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Stellungnahme des Univ.Professor Dr.med.vet. Reinhold R.Hofmann

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Univ.Professor Dr.med.vet. Reinhold R.Hofmann, Fachtierarzt für Wildtiere Gründungsdirektor des Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) Berlin in einer Stellungnahme zum Zwischenbericht des Projekts „Jagdstrategien und Waldschäden“ bzw. „Synchronisation der Jagdzeiten beim Rehwild“ ( M. Müller et al., TU Dresden/Tharandt, 2012).

Es gehört schon viel Ahnungslosigkeit – oder Unverfrorenheit – dazu, diese zielorientierte Aktion ein „Forschungsprojekt“ zu nennen. Seit den fantasievollen, panikerzeugenden Begründungen und Prognosen der Waldsterben-Forschung ist man von Forstwissenschaftlern so einiges gewöhnt; ihr Glaubwürdigkeitsproblem müsste an sich zur Vorsicht mahnen.
Die Dresdener Autoren um M. Müller sprechen daher auch nicht wie andere Forscher im Bereich der Angewandten Naturwissenschaften zunächst von einem hypothetischen Forschungsziel, sondern sie nennen ihr Projekt sogleich „zielorientiert“. Damit ist das Ergebnis vorweg genommen: länger als bisher (auf) noch mehr Rehe zu schießen.
Da fragt man sich: wozu also soll hier überhaupt noch geforscht werden? Denn was da im Zwischenbericht steht, sind ja auch keine Forschungsergebnisse. Es sind vielmehr mit Tabellen gespickte und mit Verlaufskurven und Säulendiagrammen offenbar für Laien herausgeputzte Abschuss-Statistiken, wie sie in Deutschland, dem Bürokraten-Paradies, die Forst- und Jagdbehörden seit fast 80 Jahren produzieren. Wahrheitsgehalt: fast immer fragwürdig.
Da ist es schon erstaunlich, dass die Autoren eine Zunahme von 8% der auf „Bewegungsjagden“ erlegten Rehe als Begründung für die (längst angestrebte) Aufhebung der Schonzeit für Rehböcke vom 16.10. bis 15.01. anführen. Die Wahrheit ist, dass das ganze aufwendige, aktionistische „Forschungsprojekt“ à priori erreichen sollte, dass auf „Bewegungsjagden“ (meist illegale Hetzjagden) jedes den Schützen anlaufende Reh beschossen werden kann – ohne vorheriges Ansprechen und eventuelle illegale Abschuss-Folgen. Feuer frei für die forstliche Schädlingsbekämpfung!
Jeder ernst zu nehmende Wissenschaftler muss es als Hohn empfinden, dass dieses immerhin mit Staatsgeldern = Steuern finanzierte Projekt als Forschung bezeichnet wird. Es ist bestenfalls eine „zielorientierte“ (s.o.) Streckenanalyse, die völlig logischerweise auch die schwankende Streckenentwicklung im Jahresverlauf aufzeigt, eigentlich eine Binsenweisheit für Jäger und Förster. Es ist aber beschämend, dass Forst-Autoren einer waldreichen und wohlhabenden Kulturnation, wo man ständig von Biodiversität und Ökologie spricht, die im Jahresverlauf wechselnde Aktivität des Rehwildes ausschließlich unter dem Aspekt betrachten, wann man diese unerwünschten Tiere am besten („effizient“!) aus dem Ökosystem Wald nachhaltig eliminieren kann.
Die von den Dresdener Autoren auf S.13 ihres Zwischenberichts vorgeschlagene Vorverlegung der Jagdzeit für Rehe/Rehböcke auf den 1.April halte ich daher für völlig verantwortungslos. Die nach dem winterlichen Mangel auf das erste Grün ins Offene drängenden Tiere (meist hoch trächtig) würden sofort – wie Antje Büker im IZW 1997 aufgrund mehrjähriger Untersuchungen im FA Buch nachwies – nämlich schon nach den ersten Schüssen im Revier in ihrer Lebensraum-Nutzung erheblich eingeschränkt!
