Mit „F3“ in den Flinten-Olymp?
Auf dem Dornsberg ließ es die Firma Blaser im wahrsten Sinne des Wortes krachen: Parcours-Weltmeister John Bidwell aus England verzückte das Publikum mit seinen Flinteneinlagen, und 32 brandneue „F3“ hatten ihre Feuertaufen in den Händen der geladenen Fachjournalisten zu bestehen.
John Bidwell in Aktion mit der „F3“: Mit seiner „move-mount-shoot“-Technik, bei der er immer „vor der Taube“ bleibt, verblüffte er so manchen der anwesenden Schützen |
Von Wolfram Osgyan
Well my friends – look here“, murmelt John Bidwell, ruft den ungezogen springenden Rollhasen ab und trifft ihn, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, aus der Hüfte. Nicht im Rahmen seiner Show, nicht mit seiner zum verlängerten Finger gewordenen Special-Pump Gun, sondern ganz spontan mit einer noch jungfräulichen Competition-Ausführung der Blaser „F3“. Bezeichnenderweise handelt es sich um jene mit 81-Zentimeter-Läufen und Full-Choke-Einsätzen, um die sich angesichts der zu erwartenden Hürden aus verständlichen Gründen keiner gerissen hatte. Doch wer hat, der hat und wer kann, der kann: Der dreifache Weltmeister im Parcoursschießen ist nicht nur seit über 20 Jahren Mitglied der englischen Nationalmannschaft, sondern auch ein international begehrter Schießlehrer.
Der große Wurf
Nicht nur eigens für diese Veranstaltung engagiert, spielte er mit einer Jagd-(Game)-Ausführung der F3 in seinen Händen jeweils den Vorreiter der von ihm betreuten Rotte, beobachtete im Anschluss seine Schützlinge, korrigierte wenn nötig und brachte sie zum sicheren Treffen selbst schwieriger „Hangstürzer“ oder „Buschflitzer“. Das erstaunt, aber noch mehr die Tatsache, dass dies mit Flinten von der Stange vollbracht wurde. Groß und Klein, Korpulent und Schlank blieben nämlich nur die Wahl der Lauflänge. Gewicht, Balance und Schaftmaße der verfügbaren „F3“ waren hingegen identisch.
Dass der Branchenriese Blaser mit seinem breit gefächerten Sortiment nicht auf Dauer das Flintensegment aussparen würde, lag auf der Hand. Auch mangelte es nicht an gut gemeinten Vorschlägen vornehmlich aus den Kreisen der markentreuen Kundschaft, die auf einen Nenner gebracht so lauteten: Spendiert doch einfach euren Zwei-Schloss-Waffen mit Handspannung ein Schrotlaufbündel und ihr habt eine sichere, für den jagdlichen Alltag voll taugliche Flinte. Besitzer von entsprechenden Bockwaffen könnten sogar nachrüsten, und der Aufwand für alle Beteiligten hielte sich in Grenzen. In Isny nahmen die Verantwortlichen das alles sehr wohl zur Kenntnis und dankten es mit Augurenlächeln. Doch die Kommandozentrale wollte sich nicht mit halbherzigen Lösungen bescheiden, keine Flickschusterei betreiben, sondern arbeitete auf den großen Wurf hin: Eine Flinte „made in Germany“, die auf dem hart umkämpften internationalen Markt nicht nur Fuß fassen und bestehen, sondern im Konzert der Großen den Ton angeben kann. Dass sich solch ehrgeizige Pläne nicht von heute auf morgen umsetzen lassen, versteht sich von selbst, und so verstrich von der Idee bis zur Präsentation eine halbe Dekade des Planens, Schaffens, Verwerfens und Verwirklichens, bis das Produkt so ausfiel, wie es die Macher wollten:
Attraktiv, kompatibel, funktionell, langlebig, pflegeleicht, sicher und zukunftsweisend. Das alles soll der „F3“ soviel Schub verleihen, dass sie nicht nur in einem Atemzug mit der „B 25“, der „DT 10“ der „K 80“ oder der „MX8“ genannt wird, sondern nach Möglichkeit mittelfristig die Trümpfe der Häuser Browning, Beretta, Krieghoff und Perazzi in der Käufergunst ausstechen kann. Ein hochgestecktes Ziel also für ein aufwändiges Projekt. Die Bezeichnung „F3“ bündelt übrigens nicht etwa die Prädikate „filigran“, „formvollendet“ und „fortschrittlich“, sondern steht für „Flinte“ und (geplantes) Jahr der Präsentation. Dass es im Jahr 2003 dann doch nicht mehr damit klappte, tat der vollzogenen Taufe keinen Abbruch.
