Verbänden suchte. Aus der Sicht der betroffenen Kreisverbände ist es aber dringend notwendig, die Jäger auch gegen übertriebenen Eifer der Administration zu schützen und entsprechend weitsichtig zu handeln.
WuH: Auch der umstrittene Leitsatz „Wald vor Wild“ sollte ja weg…
Wittmann: In Bezug auf „Wald vor Wild“ hat das neue Präsidium mit radikalen Worten den Standpunkt gegenüber verschiedensten Verbänden und Organisationen rücksichtslos vertreten. Im ersten Ansatz war das vielleicht positiv und im Sinne des Wilds zu begrüßen. Es hat aber zur Folge gehabt, dass die Kommunikationswege zu den anderen Verbänden und Organisationen extrem belastet wurden und das über Jahre entwickelte Netzwerk in erhebliche Mitleidenschaft gezogen. Die starke Stimme des Jagdverbands, die früher in der Entscheidungsfindung beachtet und berücksichtigt wurde, hat erheblich verloren.
WuH: In der BJV-Geschäftsstelle hat sich seit der Wahl personell viel verändert, fast zwanzig feste oder externe Mitarbeiter haben den BJV verlassen, einige davon wurden gekündigt. Finden die Kreisgruppen noch ihre Ansprechpartner für Probleme und fachliche Fragen?
Wittmann: Für Detail- und Sachfragen ist es schwieriger geworden, im Landesverband Antworten zu bekommen. Mit dem Ausscheiden der Vielzahl von Mitarbeitern hat von außen betrachtet ein Generationenwechsel stattgefunden, er hat aber auch dazu geführt, dass das über Jahre entwickelte und angeeignete Wissen in vielen Bereichen vollständig verloren gegangen ist und nicht mehr zur Verfügung steht. Das führt zu unvollständigen oder unklaren Antworten aus dem Präsidium, wenn es um Fragestellungen aus der Vergangenheit geht, zum Beispiel zur Berufsgenossenschaft oder zur Rechtsschutzversicherung.
WuH: Sie haben vor Kurzem ein Schreiben an alle Kreisgruppen versandt, in dem sie explizit die Verbandsarbeit in Sachen Landwirtschaftliche Sozialversicherung aufgegriffen haben. Warum?
Wittmann: Das Thema landwirtschaftliche Sozialversicherung ist ein Paradebeispiel, wie der Verband durch die unverständliche Personalpolitik nahezu all sein internes Wissen zu Hintergründen und Verfahren verloren hat. Bei den Mitgliedern, die in der Vergangenheit den Hinweisen und Empfehlungen des Präsidiums gefolgt sind, hat das zu erheblichem Vertrauensverlust geführt. Sich beschwert und ihren Unmut über diese Art der Kommunikation geäußert haben die Mitglieder innerhalb der Kreisverbände. Wir haben sie an das Präsidium weitergeleitet, aber auch hier blieben Fragen offen, die ich versucht habe, mit meinem Schreiben aufzuklären. Die Rückmeldungen auf meinen Brief waren durchweg positiv und haben hoffentlich zu einem besseren Verständnis beigetragenen. Ich habe betont, dass nicht alles, was in der Vergangenheit angestoßen und auch mit langem Atem verfolgt wurde, schlecht war. Hier muss auch eine Wertschätzung gezeigt werden.
WuH: Sämtliche Fachausschüsse des BJV wurden vom neuen Präsidium aufgelöst und über Bewerbungen neu besetzt, einige sind offenbar verschollen, wie das Jägerinnenforum. Wie erleben Sie die Zuarbeit der fachlichen Gremien?
Wittmann: Die Fachausschüsse sind nicht mehr für die Kreisgruppen, sondern nur noch für das Präsidium zusammengestellt und eingerichtet worden. Einige Ausschüsse haben sich noch nicht einmal getroffen, entsprechend leidet die Sacharbeit. Die vorherigen verdienten Mitglieder der Fachausschüsse wurden größten Teils ohne Information „ausgewechselt“ und ein Dank für das langjährige Engagement hat trotz Nachfrage nicht stattgefunden. Unser ehrenamtlich organisierter Verband lebt vom Einsatz und dem Engagement unserer Mitglieder. Ihr individuelles Wissen in allen jagdlichen Fragen muss genutzt werden und nicht durch eine rigide Organisation und Hierarchie im Keim erstickt werden. Das kann wieder besser werden, sobald die Fachausschüsse in die Lage versetzt werden, an den Sachthemen zu arbeiten, wobei aus meiner persönlichen Perspektive die Arbeit auch die Freiheit haben muss, sich auch selbst zu organisieren und auszurichten.
WuH: Welche Stimmung nehmen Sie bei Partnerverbänden und -organisationen und in der Politik wahr, hat sich der BJV wieder „auf Augenhöhe“ positioniert, wie es Ernst Weidenbusch in einem WuH-Interview nach seiner Wahl angekündigt hat?
Wittmann: Der BJV hat innerhalb des letzten Jahres deutlich an Einfluss bei den verschieden Partnerverbänden und -organisationen verloren. Dies liegt zum einen an der Art der Kommunikation des Präsidiums, als auch an der Überhöhung eigener, individueller Argumente. Wir haben uns in den letzten Wochen immer wieder mit Kollegen aus anderen Landesjagdverbänden und mit Partnerverbänden, wie dem Bauernverband ausgetauscht, und die Wahrnehmung ist leider ernüchternd. Es muss dringend versucht werden, dass die Gesprächsebenen mit den Verbänden wie Bauernverband, Waldbauernvereinigung, Forstpartie, den Ämtern und Ministerien nicht weiter belastet wird, sondern dass man auch unterschiedliche Argumente austauschen kann. Wir haben eine klare Haltung für unser Wild, aber wir müssen für unsere Interessen im Dialog bleiben. Das ist derzeit nicht mehr der Fall.