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Der Perfektionist

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Messermacher Reinhard Müller:
Klare Linienführung, funktionelles Design, Top-Materialien und akribische Verarbeitung zeichnen die Gebrauchsmesser des Schwabachers Reinhard Müller aus. Wolfram Osgyan hat sich in der Werkstatt des Semi-Profis umgesehen und stellt ihn den WILD UND HUND-Lesern vor.

 

Auf mein Läuten hin erscheint eine Frau hinter dem Fenster im ersten Stock des Anwesens Pfannestiel 14 im Schwabacher Ortsteil Penzendorf und zeigt mit dem Daumen nach links. Das signalisiert, der Gesuchte ist in seiner Werkstatt. Weitere Formalitäten und Floskeln erübrigen sich, denn ich darf mich zu den guten Bekannten des Hauses zählen. Eine Mixtur aus Schlurfen und Schnurren dringt an mein Ohr, als ich die Werkstatttür öffne. Reinhard Müller sitzt gerade am Bandschleifer und bearbeitet Klingen-Rohlinge. Das heißt für ihn höchste Konzentration und für mich warten, bis er das Werkstück beiseite legt. Müllers Arbeitsraum schreibt sich „von“. Er ist mit hochmodernen Maschinen bestückt und so gut ausgestattet, dass man damit eine Serienproduktion aufziehen könnte: Vier Bandschleifer, eine sündhaft teuere Bohr-Fräsmaschine, eine weitere Bohrmaschine und eine Bandsäge jedenfalls sind mehr als gemeinhin ein Messermacher braucht.

Wie nahezu alle seiner Kollegen hat auch Müller klein, also mit Schraubstock und Feile angefangen. 1979 arbeitete er so sein erstes Messer aus dem Vollen heraus. Für den damals 22-jährigen Novizen bedeutete das Knochenarbeit und Lehrgeld. Dann kamen die Freunde, wollten auch ein „Müller“ und verplanten damit weitgehend die Freizeit des Hobby-Anglers und Vorderlader-Schützen. Alles in allem lagen nämlich auf jedem der „Handgemachten“ etwa 40 Arbeitsstunden.

1987 stellte ein Mitjäger den Kontakt zu Reinhard Müller mit dem Wunsch her, ich möge mir einmal dessen Arbeiten anschauen. Was ich vorfand, riss mich beileibe nicht vom Hocker: Typische Messer eines handwerklich begabten Anfängers, weit weg von den Kreationen eines Dietmar Kressler, Richard Hehn und Joachim Faust in meiner Vitrine. Beim Kaffee kamen wir schließlich ins Fachsimpeln. Ich erzählte von dem Super-Stahl CMP T 440 V, meinen Erfahrungen damit und zeigte auf Wunsch auch das eine oder andere Exponat. Reinhard Müller hörte aufmerksam zu, schaute sich jedes Messer genau an und verriet von seinen Gedanken nichts.

Als uns der Zufall ein knappes Jahr später wieder zusammenführte, legte er mir eine Arbeit vor, die punktgenau meinen Geschmack traf: elegant im Design, handwerklich perfekt gearbeitet und mit einem Top-Finish. Ein Meisterstück aus CPM T 440 V. Also aus dem Stahl, dem der Ruf vorauseilte, er lasse keine saubere Endbearbeitung zu. Dass er mit diesem Custom Knife den Sprung von den irdischen Niederungen in den Messer-Olymp geschafft hat, stand für mich außer Zweifel, das „Wie“ dagegen interessierte mich nicht. Zu gerne hätte ich es auf der Stelle erworben, doch der Macher gab mir zu verstehen, dass es eine Auftragsarbeit für einen Bekannten sei, der auch für den Entwurf verantwortlich zeichnete.

Hohes Konzentrationsvermögen

Meine Bestellung mit anderem Griffmaterial nahm er jedoch gerne entgegen und erklärte sich auch spontan bereit, noch eine Mini-Ausführung derselben als Beimesser zu fertigen und das alles in doppelter Ausführung. Mein Bruder Detlev hatte nämlich auch Geschmack an der Sache gefunden. Für Folge-Aufträge sorgte dann unser Bekanntenkreis.

Mit Müller hatte ich einen Macher gefunden, der kurzfristig jeden meiner Entwürfe zu meiner Zufriedenheit realisierte und dessen Kapazität damit vorerst zumindest ausgelastet war.

Weil der analytische Verstand des gelernten Industriekaufmanns und Einkaufsachbearbeiters eines Großbetriebes erkannte, dass die Messermacherei nicht zur Fron ausarten dürfe, sein Herzblut dagegen von der Leidenschaft nicht mehr lassen konnte, fällte er die für ihn richtige Entscheidung. Er machte sich schlau und investierte in Maschinen, die ihm zeitraubende und genau genommen nutzlose Handarbeit abnahmen. Also maschinelles Sägen oder Vorfräsen der Rohlinge anstatt sie von Hand auszusägen oder mit dem Bandschleifer in Grobform zu bringen. Die diversen Bandschleifer in der stets vorbildlich aufgeräumten Arbeitsstätte dienen jeweils einem bestimmten Zweck: Mit dem einen schleift er die Außenkonturen, mit dem nächsten die Klingen und mit einem weiteren überschleift er die Griffe. So kann er flexibler auf abweichende Formen reagieren und vor allem zeitraubendes Umrüsten ausschalten. All das führte zu einer wesentlichen Reduzierung der Gestehungszeiten und setzte vor allem Kapazitäten frei. Ungeachtet dessen bleibt immer noch genug Handarbeit übrig: Die Hand führt das Messer an den Bandschleifern, das Polieren mit Schmirgel-Leinwand und Nassschleifpapier geschieht von Hand, die Schneide wird von Hand geschärft, das Finish obliegt der Hand, die Scheide entsteht in reiner Handarbeit.