Für den Lauf – ein besonders belastbarer Stahl
Man muss bei der F3 zweimal hinschauen, um bei ihr typisch blasersche Styling-Elemente zu erkennen. Sie betreffen vorrangig Muschelierung und Kontur der sehr schmalen und niedrigen Basküle. Laufbündel und Schaft wiederum sind optimal auf das Herz der Waffe abgestimmt, so dass die Flinte im Kaliber 12/76 optisch fast so zierlich und elegant wie eine „echte“ Zwanziger wirkt. (Und das unterscheidet sie auch von ihrer doppelläufigen Blutsverwandtschaft, bei der Funktionalität eindeutig das Aussehen dominiert). Dazu mussten natürlich die Laufseelenachsen nahe zusammengelegt und mit geschlossenen Reifen verbunden werden. Abgesetzt ist dagegen die auswechselbare Laufschiene mit sorgsam guillochierter Oberfläche. Sie verjüngt sich von zehn auf 8,5 Millimeter. Für die Läufe verwendet Blaser einen besonders belastbaren Stahl, hüllt sich aber über dessen Zusammensetzung (vorerst) in Schweigen. Doch erlauben seine herausragenden Festigkeitswerte eine auf die jeweilige Länge des Bündels abgestimmte exakte Taillierung und sorgen damit für gleichbleibendes Gewicht und übereinstimmende Balance der Jagdläufe (68 cm, 71 cm und 74 cm) zueinander. Gleiches trifft für die Sportversionen „Competition“ mit Lauflängen von 71, 76 und 81 Zentimetern zu. Alle Laufbündel lassen sich zudem untereinander ohne vorheriges Einpassen tauschen beziehungsweise nachträglich einlegen. Die Läufe sind innen hart verchromt sowie außen plasmanitriert, demnach rostgeschützt und beherbergen wahlweise mündungsbündig versenkbare Briley-Wechselchokes in den handelsüblichen Verengungen von „Skeet“ bis „Full“. Auf Wunsch gibt es aber auch die von Hand einschraubbaren „Spectrum“-Chokes. Diese allerdings nur mit entsprechendem Überstand sowie Farbmarkierung.
Lange Lebensdauer
Die Wechselchokes taugen ferner bis Halbchoke uneingeschränkt für Weicheisenschrot. Überdies verraten die einschlägigen Stempel, dass die Flinten verstärktem sowie Stahlschrotbeschuss unterzogen wurden. Damit befindet sich der Erwerber einer „F3“ auch dann noch auf der sicheren Seite, wenn der Gesetzgeber dem Bleischrot endgültig den Garaus gemacht hat. Ein flacher Übergangskonus soll einem gefährlichen Druckanstieg der Garbe beim Eintritt in den zylindrischen Laufbereich vorbeugen und in Kombination mit einem vergrößerten Laufinnendurchmesser (18,65 mm) Deckung und Längenausdehnung der Schrotgarbe sowie das Rückstoßverhalten positiv beeinflussen. Ebenfalls vom Standard abweichend sitzt der Haft (Vorderschaftbefestigung) nicht am unteren Lauf, sondern im Monoblock. Damit ändert sich die Haftspannung auch dann nicht, wenn die Läufe heiß geschossen sind. Somit „schwimmt“ weder der Vorderschaft im Fall der Fälle, noch fühlt er sich „teigig“ an.
Das mattschwarze Laufbündel verriegelt in der Stahl-Basküle mittels extra breitem Verschlusskeil sowie einer Druckplatte im Baskülenboden. Aus der tiefen Lage der Laufseelenachsen, dem hohen Verschlussdrehpunkt und der günstigen Anordnung von Drehpunkt, Stoßboden sowie Verriegelung resultiert auch eine sehr geringe Verschlussbelastung. Das verspricht eine lange Lebensdauer der „F3“, selbst bei hohen Schusszahlen.
Die sicherste Flinte ihrer Art
In Kraftrichtung des Schießfingers platziert, bietet das anatomisch günstig geformte, in der Längsrichtung um 7,5 Millimeter verstellbare Züngel des mechanischen Einabzuges gute Anlage. Weil der Abzug keinen Vorzug aufweist, nicht schleppt oder schmiert, sondern absolut trocken bricht, schätzt man seine Abdrücke auch niedriger als die eingestellten 1 500 Gramm ein. Auch dem bei vielen Einabzugssytemen verbreiteten „manuellen Doppeln“ schiebt Blaser mit seinem zum Patent angemeldeten IBS (Inertial Block System) im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vor. Linare Schlagstück- und Schlagbolzenführung sorgen ferner für blitzschnellen Schlossmechanismus und extrem kurze Zündverzugszeiten. Nicht zuletzt sind alle Schlossteile gut zugänglich und lehrenhaltig. Doch nicht nur deshalb wurde auf eine von Hand herausnehmbare Abzugsgruppe verzichtet. Man hätte auch die Basküle zu Lasten von Aussehen und Balance voller halten müssen. Der Hebel für die Laufvorwahl sitzt vor dem Abzug, wird linear bewegt und steuert in hinterer Position die Laufreihenfolge unten-oben.
