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Kobolde mit Biss

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JAGEN MIT DEM FRETTCHEN
Frettieren ist Spannung pur. Wie die Jagd mit dem zahmen Iltis sauber und erfolgreich abläuft, zeigt Rüdiger Klotz.

Vom Frettieren hatte ich keine Ahnung. Ich war erst zwölf Jahre alt und bekam zu dieser Zeit ein Frettchen geschenkt. Aber es klappte trotzdem: Der Albino-Rüde schliefte aus Veranlagung, die Kaninchen sprangen aus Angst, die Jäger trafen aus Erfahrung – oder auch nicht. Und ich tat, was man mir sagte. So weist mein Jagdtagebuch aus, dass allein vor „Mucki“ und „Micki“ über 900 Kaninchen geschossen wurden. Das lag aber weniger an
hohen Besätzen, die wir an der dänischen Grenze auch in den „goldenen“ 1970er Jahren nicht hatten. Es lag vielmehr daran, dass ich im Winterhalbjahr, oft auch an Schultagen,
zum Frettieren abgeholt wurde. Dann lag immer ein gutes Dutzend Lapuze auf der Strecke. Zwei davon durfte ich mir als Lohn aussuchen. So erwarb ich mir schon als Pennäler einige Frettiererfahrung. Und so mancher Jagdgast war verdutzt, dass ein jagdschein loser zwölfjähriger Steppke am Bau das letzte Wort hatte. Denn über die Bedingungen des Einsatzes kann nur der Führer entscheiden. Das ist bei der Bodenjagd mit Hunden, der Nachsuche und der Beizjagd nicht anders.
Beim Frettieren ist es wie bei der Baujagd auf Reineke:
Schlieft der Jagdhelfer, kann es ganz plötzlich ums Ganze gehen. Man muss zu hundert Prozent wach sein, sonst ist die Chance vertan. Aber das Frettieren hat im Gegensatz
zum Fuchssprengen den Charme, dass sich – zumindest in gut besetzten Revieren – viel öfter Chancen bieten. Kaninchen halten sich an keine Regeln. Sie sind schnell und unberechenbar. Sie lassen dem Jäger meist nicht viel Zeit zum Überlegen und verleiten zu unüberlegten Schüssen. Aus diesem Grund sollte der Jagdleiter schon bei der Begrüßung auf Disziplin und Standruhe als oberste Gebote hinweisen. Signalfarbene Warnbekleidung ist unabdingbar, damit sich die Schützen auch durch die Deckung auf dem Bau erkennen. Der Frettchenführer muss, da er sich ja zum Setzen und Abnehmen der Jagdhelfer auf dem Bau bewegt, ebenfalls unbedingt eine Signalweste tragen. Frettieren ist alles andere als eine herkömmliche Gesellschaftsjagd. Eine Jagdgruppe besteht idealerweise aus dem Frettierer und zwei, maximal vier Jägern. Es kann auch gern ein Hundeführer dabei sein, der aber ermahnt wird, seinen Vierläufer erst zu schnallen, wenn das Frettchen wieder in
der Hand ist. Erlegte Kaninchen werden zur Wildbretschonung ohnehin von Hand aufgelesen.

Letztlich sollte der Jagdleiter den Frettierer zum „Jagdleiter am Bau“ ernennen. Natürlich kann dieser nicht jedes Revier und schon gar nicht jeden Bau kennen. Und trotzdem bekommt man schnell einen Blick dafür, wie sich die Jäger zu postieren haben, um erfolgreich – ohne andere zu gefährden – zu Schuss zu kommen. Denn eines ist sicher: Frettieren gehört wegen der unvorhersehbaren, sich blitzschnell ändernden Situationen zu den gefährlichsten Jagdarten. Undiszipliniertes Schießen, unkontrolliert abprallende Schrote oder unbemerktes Verlassen des Standes durch einen gelangweilten Schützen sind die häufigsten Unfallursachen. Schießer haben auf Frettierjagden im Interesse aller nichts zu suchen und sollten umgehend nach Hause geschickt werden! Grundsätzlich brauchen die Schützen möglichst freies Schussfeld und die grauen Flitzer einen Fluchtweg, auf dem sie keine Jäger sehen. Wird an Hecken oder Bahndämmen gejagt, kann der Frettierer nach
dem Ansetzen der Ratze auf dem Bau bleiben. Die Schützen postieren sich absolut leise in etwa 15 Metern Abstand beiderseits der Hecke. Diese Distanz gewährt Überblick und wenig zerschossene Kaninchen. Der Frettchenführer steht zwischen den Jägern, wenn er es nicht vorzieht sich hinter den Schützen zu postieren.Alle Beteiligten signalisieren sich lautlos
ihren Standplatz, an dem sie auch unbedingt bleiben, bis der Frettierer das Zeichen
zum Verlassen des Baues gibt. Erst dann wird der „Stinker“ gesetzt. Springt ein Kanin, kann nach links oder rechts geschossen werden. Bei vier Schützen steht man Rücken an Rücken und schießt jeweils nur in eine Richtung. Verboten ist der Schuss auf den Bau. Einerseits, um den Frettchenführer nicht zu gefährden. Andererseits, weil die Gefahr sehr groß ist, dass ein schlecht getroffenes Kanin noch in den Bau flüchtet oder auch nur rutscht und dann verloren ist. Bei größeren Bauen im offenen Gelände oder im Wald steht man am besten auf dem Bau selbst Rücken an Rücken oder in einer Linie. So kann sicher nach
außen geschossen werden. Besonders wichtig ist allerdings, den Standort leise einzunehmen. Gerade bei Frost ist der Boden sehr hellhörig, und die Lapuze sind schnell gewarnt. Sie springen dann wesentlich schlechter oder gar nicht. Immer wieder kommt es vor, dass das Frett längere Zeit ausbleibt. Das kann verschiedene Ursachen haben. Eine vermeidbare ist zum Beispiel, wenn man einem beschossenen, möglicherweise angeschweißten Lapuz das zahme Raubtier hinterhersetzt. Je mehr Kaninchen im Bau sind, umso sicherer fühlen sie sich. Selbst schnelle, gut eingejagte Frettchen sind dann manchmal überfordert, weil sie von den Kaninchen an der Nase herumgeführt werden.
Das Frett kann sich nicht auf ein bestimmtes Langohr konzentrieren, weil es immer wieder auf andere trifft. Irgendwann ist der ganze Bau so verstänkert, dass die Wittrung nicht mehr gezielt zur Beute führt. Doch in der Regel verliert über kurz oder lang ein Kanin die Nerven und springt, oft gefolgt von einem weiteren. Sollte es trotzdem nicht klappen, wird
leise ein zweites Frettchen an einer Nebenröhre angesetzt, in der Hoffnung, dass sich die Kaninchen aus dem Zentrum des Baues verzogen haben. Natürlich kann es auch passieren,
dass einer der „Stinker“ einen Grauen packt. Diese können sich aber meist losreißen und dann springen. Schwächere Fähen hängen manchmal sogar noch an dem Flüchtenden dran. Sollte das Frettchen tatsächlich einmal ein Kaninchen reißen, kann es natürlich etwas dauern, bis man es wieder abtragen kann. Die Erfahrung zeigt aber, dass meist nicht lange gewartet werden muss. Das noch nicht müde, erfahrene Frett kommt in der Regel mit viel
Wolle an den Branten raus, wenn sich das Kaninchen nicht mehr bewegt. Müde Frettchen bleiben irgendwann im Bau, vor allem wenn sie selbst Erfolg hatten oder das Wetter draußen windig und regnerisch ist.

