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Norma Firmenjubiläum – 100 Jahre gut in Schuss

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Viele Jäger schwören auf Patronen und Geschosse von Norma aus Schweden. Wolfram Osgyan sah sich anlässlich des Firmenjubiläums die Munitionsfertigung im schwedischen Värmland an.

 

Vulkan, Oryx und Alaska heißen drei der bewährtesten Norma-Geschosstypen, mit denen nicht nur die im Bild gezeigten 8x57IRS, 9,3×62 und 9,3x74R ausgestattet werden

Es glitzert, rattert, klappert. Tausende von goldgelben Metallscheiben springen in einen Behälter. Doch ich bin leider nicht in einer Münzanstalt und sehe demnach nicht Euro-Rohlinge vor mir, sondern Messingplättchen, aus denen Patronenhülsen werden sollen.

Ich befinde mich im wahrsten Sinne des Wortes im hintersten Eck des Norma-Fabrikgebäudes und soll mir ein Bild vom Entstehen einer Büchsenpatrone machen. Ausgangsmaterial für die Hülsen ist Messing bestimmter Konsistenz, das Norma von der deutschen Firma Diehl bezieht. Auch bei der Kupfer-Zink-Legierung gibt es, wie ich höre, feine Unterschiede mit großen Auswirkungen auf das spätere Verhalten der Hülsen beim Schuss. Nur so viel: Sie dürfen weder zu spröde noch zu weich sein, müssen aber ein Maximum an Festigkeit und Elastizität bieten. Somit ist die Qualität der Hülse eine wesentliche Komponente für die Qualität der Munition oder anders: minderwertige Hülsen lassen keine guten Patronen zu.

Erst vor- dann fertigpressen

In der kleinen Abteilung stehen verschiedene Automaten, die ein erfahrener Mitarbeiter überwacht. Eine der Maschinen spuckt gerade fingerhutgroße Näpfchen aus. Sie sind für Hülsen im Kaliber .470 Nitro Express vorgesehen. 75 verschiedene Hülsen in den Kalibern zwischen .222 Remington und .470 N. E. umfasst das aktuelle Fertigungsprogramm, und 50 000 Einheiten pro Kaliber beträgt das Minimum für einen Auftrag. In der Summe macht das jährlich 26 Millionen Stück aus.

Gleich nebenan glänzt es kupfern. Es sind kleinere Näpfchen aus Tombak: Ausgangsmaterial und Vorstufe für Geschossmäntel. Die Messing-Näpfchen wandern in Kisten zu den nächsten Maschinen und werden zunächst geglüht und sodann schrittweise in die Länge gezogen. Dabei bleibt der Boden noch rund und massiv, und nur die Wände verlängern sich nach und nach. Sodann erfolgt das maschinelle Kappen des Überstandes, das so genannte Ablängen. Noch ist die Rohhülse zylindrisch. Die nächsten drei Arbeitsschritte gelten dann dem Boden. Er wird zuerst vor- und dann fertiggepresst.

Weil sich beim Kaltverformen das kristalline Gefüge des Messings verspannt und dadurch das Material spröde wird, muss der Hülsenmund geglüht werden. So erhält die Legierung wieder ihre ursprüngliche Elastizität zurück. Das ist wichtig, denn in den zwei folgenden Arbeitsschritten, die sich dem Einziehen des Hülsenhalses widmen, bekommt die Hülse ihre Außenform. Danach sind Hülsenhals und Schulter angelegt.

Nach dem Bohren der Zündkanäle, dem Einstechen der Auszieherrille, dem Polieren und erneuten Ablängen sehen die Hülsen fertig aus. Wieder hüpfen sie aus einem Automaten, doch als ich eine zwecks Begutachtung aus dem Auffangbehälter fischen will, bewahrt mich ein energisches „Stopp“ vor Schaden. Die Dinger sind nämlich kochend heiß, weil Hülsenhals und Schulter erneut geglüht wurden. Eine Messmaschine prüft dann die Hülsen und wirft alle heraus, die für das Auge nicht feststellbare Abweichungen aufweisen. Dennoch sehe ich eine Mitarbeiterin mit Argusaugen auf Reihen von Hülsen starren, die an ihr vorbeiziehen. Diese visuelle Kontrolle kann keine Maschine durchführen, denn es geht um den Grad der Verfärbung, um eventuelle Flecken und somit um das Aussehen der Hülse.

Natürlich frage ich die Kontrolleurin, wie viele Minuten am Stück sie sich konzentrieren kann und erfahre, dass sie jede halbe Stunde eine Pause einlegen muss. Nicht genug damit: Bevor ein Hülsenlos in den Versand oder zur Patronenfertigung wandert, werden Stichproben entnommen und im Labor mit Hilfe neuester Technologien auf Herz und Nieren geprüft. Erst, wenn alles im grünen Bereich liegt, erfolgt die Freigabe. Die Tatsache, dass weltweit fast alle Hersteller von Jagdmunition Hülsen bei Norma ordern, belegt den Stellenwert, den die schwedischen Produkte in der Branche genießen. Für Norma bedeutet das die Verpflichtung, höchstes Niveau zu halten, damit der gute Ruf gewahrt bleibt.