An sich kämen Sportflinten gut ohne Sicherung aus, schließlich darf die Waffe auf dem Stand erst unmittelbar vor der Schussabgabe geladen und geschlossen werden. Anders bei der Jagd, wo sich der Schütze mit der geladenen Waffe auf schmierigem, holprigem oder mit Fußangeln aller Art bewehrtem Untergrund bewegt. Hier ist es gut zu wissen, dass der Schieber auf der Scheibe nicht nur die Abzüge arretiert, sondern Sicherheitsfangrasten im Falle eines Rastenbruchs sowie bei Stoß oder Fall die Schlagstücke blockieren. Und zwar unabhängig davon, ob gerade gesichert oder nicht gesichert ist.
Das kürt die „F3“ zu den sichersten Flinten ihrer Art. Ein weiteres Novum der Allgäuerin repräsentiert das „EBS“ genannte Ejection-Ball-System. Dabei aktivieren separate Ejektorbolzen (Ejektor-Pins) die automatischen Hülsenauswerfer, und die Ejektorfedern spannen sich erst nach erfolgter Schlossauslösung beim Öffnen der Waffe. Daher sollte Feder-Ermüdung eigentlich kein Thema sein.
Ölgeschliffen mit wetterfestem Finish
Was die Schäftung anbetrifft, fährt Blaser zweispurig, denn neben einem Schnabel-Vorderschaft gibt es auch eine Halbbiberschwanz-Version. Beim Hinterschaft kann der Kunde zwischen der Jagd-(Sporting)- und einer Monte-Carlo-Trap-(Competition)-Ausführung wählen. Erste weist eine Senkung an der Nase von 38 und an der Kappe eine von 50 Millimetern auf und neigt sich demnach nur wenig. Letztere zeichnet sich durch geraden Schaftrücken aus, der sich in Höhe, Seite und Seitenneigung verstellen lässt und bei dessen Kappe Senkung, Schränkung und Pitch verändert werden können. Als besonderen Clou beinhaltet der Competition-Schaft serienmäßig den zum Patent angemeldeten „Balancer“. Er besteht aus einer Gewindestange mit zwei Massezylindern, welche die normale Schaftschraube ersetzen. Die Metallgewichte dienen dazu, die Waffenbalance den individuellen Bedürfnissen anzupassen sowie Schwankungen in der Schaftholzdichte beziehungsweise Masseunterschiede aufgrund differierender Längen zu egalisieren. Auch für den Sporting-Schaft gibts das nützliche Ding, aber nicht gratis. Alle Vorder- und Hinterschäfte sind ölgeschliffen und mit einem wetterfesten Finish sowie einer lasergeschnittenen „Kegelstumpf“-Fischhaut versehen. Desgleichen sorgt ein Handballen am Pistolgriff für sicheren Halt der Schießhand. Allein die Blaser-Slip-Schaftkappe der „Sporting“ hätte sich der eine oder andere Teilnehmer beim Parcoursschießen etwas „schlüpfriger“ gewünscht.
Ein Präzisionsinstrument mit einer Menge Features
Doch dürfte diesbezüglich noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Die Tatsache, dass sich Schäfte und Laufbündel beliebig kombinieren lassen und zwar so, dass die ausgezeichnete Balance der Flinte immer erhalten bleibt, und dass es eine echte Linkshänderversion mit Verschlusshebelöffnung nach links gibt, sucht auf dem Markt ihresgleichen. Dank des Modulsystems genügen demnach wenige Handgriffe, um beispielsweise eine reine Trapflinte zu einer Spezialistin für Skeet, Parcours oder Jagd umzufunktionieren. Fraglos kriegt der Kunde zum Basispreis von 2 895 Euro für die F3 „Game“ beziehungsweise 3 150 Euro für die „Competition“ ein Präzisionsinstrument mit einer Menge Features sowie Optionen geboten. Und er bekommt eine Blaser ganz ohne Kunststoffteile, egal ob in Standard, Royal (ab 14 895 Euro) oder den dazwischen liegenden Stufungen. Wenn alles wie vorgesehen läuft, sollen Anfang Oktober die ersten „F3“ ausgeliefert sein, und so wie sich die Flinte bei ihrer Präsentation ausnahm, erfüllt sie alle Voraussetzungen, um ein echter Hit und damit sogar „olympisch“ zu werden.
Elegant: Die für eine Bockflinte sehr niedrige Basküle mit neuartigem Finish. Die EBS-Ejektoren werden erst beim Öffnen gespannt |
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