Sollte es passieren, dass ein Frett im Bau bleibt, braucht man es nicht abzuschreiben. Um den Jagdhelfer herauszulocken, werden zunächst alle gängigen Tricks angewandt: Sind die Frettchen den Futterpfiff gewöhnt, funktioniert dieser oft – aber längst nicht immer – auch
auf der Jagd. Bewährt hat sich auch das Klopfen mit flacher Hand oder erlegtem Kaninchen in einer Röhre. Es täuscht das Alarmzeichen der Kaninchen, das Hinterlauf-Trommeln, vor. Hilft auch dies nicht, kann man ein anderes Frettchen nachsetzen. Meist kommen sie wenig später keckernd aus dem Bau.

Hunde sollten nur eingesetzt werden, um angebleite Kaninchen zu greifen. Allerdings dürfen sie das Frettchen nicht gefährden.

Wenn alle Stricke reißen, wird die mit Stroh gemütlich gemachte Transportkiste vor dem Bau stehen gelassen. Wird die Kiste am späten Abend oder am nächsten Morgen kontrolliert, liegt der kleine „Stinker“ meist zusammengerollt, friedlich schlafend darin. Ebenso gut kann man das Frettchen auch ausgraben. Dabei ist aber Vorsicht geboten, damit der kleine Jagdhelfer nicht mit dem Spaten verletzt wird. Mit seiner Hilfe wird dann nicht nur das Frettchen, sondern auch das getötete Kaninchen noch zu Tage gebracht. In über 40 Jahren habe ich noch kein Frettchen verloren, weil es im Bau geblieben wäre. Wohl aber einmal durch einen Schießer und mehrfach durch Hunde.Nur wenige Jagdhunde sind beim Frettieren überhaupt brauchbar. Der Vierläufer muss vorher gelernt haben, dass er mit dem kleinen Raubtier im Team jagen soll. Deshalb fällt der zeitgleiche Einsatz von Frett und fremdem Hund in aller Regel aus. Einem raubwildscharfen, ausgewachsenen Hund fällt es natürlich schwerer, ein Frettchen zu akzeptieren, als einem Welpen, der von Beginn an mit ihnen aufwächst. Wer wie ich schon Hunderte Kaninchen küchenfertig gemacht hat, den schaudert es, wenn dieses schmackhafte Wildbret durch undisziplinierte Schüsse auf zu nahe Distanz, mit zu grobem Schrot oder durch unnötig apportierende Hunde entwertet wird.

Ein Kaninchen, das liegt, sollte vom Jäger selbst aufgesammelt werden. Das ist nicht Sache
des Hundes, im Gegenteil: Es besteht insbesondere beim Frettieren sogar die Gefahr, dass der Hund schusshitzig wird, wenn er nach dem Schuss immer gleich geschnallt wird. Der Hund dient beim Frettieren nur zum Stöbern, falls die Kaninchen draußen liegen, und zum „Greifen“ (ich vermeide hier bewusst das Wort „Apportieren“) angeschweißt flüchtender Kaninchen, bevor sie den nächsten Bau annehmen. Dieser Einsatz muss aber unbedingt mit dem Frettierer abgesprochen sein, damit kein Frett dem raubwildscharfen Hund zum Opfer fällt. Das Frettieren gehört zu den ältesten Jagdarten überhaupt. Neben der Falknerei und der Hundearbeit ist es ein bestechendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Tier und Mensch, um gemeinsam Beute zu machen – und für die meisten, die es einmal gemacht haben, die spannendste Jagdart.

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