Aus der Zeit Kaiser Wilhelms

Bis eine Hülse schließlich in der Packung ruht, hat sie 17 Fertigungsschritte hinter sich und damit sechs mehr als beispielsweise ein „Vulkan“-Geschoss. Dieses Expansiv-Projektil, das Teilmantel-„Alaska“, das „Plastspitz“ und das moderne Verbund-Geschoss „Oryx“, bei dem nach dem Treffer das Restgewicht fast hundertprozentig erhalten bleibt, sind Norma-Entwicklungen. Deren Produktion läuft parallel zu der Hülsenfertigung in der modernen Fabrikationshalle. Das sichert kurze Wege und schnellste Kontrolle. Alt und Neu stehen in der Norma-Fabrik Seite an Seite: Da verrichten Maschinen aus der Zeit Kaiser Wilhelms immer noch treue Dienste, und daneben produzieren Fertigungszentren mit der eingestempelten Jahreszahl 2001. Der Unterschied liegt dabei nicht in der Qualität, sondern in der Geschwindigkeit und der Personal-Intensität.

Produziert wird übrigens mit einer Toleranzgenauigkeit von fünf tausendstel Millimeter, obwohl beileibe nicht alle Komponenten für die Munitionsherstellung aus dem eigenen Hause stammen. Hauptlieferant für das Pulver ist Bofors, die Zündhütchen bezieht man von RWS oder Winchester und das Blei für die eigenen Geschosse von Sala Bly. Zur Unternehmens-Philosophie zählt auch die enge Zusammenarbeit mit weltbekannten Geschoss-Herstellern wie Nosler, Swift, Hornady, Barnes, Berger und Sierra, so dass es auch Norma-Laborierungen mit Nosler-Ballistic-Tip oder -Partition, mit Swift-Scirocco beziehungsweise -A-Frame oder Barnes-Solid-Projektilen gibt.

Das Laborieren selbst übernehmen moderne Automaten, doch das Verpacken geschieht von Hand und stellt den letzten von insgesamt bis zu 30 Kontrollvorgängen bei der Munitionsherstellung dar. Nebenbei erfahre ich, dass im Augenblick 275 verschiedene Laborierungen aufgelegt werden. Bevor ein Los vom ballistischen Labor freigegeben wird, muss die betreffende Munition geprüft, gemessen und zur Probe geschossen worden sein. Das geschieht zweimal am Tag.

Offenheit im Hause Norma

Im unterirdischen Schießstand sind die Vorrichtungen mit Messläufen, Apparaturen für Gasdruck sowie Geschwindigkeitsmessanlagen installiert und mit einem Rechner verbunden. Der speichert nach jedem Schuss eine Fülle von Daten und wertet die Fünfer-Gruppen nach Streukreisdurchmesser, Geschwindigkeits-Differenz, vertikaler und horizontaler Abweichung vom Zielpunkt und vieles mehr aus. So lag beispielsweise die mittlere Geschwindigkeit (v5) beim Los Nr. 17674 mit dem 11,7-g-Oryx in der .30-06, das in meinem Beisein geschossen wurde, bei 809,68 Meter pro Sekunde. Die minimale Geschwindigkeit belief sich auf 799,33 Meter pro Sekunde und die maximale auf 818,63 Meter pro Sekunde. Der Streukreisdurchmesser betrug hier 31,2 Millimeter. Ich darf ein wenig im Logbuch blättern und finde auch Gruppen mit weniger als 20 Millimetern Streukreisdurchmesser und Geschwindigkeitsdifferenzen im einstelligen Bereich.

Matchmunition in den Kalibern 6,5×55, .308 und 6mm BR liegt sogar regelmäßig unter 17 Millimetern Streukreis-Durchmesser bei fünf Schüssen, und Jagdmunition, die über 40 Millimeter streut, kommt gar nicht erst in den Handel. Die Top-Schussleistung mit unglaublichen 3,5 Millimetern finde ich im Kaliber 6 mm Norma BR (Diamond Line). Kein Wunder, dass 80 Prozent der 300-Meter-Wettkampfschützen auf diese Munition vertrauen und elf von zwölf Medaillen bei der letzten Weltmeisterschaft damit errungen wurden.

Messläufe sind nicht allzu lang im Einsatz. Solche für Weatherby-Patronen werden durchschnittlich nach 500 Schüssen getauscht, die im Kaliber .22-250 bringen es auf 800 Einsätze, 1500 billigt man durchschnittlich der 7x65R zu, 2500 der .30-06 und nach etwa 3000 Schüssen wandern die für das Kaliber 7x57R zum Alteisen.

