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Wölfe im Schafspelz

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Tierrechtszene unter Sekteneinfluss?

Vor kurzem haben Sektenpfarrer der evangelischen Kirche darauf aufmerksam gemacht, dass die Sekte Universelles Leben (UL) die Tierschutz- und Tierrechtsszene unterwandert. Bereits 1993 entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass die Sekte als „totalitär“ bezeichnet werden darf. Unter den Tierschützer, Vegetariern und Naturschützern haben diese Meldungen und entsprechende Zeitungsberichte für Furore gesorgt.

 

Seit Oktober 2001 finden in Berlin immer wieder Anti-Jagd-Demos statt

Jeden ersten Samstag im Monat hoppeln sie am Kurfürstendamm entlang und blasen zum Halali auf die Jagd, schrieb in einer kleinen Meldung die Süddeutsche Zeitung. Mehrere hundert Jagdgegner skandieren auf ihrem Marsch über den Berliner Pracht-Boulevard etwas über „Lusttöter“, „Mörder“, „Schafft die Jagd ab“ und singen ihr selbstkomponiertes Lied vom „Bambikiller“. Sie nennen es einen Skandal, dass jedes Jahr millionen Tiere durch Flinten in die Falle der Jäger geraten. Zum Abschluss vor der Gedächtniskirche gibt es noch rührende Reden über „den blutigen Krieg gegen unsere Mitgeschöpfe in Wald und Feld“ und den „Terror“ im Wald, anschließend wird vegetarische Suppe aus der Feldküche verteilt. Verantstalter ist die „Initiative zur Abschaffung der Jagd“. Eine Demo von vielen – Business-as-usual auf der Prachtmeile.

„teilweise totalitäre Züge und problematische Lehren“

Anfang August dann, gab es noch ein „wissenschaftliches“ Symposium mit dem Titel „Natur ohne Jagd“. Die Tierrechts-, Tierschutzszene und auch einige Naturschutzverbände klatschten zunächst Beifall und veröffentlichten die Termine der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ in Pressediensten und im Internet.

Doch kurz vor dem Symposium hat die Meldung des Sektenbeauftragen der evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg, Thomas Gandow, den Veranstalter ins Visier genommen. Gandow schrieb, dass die Sekte Universelles Leben (UL) über die „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ versuche, die Tierschutzszene zu unterwandern und ihren Einfluss zu verbreitern. Unbedarfte „Bambi-Freunde“ warnt der Pfarrer davor, sich durch die Teilnahme an den Demonstrationen und den Aktionen der Anti-Jagd-Initiative vor den Karren einer Sekte mit „teilweise totalitären Zügen und problematischen Lehren“ spannen zu lassen. Ähnlich sieht dies Gandows bayerischer Amtskollege, der Sektenbeauftragte Wolfgang Behnk.

Seit geraumer Zeit macht das UL in seinen Publikationen, wie beispielsweise ihrer Hauszeitung „Das Friedensreich“ gegen Jäger mobil. Immer wieder ist in den UL-Publikationen auch Platz für heftige Seitenhiebe gegen die beiden Amtskirchen. Eine der vielen Verfehlungen der Geistlichkeit der ungeliebten Amtskirchen sei der Segen für die Jäger am Hubertustag und das Feiern von Hubertusmessen.

Ihren Schwerpunkt hat die Gemeinschaft in einigen Gemeinden rund um Würzburg, wo ihr nahestehende Firmen unter anderem Öko-Produkte vermarkten. Wer Obst, Gemüse, Backwaren oder Säfte mit dem Label „Gut zum Leben“ kauft, finanziere eine Organisation mit bundesweit rund 40 000 und weltweit über 100 000 Anhängern, schrieb die Frauenzeitschrift Amica. Der Beauftragte für Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche, Michael Fragner, hält diese Zahl für überzogen. Aussteigerberichten zufolge zähle die Gemeinschaft rund 10 000 Anhänger. Dafür werde die Qualität des Einflusses der Sekte unterschätzt, sagte Fragner in einem Telefonat.