Die Arbeit am Bandschleifer verlangt hohes Konzentrationsvermögen, ein sicheres Auge und eine ruhige Hand. Genau darin liegen Müllers große Stärken. Daher passiert es ihm auch nicht, dass eine Klinge verbrennt oder er sie auch nur minimal verschleift. Diese entscheidende Arbeit hat er vielmehr so im Griff, dass die hundertste Klinge genauso exakt fluchtet wie die erste.

25 Klingen am Stück geschliffen

Als Müller an diesem Abend mit den Worten: „Es reicht“ den Bandschleifer ausschaltet, hat er übrigens 25 Klingen am Stück geschliffen und wird sich in den nächsten Tagen mit der ihm eigenen Akribie weiteren Arbeitsschritten widmen.

Wohl auch bedingt durch die große Nachfrage aufgrund mehrerer Veröffentlichungen in WILD UND HUND hat er sich seit langem dem hochwertigen Gebrauchsmesser verschrieben und bis dato eine schier unglaubliche Anzahl an Klingen aus pulvermetallurgischen Stählen gefertigt. Damit avancierte er zum Spezialisten in der Bearbeitung des langjährigen Spitzenreiters in Sachen Schnitthaltigkeit, CPM T 440 V und dessen Nachfolger CPM 420 V. Dass zwischendurch auch das eine oder andere Messer aus rostfreiem Schneider-Damast oder dem schwedischen PM-Damast seine Werkstatt verlässt, ändert an der Aussage nichts.

Ausgezeichneten Balance und vorzügliche Schnitthaltigkeit

Verspielte Fantasy-Knives, mehrflammige Drachentöter, Schließenmesser und Krummdolche aus Müllers Hand kann ich mir kaum vorstellen. Ihre Form würde wohl seinem nüchtern-sachlichen Naturell widersprechen. Nach seiner Vorstellung hat diese allein dem Zweck zu dienen und darf nicht zum Selbstzweck geraten. Wer demnach Effekte haschen will, muss sich anderweitig umsehen. Auch mit Klappmessern hat der Semi-Profi solange nichts im Sinn, wie er mit seinen feststehenden Gebrauchsmessern ausgelastet ist. Apropos: Die selbst entworfenen Camp-Messer des Outdoor-Freaks stehen bei Hobby-Köchen wegen ihrer ausgezeichneten Balance und ihrer vorzüglichen Schnitthaltigkeit mindestens ebenso hoch im Kurs wie die Fischermesser bei seinen Anglerkollegen.

Obwohl er mit seinen auf den Jagdgebrauch ausgerichteten Formen bis dato sehr gut gefahren ist, nimmt Reinhard Müller auch Kundenwünsche entgegen und setzt sie bei angemessener Wartezeit maßstabsgetreu und perfekt verarbeitet um, wenn eine entsprechende Zeichnung vorliegt. Letztere allerdings bildet meist den Knackpunkt, sofern die Vorstellungen von Kunde und Macher nicht auf einen Nenner kommen.

An Griffmaterialien aus Holz, Bein, Horn und Knochen sowie aus der Retorte herrscht bei ihm wahrlich kein Mangel, so dass auch im Falle einer von Müller vorgegebenen Form noch genügend Spielraum für Individualität bleibt. Klappern freilich gehört bei ihm nicht zum Handwerk. Diese Rubrik überlässt er gerne anderen, und Messen besucht er allenfalls als Kunde, nicht jedoch als Aussteller. Sein gut gefülltes Auftragsbuch macht’s möglich. Dennoch trug der gute Kontakt zu WILD UND HUND Früchte.

Sensationell günstige Konditionen

In enger Zusammenarbeit mit dem Autor und der Redaktion entstand in limitierter Auflage ein superleichtes Profi-Jagdmesser, das weltweit auf dem Markt seinesgleichen sucht: 3,8 Millimeter starke und neun Zentimeter lange, flach geschliffene Drop-point-Klinge aus dem derzeitigen Spitzenstahl CPM 420 V, durchgehende Angel, Griff aus dem schier unverwüstlichen Elastomer Milleron, integrierter Handschutz und Leuchtpunkt sowie eine professionell gefertigte Köcherscheide aus bestem Orthopädie-Leder. Und das alles zu sensationell günstigen Konditionen: 195 Euro beziehungsweise ein WuH-Jahresabo mit 100 Euro Zuzahlung kostet das Messer. Wer hier nicht zugreift oder sich nicht beschenken lässt, ist selber schuld.

Alles Müller oder was? Reinhard Müller in seiner Werkstatt: Dort entstehen die handwerklich perfekten Messer, die höchsten Ansprüchen genügen

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