Die größte Eule Europas ist regelmäßig Gast im Testrevier. Jetzt kam es zu einem traurigen Fund.
Heiko Hornung
Foto: Jaromír Zumr
Es regnete in Strömen, als ich an der Reviergrenze, der B 260, mit meiner Brandl-Hündin „Daisy“ zur Nachsuche stand. Einen Tag nach der großen revierübergreifenden Jagd im Oktober hatte eine kranke Sau an der Stelle unser Revier geschnitten. Ihr wollten wir dort im Kohlwald, wo drei Reviergrenzen aufeinanderstoßen, nachsetzen. Am Straßenrand war mir ein toter Vogel aufgefallen. Jedes Mal, wenn ein Fahrzeug an ihm vorbeizischte, wippte eine Schwinge ein wenig im Fahrtwind, als wollte sie mich herbeiwinken. Es war kein Bussard, wie man sie gelegentlich am Straßenrand findet. Es war ein Uhu. Von der Größe und dem Gefieder her ein Jungvogel. Beringt war er nicht, also musste er in freier Natur aufgewachsen sein.
Seit Jahren haben wir den großen Nachtgreif regelmäßig im Revier. In ganz Rheinland-Pfalz soll es zwischen 300 und 400 Paare geben. Bestandsschätzungen des Umweltministeriums zeigen, dass sich die Population seit Jahren auf diesem Niveau bewegt.
Zwei Mal hatte ich ihn selbst in Anblick. Das erste Mal waren Kollege Peter Schmitt und ich auf Nachsuche. Die Fährte führte an einem leicht schräg stehenden Wurzelteller vorüber, über dem auch noch einiges an Holz lag und ein kleines Dach bildete. Plötzlich rumpelte eine mächtige Eule aus dem Verhau heraus. Die zweite Begegnung hatte ich bei einem Sommeransitz auf einer freistehenden Kanzel. Im letzten Licht war der Vogel mit den bis zu 1,80 m Spannweite tief angeflogen und baumte kurz auf meinem Kanzeldach auf. Ein beeindruckender Anflug, der eulentypisch vollkommen lautlos war.
Bisweilen kann man in kalten Winternächten auch seinen tiefen Ruf hören: „Buuh…buuh-huu.“ Mir jagt es da gelegentlich einen Schauer über den Buckel.
Der Uhu ist in Rheinland-Pfalz nahezu flächendeckend vertreten.
Foto: WILD UND HUND, Quelle: Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz
Mit eine der spannendsten Entdeckungen hatten wir schon vor einigen Jahren, als wir eine Kanzel im besagten Kohlwald instand setzten und eine neue Leiter am Kanzelpodest befestigten. Durch meine Körpergröße von fast zwei Metern konnte ich vom Podest auch auf das Kanzeldach schauen. Der Anblick von einigen Knochen und Schädeln weckte mein
Interesse. Nicht weniger als die Reste von drei Jungfüchsen lagen auf dem Dach verteilt und zeugten davon, dass der Uhu hier eine üppige Mahlzeit zu sich genommen hatte.
2012 rief uns ein örtlicher Landwirt an, der eine Eule meldete, die zwischen den Kühen in seinem Stall säße. Was wir zunächst nicht glauben wollten, entpuppte sich als ein vollständig entkräfteter Nachtgreif (s. WuH 14/2012). Gott sei Dank hatte er nichts gebrochen. So genügten einige Tage in den Händen der erfahrenen Tierärztin und Falknerin Lioba Wagner, um ihn wieder aufzupäppeln und ihn dann auszuwildern. Leider wurde er, ebenso wie der bedauernswerte Fund an diesem regnerischen Oktobermorgen, Opfer der Straße, als er mit einem überrollten Igel nicht schnell
genug von der Fahrbahn kam.