Rund 100 Fimen gehören zu dem Wirtschaftsimperium

Dass der Profit stimmt, dafür sorgen die UL-Anhänger, die für geringe Löhne arbeiten. Für den „Christusarbeiter“ gilt das UL-Gebot „keine Schätze zu sammeln, die die Motten und der Rost verzehren“. Ein „unmenschliches, raffgieriges Unterdrückungssystem“, urteilte Wolfgang Behnk, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche in Bayern, in einem Artikel einer deutschen Frauen-Zeitschrift. Das weitverzweigte Wirtschaftsunternehmen UL-naher Betriebe macht Geschäfte nicht nur im Biohandel, sondern auch mit Heimen, Kliniken, Arztpraxen, Supermärkten, Handwerksbetrieben, Kindergärten, Schulen, einer Druckerei und einem Verlag.

Experten schätzen, dass rund 100 Firmen zu dem Wirtschaftsimperium gehören. Auf über 50 Millionen Euro wird der Umsatz des schwer durchschaubaren Firmengeflechts des UL geschätzt. Das Bayerische Wirtschaftsministerium nimmt an, dass alleine die Firma „Gut zum Leben“ ein Drittel des süddeutschen Marktes für Alternativprodukte kontrolliere.

Ziel von UL ist ein geschlossener Kreislauf

Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „So genannte Sekten und Psychogruppen“ kam 1998 in einem Bericht zu dem Schluss, dass das UL als konfliktträchtige Gruppe eine Desinformationspolitik und Einschüchterungspolitik, und sei es nur durch Klagehäufung, gegen Kritikerinnen und Kritiker betreibe.

Eine Verfassungsbeschwerde des UL gegen die Erwähnung in dem Bericht wurde abgewiesen. Der Sektenexperte vom Institut für Religionsforschung in Bayreuth, Dr. Wolfram Mirbach, hält das UL für eine in ihrer Gefahr meist unterschätzten Bewegung, deren totalitäre Züge immer stärker in den Vordergrund träten. Parallel dazu schotte sich das UL immer mehr gegen die Außenwelt ab. Ziel des UL sei es, so Mirbach, einen geschlossenen Kreislauf herzustellen: Kinder von UL-Eltern wüchsen im UL-Kindergarten auf, gingen in die UL-Schule, lernten bei einem UL-Handwerker und heirateten im UL. So solle eine zur Kritik unfähige zweite Generation heranwachsen, schreibt Mirbach in einer Publikation.

Ihr Anti-Jagd-Engagement begründen die UL-Mitglieder, die sich selbst als Gemeinschaft von fleischlos lebenden „Urchristen“ sieht, in den Zehn Geboten und den Offenbarungen ihrer Prophetin Gabriele Wittek. Die 1933 geborene Hausfrau steht unter anderem mit „Gott dem Ewigen“ und dem Außerirdischen Mairadi vom Planeten Maiami-Chuli in Kontakt. Wittek prophezeit Katastrophen und Atomkriege. Der Allmächtige höchstpersönlich soll – so schreibt die Frankfurter Rundschau – über die selbst ernannte Prophetin die Menschen zu Vegetarismus und absoluter Tierliebe aufgefordert haben.

Damit trifft das UL den Nerv vieler Tierschützer und Vegetarier. Seit Jahren warnt die Tierrechtsinitiative Maqi vor einer Unterwanderung der Tierrechts-Szene. Die Produkte der Firmen „Gut zum Leben“ oder „Lebe gesund-Versand“ aus dem Wirtschaftsimperium im Umfeld der Sekte würden als „trojanisches Pferd“ benutzt, um Menschen, die den Konsum von Tierqualprodukten ablehnten, zu ködern, schreibt Maqi in einer Presseinformation. Denn zum Aufstrich aus Sonnenblumenkernen aus friedfertigem Anbau gebe es noch ein wenig „urchristliche“ Propaganda dazu, heißt es bei der Tierrechtsinitiative. „Leider sind wir Rufer in der Wüste“, bedauert Achim Stößer von Maqi. „Viele sehen nur die vermeintlich leidfreien Lebensmittel, die Demos von Jagdgegnern, die oft kostenlos verteilten Broschüren wie den „Lusttöter“, nicht aber das, was dahintersteckt. Aber statt sich zu informieren, essen sie lieber die kostenlose Tomatensuppe bei den Anti-Jagd-Demos in Berlin, die „Gut zum Leben“ verteilt.“ Stößer, der bei weitem kein Freund der Jäger ist, sagte deutlich: „Ein faschistoides Weltbild wie das des UL ist mit Tierrechten nicht zu vereinbaren.“

Der Sprecher der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ Kurt Eicher sieht die Verbindungen zum UL unproblematisch. „Wir sind Natur- und Tierschützer und keine Glaubenskongregation“ schimpft der Biologie-Lehrer in der Frankfurter Rundschau. Er habe zu der Wittek-Gemeinschaft genauso wenig Berührungsängste, wie zu katholischen und atheistischen Mitstreitern, oder jenen Hare-Krishna-Anhängern, die fleißig Unterschriften für ein Jagdverbot sammelten, schreibt die Tageszeitung aus der Main-Metropole.

