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Werden Frischlinge heute eher geschlechtsreif als in früheren Jahren?

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Etwa die Hälfte der Frischlinge eines Jahrgangs stammt heute von Bachen, die bereits als Frischlinge beschlagen wurden. (Foto: Horst Niesters)
Woran liegt das? Sind viele eigentlich geschlechtsreife Frischlingsbachen früher nicht beschlagen worden? Oder waren Frischlinge früher noch nicht geschlechtsreif?
Im Zeichen des heutigen Schlaraffenlandes, sprich bei einem nahezu ganzjährigen Superangebot an energiereichem Fraß, bilden manche Frischlingskeiler bereits mit fünf Monaten befruchtungsfähige Spermatozoen (Samenfäden), und viele Frischlingsbachen haben in diesem Alter reife Eier in den Ovarien (Eierstöcken). Kondition (Ernährungszustand und Gewicht) und Ovarreife von Frischlingsbachen hängen zusammen.
Bei gut konditionierten Frischlingen findet sich zu 46 Prozent Ovarreife, bei weniger gut konditionierten nur etwa 15 Prozent. Dieser Zusammenhang wird gelegentlich geleugnet. Man hört oft, Frischlinge seien deshalb heute früher geschlechtsreif, weil es in der Population zu wenige adulte Bachen gäbe, die diese Frühreife verhindern. Allerdings ist bei Schweinen kein Mechanismus bekannt, der dafür in Frage käme.
Man hört auch oft, früher sei der Beschlag von geschlechtsreifen Frischlingsbachen nicht möglich gewesen oder verhindert worden. Fragt sich nur, wie soll das gehen? Dass adulte Bachen den Beschlag des Jungvolks aktiv verhindern, indem sie die interessierten Keiler abschlagen, ist nicht nachgewiesen. Auch die oft zu hörende Meinung, adulte Bachen oder die Leitbache unterdrücke bei Frischlingsbachen die Rausche, kann ins Reich der Fabel verwiesen werden. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keinerlei Hinweis darauf.
Die eigentliche Frage, die im Hintergrund dieser ganzen Diskussion steht, ist aber eine andere. Ist der rasante Anstieg der Schwarzwildbestände zumindest teilweise durch die Schlaraffenlandsituation mit extremer Frühreife zu erklären oder liegt das am Fehlen adulter Bachen, da Rotten wahllos zusammengeschossen werden?
 
Dass die Zahl adulter Bachen in heutigen Schwarzwildpopulationen zumindest relativ geringer geworden ist, steht in einer Zeit außer Frage, in der nahezu 90 Prozent des Bestandes Frischlinge und Überläufer sind. Ich halte es allerdings für sehr wahrscheinlich, dass die sprichwörtliche Kindergesellschaft, also der überbordende Reproduktionserfolg unserer Sauen, eher anderen Faktoren geschuldet ist.
Das ist zum einen das überreiche Fraßangebot im Zeichen immer häufigerer Vollmasten und intensiver Landwirtschaft und zum anderen die zu geringe natürliche Frischlingsmortalität wegen gestiegener Temperaturen im Zeichen der globalen Erwärmung. Zudem bleibt die jagdliche Mortalität wegen der nicht ausreichenden beziehungsweise zu spät einsetzenden Bejagung von Frischlingen zu gering.
Dennoch muss die Erlegung alter Bachen, die für die Sozialstruktur der Rotten wichtig sind, eher die Ausnahme bleiben.
 

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