Für manche ist es nur ein Notbehelf, andere schießen damit regelmäßig ihre Sauen an der Kirrung, und einige führen es sogar auf der Drückjagd. Wo schießt eigentlich Ihre kombinierte Waffe mit dem Flintenlaufgeschoss hin?
Von außen sehen sie alle gleich aus, aber ein Blick ins Innere offenbart die unterschiedlichen Geschoss-Konstruktionen. |
Von Peter Keller
Unlängst klagte ein Leser am Telefon sein Leid. Der Kugellauf seiner in Italien produzierten Bockbüchsflinte schieße zwar hervorragend, aber die Einschläge der Flintenlaufgeschosse auf die fünfzig Meter entfernte Scheibe seien mindestens einen halben Meter von den Kugellöchern entfernt und die Streuung lasse mit etwa zwanzig Zentimetern doch sehr zu wünschen übrig.
Würde es sich bei dem genannten Beispiel um eine Waffe mit freiliegenden Läufen handeln, wäre das Problem lösbar. Patronen anderer Hersteller schießen unter Umständen präziser, und die Läufe könnte ein Büchsenmacher so zueinander einstellen, dass beide zusammenschießen.
Kritisch wird es jedoch bei Waffen mit verlötetem Laufbündel. Auch der beste Büchsenmacher kann nachträglich keine Wunder bewirken, aber vielleicht in der Palette der Munitionsanbieter etwas finden, was zu der entsprechenden Waffe passt. Wer dieses seltene Glück hat, sollte sich einen großen Vorrat der zueinander passenden Kugel- und Flintenlaufgeschosse anschaffen.
Physikalische und ballistische Gesetzmäßigkeiten
Physikalische und ballistische Gesetzmäßigkeiten sind nicht außer Kraft zu setzen. Da beim Schrotschuss mehrere kleine Einzelprojektile eng zusammen durch den Lauf gepresst werden, ist eine möglichst glatte Oberfläche unerlässlich. Züge und Felder wie beim Büchsenlauf hätten unerwünschte Verwirbelungen der Schrote zur Folge und eine ausreichende Deckung der Schrotgarbe wäre so nicht gegeben.
Andererseits kann ein Einzelgeschoss im glatten Lauf aufgrund der fehlenden Rotation – bewirkt durch Züge und Felder – nicht genügend stabilisiert werden und somit nur schwer eine gute Präzision auf größere Entfernungen erreichen.
Ein weiterer Gesichtspunkt sind die niedrigeren Gasdrücke und Anfangsgeschwindigkeiten beim Schuss aus dem dünnwandigen Flintenlauf. Während hier Drücke von maximal 1200 bar entstehen, arbeiten moderne Büchsenpatronen mit Drücken jenseits der 4000-bar-Marke, was sich an den deutlich höheren Anfangsgeschwindigkeiten der Geschosse zeigt. Klar, dass ein unstabilisierter, langsam fliegender „Bleibatzen“ äußeren Einflüssen mehr ausgesetzt ist als ein stabilisiertes, schnellfliegendes Büchsengeschoss.
Problem: verlötete Läufe
Noch ein Stück komplizierter wird das Ganze, wenn Kugel- und Schrotläufe bei kombinierten Waffen fest zusammengefügt, also verlötet werden. Durch die Erwärmung beim Schuss hat ein Lauf das Bestreben, sich auszudehnen. Da jedoch zwischen mehreren Läufen eine feste Verbindung durch das Verlöten besteht, kann eine Ausdehnung nicht gleichmäßig erfolgen. Dies wiederum führt zu Verspannungen und damit zu Veränderungen der Treffpunktlage.
Das Abfeuern des Kugellaufes wird genauso die Treffpunktlage des Flintenlaufgeschosses beeinflussen. Nur ist die Auswirkung nicht so groß, da mit dem Flintenlaufgeschoss in der Regel auf kürzere Entfernungen geschossen wird.
Es muss auch darauf geachtet werden, dass aus einem Einzellauf nicht zu viele Schüsse nacheinander abgefeuert werden. Denn dann besteht das Risiko, dass die Lotverbindung zu stark erwärmt wird und eine dauerhafte Veränderung der Treffpunktlage – also auch nach dem Abkühlen – die Folge ist.
Ein weiteres, kaum bekanntes und oft ignoriertes Kriterium ist, ob die jeweilige Waffe mit oder ohne aufgesetztem Zielfernrohr geschossen wird. Schießt man beispielsweise eine Bockbüchsflinte über die offene Visierung mit dem Flintenlaufgeschoss ein, so schießt dieses auf etwa 35 Meter mit der Kugel zusammen. Wenn nun ein Zielfernrohr auf die Waffe montiert und wie üblich auf den Kugellauf – normalerweise auf 100 Meter – justiert wird, so stimmt die Treffpunktlage auf etwa 35 Meter ziemlich genau, da hier etwa der erste Schnittpunkt der Geschossflugbahn mit der Visierlinie ist.
Für den Schrotlauf hat das jedoch zur Folge, dass der Ausschlag des Laufbündels nach oben aufgrund der Masseerhöhung durch das montierte Zielfernrohr geringer wird, das Flintenlaufgeschoss schießt also tiefer. Genau so verhält es sich beim eingebauten Einstecklauf. Die Masse des Laufbündels erhöht sich nochmals, die Treffpunktlage wird sich auch hier wieder verändern.
