REHWILDJAGD IM WALD
Die Jagd auf Böcke und Schmalrehe steht vor der Tür. Wie Sie übers gesamte Jagdjahr noch erfolgreicher auf heimliche Waldrehe jagen, schildert WuH-Experte Hubert Kapp.
Viele Jäger sitzen sehr oft an, bekommen aber kein Reh zu Gesicht. Trotzdem ist das Rehwild da. Allerdings muss es heute keine weiten Wege vom Einstand durch bodenvegetationslose Baumhölzer zu den Äsungsplätzen mehr zurücklegen, wobei sie früher oder später an einem Hochsitz vorbeikommen könnten. Im früheren Altersklassenwald war dies anders. Die Jagd somit wesentlich einfacher. Heute wachsen den Rehen die Leckerbissen direkt in den Äser. Der Jäger muss also gezielt an die Stücke ran und darf die Jagd nicht dem Zufall überlassen. Für eine erfolgreiche Jagd muss er das Verhalten, die bevorzugten Einstände, die Äsungsplätze und den Aktivitätsrhythmus des Wildes (siehe auch WuH 6/2013, S.14) im Revier kennen. Rehe besiedeln bevorzugt reich strukturierte Bereiche mit Randlinien. Finden sie in unmittelbarer Nähe noch ausreichend Äsung, ist der Lebensraum optimal. Gerade in den heutigen Wäldern sind diese Bedingungen häufig gegeben. In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten wurden sie durch zahlreiche Stürme aufgerissen. Nachfolgender Borkenkäferbefall lichtete vielerorts die Bestände weiter. Immer wiederkehrende Durchforstungen lassen auf großer Fläche mehr Licht auf den Waldboden dringen, sodass mittlerweile häufig vielfältig strukturierte Waldbilder zu finden sind. Kurzum: Ein Paradies für‘s Rehwild.
Zunächst empfiehlt es sich, die vorhandene Infrastruktur im Revier zu nutzen. Vor allem an den Rändern von Wegen und Rückegassen sowie auf Kahlflächen wächst eine besondere Flora, weil dort noch mehr Licht auf den Boden gelangt. An diesen Ecken hält sich das Rehwild besonders gerne auf. Vor allem die unerfahrenen einjährigen Stücke, die von den adulten Artgenossen vertrieben werden, weichen bevorzugt auf diese typischen „Schmalreh-“ und „Knopfbock ecken“ aus. Natürlich kommt häufig der Einwand, dass Waldwege von allen möglichen Waldbenutzern, wie Wanderern oder Nordic-Walkern, zu allen Tages- und Nachtzeiten begangen werden. Ein Hochsitz sei dort doch nicht gut platziert. Langjährige Erfahrung hat aber gezeigt, dass der Hochsitz am Weg trotzdem sehr erfolgreich sein kann. Ebenso weit verbreitet ist die Meinung, dass das Rehwild durch die Waldbesucher gestört wird. Gestört wird aber lediglich der Jäger. Aus stark frequentierten Revieren ist hinlänglich bekannt, dass das Wild sehr gut unterscheiden kann, ob von einem Waldbesucher Gefahr ausgeht oder nicht.
Zu groß ist die Gefahr, dass sie bereits von ihren mehrjährigen Rivalen vertrieben wurden. Tagelange Ansitzerei, in der Hoffnung, den einmalig bestätigten Jährling zu bekommen, sind in aller Regel unsinnig. Der Jäger bringt dadurch mehr Unruhe ins Revier als Jagdeffizienz. Mehrjährige Stücke besetzten hingegen bevorzugt reich strukturierte Bestände, in denen sie auf möglichst kleiner Fläche möglichst viel unterschiedliche Äsung sowie Deckung finden. In naturnah bewirtschafteten Wäldern liegen Verjüngungsflächen häufig weit abseits der Wege. An deren Rändern, die häufig auch die Grenzen der einzelnen Rehbiotope sind, finden sich optimale Plätze für eine überdachte Kanzel. Zu dieser sollte ein sauber angelegter Pirschweg führen. Wichtigstes Augenmerk muss dabei auf die letzten 40 bis 80 Meter gelegt werden. In diesem Bereich sitzen auch die Rehe. Nicht das kleinste Ästchen darf den anwechselnden Jäger verraten. Rehwild hat den Ur-Instinkt, dass alles, was versucht leise umherzuschleichen, auch gefährlich ist. Haben sie etwas vernommen, werden sie die Gefahr „aussitzen“ und erst gar nicht in Anblick kommen.
Bei Kälte und Wind im Mai anzusitzen, ist reine Zeitverschwendung. Das Rehwild steht im Haarwechsel und verlässt bei solchen Wetterverhältnissen kaum seinen Einstand. Bei trockenem und mildem Maiwetter lassen sich jedoch hervorragend die frühen Morgenstunden bis in den späten Vormittag für die Jagd auf Jährlinge und Schmalrehe nutzen. Die Jagd auf die mehrjährigen Böcke sollte aus wildbiologischen, waldbaulichen und jagdstrategischen Gründen erst mit der Rehwildbrunft beginnen (siehe WuH 6/2013, S.14). Bereits Anfang Juni geht die Aktivität der Rehe zurück. Die alten territorialen Böcke sitzen bereits faul in ihren Einständen und sind regelrecht unsichtbar. Bis zum Beginn der Brunft Mitte Juli kann sich der Jäger nun anderen Dingen zuwenden. Ausnahmsweise geht er nur zur Jagd, wenn das Wetter umschlägt. Sobald das Barometer jedoch fällt oder steigt, regt sich auch im Wald die Fauna. Am Abend vor einsetzendem Regen ist das Rehwild schon früh auf den Läufen. Setzt der Regen nach einer Trockenperiode ein, so bummeln die Stücke bis lange in den Vormittag hinein in den offeneren Beständen. Besonders nach einem Gewitter lohnt es sich, im Wald nach den Rehen Ausschau zu halten. Diese verlassen dann die tropfnassen Dickungen, um an deren Rändern frisch gewaschene saftige Äsung aufzunehmen.
Wer sein Revier zusätzlich „a la càrte“, also mithilfe einer Revierkarte bewirtschaftet und alle Sichtbeobachtungen und Erlegungen übers Jahr dokumentiert, hat damit eine umfassende Planungsgrundlage für alle jagdlichen Hochphasen. Mit modernen Revierwaltungen, wie der WILD UND HUND-Revierwelt kann man beispielsweise gefundene Fegestellen, erlegte oder beobachtete Stücke noch einfacher per SMS oder als Bild per MMS vom Handy aus im digitalen Revierbuch dokumentieren und später zuhause am Rechner auswerten. Auf diese Weise kann man nicht nur gezielt zu Beginn der Jagdzeit Ausschau nach einem bestätigten Abschussjährling halten, sondern auch die Strategie für die Blattjagd zurechtlegen. Mit einem Blick ins Revierbuch erfährt der Jäger, wo er den Frühsommer über Geißen bestätigt hat. Die Chance auf einen mehrjährigen Bock ist zur Brunft dort selbstverständlich höher als anderswo. Auch im September, zur Kitz- und Geißenbejagung können diese Aufzeichnungen äußerst hilfreich sein. Nach der Brunft finden sich die mehrjährigen Böcke häufig wieder in ihren alten Einständen ein. Meist bevorzugen die älteren Recken dichte, vielfältige Einstände mit klar abgegrenzten Außenlinien, wie Hiebränder und Forstwege. Kennt der Jäger diese Plätze, kann er dort bei entsprechend gutem Spätsommerwetter Nachlese bei den mehrjährigen Böcken halten.