Müller und seine Mitautoren geben zwar zu – wie sich zeigt, scheinheilig – dass man im Januar nicht mehr jagen sollte (weil die Tiere ihren Stoffwechsel um die Wintersonnenwende abgesenkt haben). Aber dafür soll die vorgeschlagene Apriljagd die wintergeschwächten Tiere schon nach drei (zur Zeit zweieinhalb) Monaten Schonzeit wieder in die Deckung verbannen – so fördert man den Verbiss, den man dann wieder empört als Wildschaden bezeichnen kann. Es ist einfach nur widerlich! In vielen Staaten ist die Forstverwaltung nicht für die Wildtierbewirtschaftung zuständig, der Wildbestand wird dennoch gut unter Kontrolle gehalten und mittlerweile erheblich fairer behandelt als in Deutschland, wo falsche Traditionen und Zuständigkeiten idiotische Konflikte perpetuieren – weil die Forstwirtschaft mittlerweile aus ihrer Zuständigkeit einen völlig undemokratischen Machtanspruch ableitet.
Nirgendwo in Europa wird so lange (9-10 Monate im Jahr) und so intensiv auf Rehe gejagt wie in der Bundesrepublik Deutschland, in der aber nirgendwo der Wald durch das Wild gefährdet ist – außer geringfügigen Einschränkungen des monetären Ertrags kann nichts nachprüfbar nachgewiesen werden. Auch der Umbau zu Mischwäldern wird nirgendwo durch das Wild verhindert, wo forstliche Könner am Werk sind (meist keine Feinde des Wildes). Die ideologisch propagierte forstliche Wild-Verfolgungswut und angebliche Schädlingsbekämpfung wird durch nichts gerechtfertigt, der Begriff Ökologie dabei aber ständig missbraucht. Der vorliegende Berichtstext überzeugt in nichts vom Gegenteil.
Die für mich als Fachtierarzt für Wildtiere scheinheilig wirkenden Ausführungen im Bericht zur „Tötungswirkung“ sollen offenbar sowohl die Lebensmittel-Hygieniker wie die (an der Problematik erstaunlich desinteressierten) Tierschützer beschwichtigen. Die angeführten, meist zu Diagrammen verarbeiteten Daten sind zudem nicht nachprüfbar.
Dass schließlich die an „Bewegungsjagden der Versuchsforstämter teilnehmenden Jäger, insbesondere Jagdgäste“ (sic!) die Aufhebung der Schonzeit zu 76-78% begrüßen, ist nicht verwunderlich und keinesfalls ein wissenschaftlicher, allenfalls ein pseudo-gesellschaftlicher Befund. „Feuer frei ohne Einschränkung“ ist der Traum aller eingeladenen und willfährigen Eventjäger. Woher die Autoren hier (S.27) ausgerechnet die Wildbiologie als Begründung für dieses Votum nehmen, wird nicht nur mir ein Rätsel bleiben.
Der Bericht bemüht sich krampfartig, die vorgegebenen Ziele zu empfehlen: mehr tote Rehe, Aufhebung der Schonzeit für Böcke bis 15.Januar – hier verharmlosend „Synchronisation der Jagdzeiten“ genannt.
So bleibt abschließend nur festzustellen: die gewinnorientierte Forstwirtschaft sieht im Rehwild nicht eine althergebrachte Komponente des Ökosystems Wald, sondern nur noch einen ideologisch zum Popanz aufgebauten Sündenbock und Schädling. Daher will sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Rehe weiter zu dezimieren. Allein diesem Ziel dient das von Müller und Mitarbeitern durchgeführte Projekt, das mit Forschung und seriöser Wissenschaft so gut wie nichts gemein hat. Ich kann mir als gebürtiger Thüringer nicht vorstellen, dass sich die demokratisch gewählte Landesregierung von Thüringen dieser rein ideologisch motivierten, einseitigen Zielstellung anschließt und derartig durchsichtige Untersuchungen als „Forschungsergebnisse“ akzeptiert oder gar umsetzt.
Prof.Dr.RR Hofmann,
Baruth/Mark, im April 2012

 

 

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