Verbreitung von antisemitischen Verschwörungstheorien

Ganz so einfach ist die Sache jedoch nicht. Eicher tauchte im vergangenen Jahr quasi aus dem Nichts auf. Seine Initiative versendete bundesweit aufwendige Werbebriefe und Unterschriftenlisten. Beigelegt war eine Broschüre der „Lusttöter“, die auch über die Internet-Seite der Initiative mit einem zusätzlichen Video angeboten wurde und auf den Anti-Jagd-Demos verteilt wird. Herausgeber der Publikation im Verlag „Das Brennglas“ ist der Schweizer German Murer. Der wiederrum arbeitete als Redakteuer in der Hauszeitung des UL „Christusstaat“ und verbreitete dort antisemitische Verschwörungstheorien, indem er behauptete, Deutschland sei ein Spielball „herrschsüchtiger“ Juden. Kein Wunder, dass sich die UL-Schriften in rechtsradikalen Kreisen großer Beliebtheit erfreuten. 1995 musste Murer wegen öffentlicher Proteste eine Distanzierungserklärung dazu abgeben.

Heute spielt Murer in der Anti-Jagd-Initiative von Eicher eine wichtige Rolle, schreibt der Sektenbeauftragte Thomas Gandow in einer Medieninformation. Bei der Planung des Anti-Jagd-Symposiums war ebenfalls eine Mitarbeiterin des UL-nahen Verlags „Das Brennglas“ involviert. Nach einem internen Papier sollte das Symposium „Natur ohne Jagd“ in den Räumen der Technischen Universität in Berlin die Anti-Jagd-Bewegung in das „politische Kraftfeld“ hineintragen. Mit einer kontroversen Diskussion und etwas Politprominenz (geplant waren Jürgen Möllemann, FDP, und Czem Özdemir, Die Grünen) sollten Journalisten für das Thema interessiert werden. Als Referent war auch Dr. Christian Sailer vorgesehen. Bei der Podiumsdiskussion sollte der Anwalt als Hauptkläger beim internationalen Gerichtshof für Tiere auftreten.

Seit Jahren steht Sailer vor allem als Sprecher und Anwalt des UL im Licht der Öffentlichkeit. Hauptziel der ausgeprägten Klagefreude der Organisation sind Kritiker, insbesondere kirchliche Sektenbeauftragte, denen Sailer in einer Prozessschrift etwa „eine neue Inquisition“ vorwirft. Die Frankfurter Rundschau fand heraus, dass Sailer in dem UL-nahen Verlag „Das Wort“ Bücher publiziert, in denen er die Botschaften der „Prophetin“ Wittek popularisiert. Sailer selbst war über die Enthüllungen des Sektenpfarrers Gandow verärgert. „Offensichtlich ist es der Jägerlobby gelungen, die kirchlichen Ideologen vom Dienst für ihre Zwecke einzuspannen“, wetterte er im Berliner Tagesspiegel. Er sagte daraufhin seine Teilnahme an der Veranstaltung ab. Dem Berliner Tagesspiegel versicherte er, dass es zwischen der Gemeinschaft um Gabriele Wittek und der Anti-Jagd-Initiative keinerlei Verbindung gebe.

Eicher gibt zwar zu, dass er mit Leuten vom UL zusammengearbeitet habe, der Unterwanderungsverdacht sei allerdings eine Schlammschlacht. In einer schriftlichen Erklärung schreibt Eicher: „Endlich können uns die Kirchen in eine Schublade stecken und kräftig diffamieren, da es Scheiterhaufen nicht mehr gibt, ist dies das probate Mittel der Scheinheiligkeit.“ Er bedauerte, dass sich Vertreter der Kirchen vor den Karren der Jägerlobby spannen ließen. Und weiter wird Eicher in einer Presseerklärung der Initiative zur Abschaffung der Jagd zitiert: „Wer die Anti-Jagd-Bewegung spalten wolle, sei von den Jägern gekauft und stehe im Auftrag der Jägerlobby und habe keine moralische Legitimation.“