Eigentlich logisch, wenn man bedenkt, dass der Rückstoß eine Bewegung des Laufbündels nach oben bewirkt, noch während sich das Geschoss im Lauf befindet. Einstecklauf, Zielfernrohr und Montage bringen zusammen durchaus ein Kilo auf die Waage. Je größer deren Masse, desto mehr weicht die Treffpunktlage beim Schuss mit aufgesetztem Zielfernrohr gegenüber dem Schuss über die offene Visierung ab.
Langenhagener Norm
Was wäre Deutschland ohne seine Normen? Die „Langenhagener Norm“ besagt, dass aus dem Flintenlauf fünf nacheinander abgegebene Schüsse mit dem Brenneke-Flintenlaufgeschoss auf 50 Meter einen Streukreis von höchstens zehn Zentimetern erreichen müssen. Bei kombinierten Waffen darf die Streuung aller Läufe inklusive des oder der Kugelläufe nicht mehr als 15 Zentimeter betragen.
Aus Gründen der Praxisnähe und der jagdlichen Erfahrungen wandeln manche Hersteller die Norm leicht um – auf 35 Meter darf der einzelne Lauf sieben Zentimeter, die Kombinierten mit allen Läufen zehn Zentimeter streuen.
Wer sich eine Bockbüchsflinte oder einen Drilling mit fest verlöteten Läufen bestellt, muss auf jeden Fall die „Langenhagener Norm“ als Zusatzausstattung ordern. Die Waffe muss im weißfertigen Zustand eingeschossen werden, da eventuell noch Korrekturen erforderlich sind. Nachfolgend werden die Möglichkeiten des Einschießens bei einem Drilling mit fest verlöteten Läufen von der Firma Krieghoff aufgezählt:
- Beide Schrotläufe über die offene Visierung;
- beide Schrotläufe über das Zielfernrohr;
- bei eingesetztem Einstecklauf nur den anderen Schrotlauf über Zielfernrohr (Waffe wird ausschließlich wie ein Bockdrilling über Zielfernrohr geführt);
- bei entnommenem Einstecklauf den Schrotlauf, in dem sonst der Einstecklauf sitzt, über Zielfernrohr. Die Treffpunktlageabweichung des anderen Schrotlaufs infolge der Masseverschiebung wird dabei akzeptiert. Hier wird der Drilling hauptsächlich als Bockdrilling geführt, soll aber auch ohne Einstecklauf über Zielfernrohr genutzt werden.
Die renommierten deutschen und österreichischen Hersteller bieten die Option „Langenhagener Norm“ gegen einen Aufpreis von rund 300 bis 500 Mark an, allerdings, wie bereits erwähnt, unmittelbar bei der Bestellung der Waffe.
Bei Kombinierten mit freiliegenden Läufen gilt das Gleiche, denn unter Umständen kann auch hier ein Nachlöten zum Erreichen der „Langenhagener Norm“ notwendig sein.
Und noch etwas zu den Schrotläufen: Nur bei Läufen mit Vollchoke-Bohrung deckt sich das Zentrum der Schrotgarbe fast immer mit dem Treffpunkt des Flintenlaufgeschosses. Bei anderen Würgebohrungen treten zum Teil erhebliche Abweichungen auf. Aus diesem Grund können auch die einzelnen Läufe von Doppel- oder Bockdoppelflinten mit Flintenlaufgeschossen eine völlig andere Treffpunktlage aufweisen.
Keine Garantie
Die großen Jagdausstatter bieten ebenfalls kombinierte Waffen zum Teil auch aus ausländischer Produktion an. Rückfragen sowohl in den Zentralen als auch bei einigen Filialen ergaben, dass bei Waffen „von der Stange“ eine Schussleistungs-Garantie nach der „Langenhagener Norm“ eigentlich nicht gegeben werden könne. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass die Verkäufer die Möglichkeit des Probeschießens mit verschiedenen Modellen anboten, denn „vielleicht fände man ja eine, bei der die Läufe zusammenpassen“. Na dann viel Glück!
Die Sache mit dem Flintenlaufgeschoss ist also nicht ganz einfach. Eine brauchbare Schussleistung ist aber kein Ding der Unmöglichkeit. Bei aller Problematik darf man nicht vergessen, dass ein Schrotlauf zum Verschießen einer Schrotladung vorgesehen ist und nicht, um Einzelprojektile daraus zu verschießen.
Wollen Sie entsprechende Schussleistung mit dem Flintenlaufgeschoss haben, kommen Sie nicht drumherum, einen größeren Vorrat der Einschießmunition zu kaufen. Denn es ist in keiner Weise gesagt, dass alle Flintenlaufgeschosse nach dem Einrichten der Waffe nach der „Langenhagener Norm“ aus dieser auch gut schießen; sogar andere Fertigungslose des gleichen Herstellers können schon eine andere Treffpunktlage haben.
Der Schuss mit dem Flintenlaufgeschoss wird trotzdem ein Kompromiss bleiben, und die Erwartungen sollten nicht allzu hoch gesteckt werden. Als Alternative beim Sauansitz, bei der Nachsuche oder auch auf Drückjagden ist gegen den Einsatz des Flintenlaufgeschosses nichts einzuwenden, immer vorausgesetzt, dass die Entfernung und das Vorhaltemaß stimmen.