Gemessen an der Geheimniskrämerei, die anderswo betrieben wird, bin ich erstaunt, mit welcher Offenheit man bei Norma Zahlen auf den Tisch legt und welch reger Kontakt nicht nur zu den Abnehmern, sondern auch zu den Mitbewerbern unterhalten wird. So produzierte die Firma im abgelaufenen Geschäftsjahr 25 Millionen Geschosse, 26 Millionen Hülsen und 25 Millionen Kugelpatronen für Jäger (Anteil über 50 Prozent), Sportschützen und Scharfschützen. Diese Zahl gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass es sich ausschließlich um Zentralfeuerpatronen handelt und Norma keine Kurzwaffenmunition fertigt. Damit sind die Skandinavier Marktführer in Europa und werden bei den Stückzahlen nur von den amerikanischen Giganten Winchester, Remington und Federal um ein Mehrfaches überboten.

Weatherby lässt von Norma fertigen

Nicht ohne Stolz berichtet mir Torbjörn Lindskog, der Geschäftsführer, dass Weatherby seine gesamte Munition von Norma fertigen lässt, fünf Millionen Patronen jährlich ordert und damit ein Fünftel der Kapazität von Norma auslastet. Ferner erfahre ich, dass die Kooperation schon seit Ende des zweiten Weltkrieges besteht und der legendäre Nils Kvale, Vater der Norma- Kaliber .308 Norma Magnum sowie .358 Norma Magnum, zusammen mit Roy Weatherby eine Reihe bekannter Weatherby-Patronen entwickelt hat. Zum absoluten Hit avancierte dabei die .300 Weatherby Magnum.

Lieblingskaliber von John Wayne

Sie war auch das Lieblingskaliber des berühmten Schauspielers und Helden zahlreicher Western, John Wayne. Zur Zeit laufen 50 verschiedene Weatherby-Laborierungen in 20 Kalibern vom Norma-Band, darunter die Novizen .338-06, .375, .30-378 und .338-378. Kurioserweise gab es von den Anfängen bis heute nie einen schriftlichen Vertrag mit Weatherby, sondern nur ein Abkommen per Handschlag. Das Agreement hält nun schon über 50 Jahre und setzt sich einfach solange fort, wie das Vertrauensverhältnis keine Risse bekommt. Dass dies nicht so schnell der Fall sein wird, davon sind alle Beteiligten überzeugt.
100 Jahre Firmengeschichte stellen in unserer schnelllebigen Zeit eine beachtliche Spanne dar. 1902 wurde die nach der Bellini-Oper „Norma“ benannte Firma von den Brüdern Enger gegründet und zwar an der zweiten schwedischen Station der Bahnlinie Oslo-Stockholm. Seinerzeit hatte die schwedische Schützenbewegung einen schwedischen Lieferanten gesucht und war an die in Oslo beheimatete Projektilfabrik A/S mit dem Wunsch herangetreten, auf schwedischem Boden ein Zweigwerk zu errichten. In den Gründerjahren fertigte man nur Geschosse, später Patronen. 1942 erreichte die Firma ihren Wachstumszenit. 800 Beschäftigte produzierten während des zweiten Weltkrieges in erster Linie Kartuschen für Panzer und Flugabwehrgeschütze. 1965 erfolgte der Verkauf an Svenska Metallverhüttung.
Zwei Jahre später wurde ein neues Fabrikgebäude errichtet. 1990 übernahm Dynamit Nobel den angeschlagenen Konzern. Derzeit gehen die 135 Beschäftigten mit berechtigtem Optimismus in das zweite Norma-Jahrhundert, zumal die Auftragsbücher gefüllt sind. Ein schlüssiges Marketingkonzept verheißt Expansion in den Sparten Wiederladekomponenten, Eigenmarken und Spezialpatronen, und jeder in der Mannschaft reißt sich für die alte Dame ein Bein aus.

Wenn die Elchsaison startet

Nur einmal im Jahr scheren sich Nils, Jan, Lennart, Kenneth, Karl-Erik, Torb und all die anderen einen Teufel um das Geschäft. Wenn nämlich die Elchsaison startet, dann packen sie ihre Husquarna, Carl-Gustaf, Varberger, Kongsberg oder Weatherby aus und gehen mit den Elchhunden für ein paar Tage in den schwedischen Busch, jagen gemäß dem Teamgeist gemeinsam und teilen das Wildbret gemeinschaftlich untereinander auf. Es sind halt passionierte Jäger, die Jagdmunition höchster Qualität machen.

Hier fallen keine Münzen in das Sammelbecken, sondern Tombak-Scheiben als Vorstufe zu den Näpfchen, aus denen später Geschössmäntel produziert werden

 


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