„Eicher irrt sich“, sagt dazu der evangelische Weltanschauungsbeauftragte Fragner. Und weiter sagte der Pfarrer aus Üngershausen bei Würzburg: „Den Stein haben Tierschützer erst ins Rollen gebracht, als sie wegen der Verbindungen des Tierschutzes zum UL Bauchschmerzen bekamen.“

Öffentliches Bekennen

Die Moderation in dem Anti-Jagd-Symposium hatte der TV-Journalist Franz Alt, der sich in letzter Zeit im ECO-Presseservice vermehrt zur Umweltpolitik äußert. In einer weiteren neuen Publikation „Der Tierfreund“, die ebenfalls im UL-nahen Verlag „Das Brennglas“ erscheint, gibt Alt als prominentes Zugpferd auch Interviews. Die Zeitschrift, die auch an Bahnhofskiosken vertrieben wird, arbeitet nach Information des evangelischen Pressedienstes mit verschiedenen Vereinigungen von Tierrechtlern und Tierschützern zusammen. Zum Beispiel dem „Verein gegen Tierfabriken“ (Österreich) dem „Verein zur Förderung der Tierrechte“ (Schweiz) und der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“. Welche Naturschutz- und Tierschutzverbände von der Sekte bereits unterwandert sind, lässt sich im Dschungel der Verflechtungen schwer sagen.

Öffentlich zu dem Symposium bekannten sich zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen. Unter ihnen alte Bekannte wie der Tierschützer Dag Frommhold (Bundesvorstand der Tierschutzpartei), Professor Carlo Consiglio (Vorsitzender der Europäischen Anti-Jagd Liga und Autor des Buches „Vom Widersinn der Jagd“), Hans-Jürgen Lutz vom Verein TUN-Tier und Naturschutz und das Komitee gegen den Vogelmord, die Schauspielerin Barbara Rütting oder der Hip-Hopper Thomas D. von den Fantastischen Vier. An der Diskussion mit den Teilnehmern beteiligten sich die in der Jagd-Szene nicht unbekannten Dr. Eberhard Schneider und Elisabeth Emmert vom Ökologischen Jagdverband.

Anti-Jagd-Termine auf der Nabu-Homepage

Die österreichische Tierschutzgruppe CANIS, die ursprünglich an dem Symposium teilnehmen wollte, zog ihre Teilnahme zurück. Die Initiative zur Abschaffung der Jagd habe sich nicht glaubhaft von der Sekte UL distanziert, schrieb CANIS in einer Presseinformation. Ähnlich reagierten einige andere Initiativen. Sogar der Naturschutzbund (Nabu) hatte die Anti-Jagd-Termine auf seiner Homepage veröffentlicht, distanzierte sich aber nach den verschiedenen Presseberichten zu den Verstrickungen der Anti-Jagd-Initiative. Auch die Grünen machten schnell einen Rückzieher, als sie von den Vorwürfen erfuhren. „Solche Verbindungen schaden der Tierrechtsbewegung“, sagte Undine Kurth. Die Grünen-Politikerin, die Mitglied im Bundesvorstand der Partei ist, war mit dem Journalisten Franz Alt als Diskutantin auf dem Symposium der Jagdgegner eingeladen. Seit die Bundesarbeitsgemeinschaft Mensch und Tier von Bündnis 90/Die Grünen 1998 in einem Rundbrief langfristig für eine Abschaffung der Jagd plädierte, genießt die Partei viele Sympathien in Kreisen der Tierrechtler.

Die Anti-Jagd-Umzüge im Herzen der Hauptstadt sollen nach dem Willen von Eicher und seiner Anti-Jagd-Initiative unverdrossen fortgesetzt werden. Dabei soll der Verein offen bleiben: „Wir brauchen doch Leute, die sich einen ethischen Kopf machen“, sagte der Jagd-Gegner in einem Interview. Und so werden weiter jeden ersten Samstag im Monat einige Jagdgegner, versorgt mit vegetarischer Tomatensuppe, über den Kudamm „hoppeln“, um gegen den Jagdterror zu demonstrieren. Business-as-usual in der Bundeshauptstadt.

Der Sprecher der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“, Kurt Eicher, vor dem Bundestag in Berlin bei einer Kundgebung

 


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